Schweden:Im Garten Eden

2018 World Cup Qualifications - Europe - Italy vs Sweden

Die Nummer 10: Emil Forsberg, der Chef der Schweden, wird beim Mailänder 0:0 eskortiert vom Italiener Antonio Candreva.

(Foto: Maxi Rossi/Reuters)

Leipzigs Offensivspieler Emil Forsberg führt sein Heimatland zur Weltmeisterschaft nach Russland.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es liegt nicht nur Italiens Fußball in Trümmern, auch der schwedische Ableger des Spartensenders Eurosport hat nun ein Problem. Erzählt jedenfalls die Eurosport-Moderatorin Karin Frick. Am Ende der Übertragung aus San Siro in Mailand nämlich wurde das ambulante TV-Studio Opfer skandinavischer Euphorie um ein Resultat, das historisch betrachtet eigentlich nur Italiener ausgelassen feiern: 0:0.

Frick und ein Kollege standen mit dem Experten Hans Backe sowie Schwedens Nationalcoach Janne Andersson am Spielfeldrand und wollten das Duell Revue passieren lassen, als sich Schwedens Nationalteam im Stile einer marodierenden Wikinger-Meute auf die Diskutanten stürzte - und das Moderatorenpult in seine Bestandteile zerlegte. "Wir brauchen das eigentlich nächste Woche, für die Europa League, Östersunds FK gegen Sorja", sagte Frick. "Aber andererseits: Wen schert's?", fügte sie lachend hinzu, der Grund für die zerstörerische Wucht der Ekstase erfreute sie ja: Schweden hat sich erstmals seit 2006 wieder für eine Fußball-WM qualifiziert. "Wir haben Holland und Italien ausgeschaltet!", jubelte Emil Forsberg später, der schwedische Regisseur des Bundesligisten RB Leipzig: "Ich bin einfach nur stolz."

Im Sommer wurde Forsberg in Mailand gehandelt, nun will ihn Mourinho nach Manchester holen

Am 17. Oktober hatte Forsberg wenige Stunden vor dem Champions-League-Spiel von RB gegen Porto in seiner sächsischen Wahlheimat die Auslosung der Relegation verfolgt, die Dimension der Aufgabe, Italien, entlockte ihm ein Schmunzeln. "Das werden geile Spiele", hatte Forsberg seinerzeit gesagt. Ohne zu ahnen, dass sie für die Schweden so geil werden würden, oder dass die Klimax in Mailand stattfinden würde, an jenem Ort, an dem in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts drei legendäre Schweden herrschten: Gunnar Gren, Gunnar Nordahl und Niels Liedholm, bis heute in Italien unter dem Akronym Gre-No-Li bekannt - und verehrt.

Nur Gren und Liedholm spielten eine Weltmeisterschaft: 1958 in ihrem Geburtsland Schweden. Es war die einzige WM, bei der es die Skandinavier bis ins Finale schafften (und es gegen das Brasilien von Pelé und Garrincha verloren). Es war die erste WM, die im TV übertragen wurde, wenn auch nur in Schweden. Und es war die einzige WM, für die sich Italien bis zur schwarzen Montagnacht von Mailand nicht hatte qualifizieren können. Bis dann im Garten Eden von Gre-No-Li ein Mann die Tür zum Fußball-Paradies aufzustoßen half, der gewissermaßen als Gre-No-Li-Erbe designiert ist: Emil Forsberg.

Dieser Forsberg, 26, wurde im Sommer noch als Zugang des AC Mailand gehandelt; RB aber wehrte das Werben ab. Vorigen Freitag, beim 1:0-Hinspielsieg in Solna, der das 0:0 vom Montag so wertvoll werden ließ, hatte Forsberg geglänzt, in San Siro musste er wider die eigene Natur in der Defensive aushelfen und war auch dort glücklich. Er kam auf nur 42 Ballkontakte, auf 14 gelungene und sechs misslungene Pässe, auf null Torschüsse und ebensoviele Vorlagen. Forsbergs primärer Aufenthaltsort war im Betonriegel vorm Strafraum. Seine auffälligste Aktion war die gelbe Karte, weil er protestierte, nachdem ihm Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz (Spanien) nach einem Handspiel von Andrea Barzagli einen Elfmeter verweigerte.

Was soll's? Seine Schweden haben die größte Russland-Expedition perfekt gemacht, seit sich die Wikinger Ende des ersten Jahrtausends im Norden des Riesen-Reichs breitmachten. Mit einem Team, das nominell unterlegen war: Gustav Svensson, Isaac Kiese Thelin und Marcus Rohden, die in San Siro eingewechselt wurden, spielen bei den Seattle Sounders (USA), bei Waasland-Beveren (Belgien) und beim FC Crotone in Italiens Serie B.

Revidiert Ibrahimovic seinen Rücktritt? "Mit Zlatan ist man immer besser", findet Forsberg

Da ist es kaum ein Wunder, dass die Blicke noch immer zum schillerndsten aktuellen schwedischen Fußballer wandern, zu Zlatan Ibrahimovic, 36. Er hatte sich nach Schwedens EM-Aus 2016 aus der Nationalelf verabschiedet, zurzeit kuriert er eine Knieverletzung, die er sich im April zugezogen hatte. "We are Zweden!", twitterte Ibrahimovic, mit "Z" wie Zlatan statt "S" wie Schweden, was mehr Antwort auf überhebliche italienische Kommentare war denn eine Bewerbung um eine Rückkehr. Sein Manager Minu Raiola brachte sie dennoch ins Spiel, Trainer Janne Andersson war außer sich: "Das ist doch unglaublich! Dieser Spieler hat vor eineinhalb Jahren aufgehört, für Schweden zu spielen, und wir reden immer noch über ihn."

Andererseits: Gesprochen wurde zuletzt eher darüber, dass Schweden ohne "Ibra" besser ist. "Mit Zlatan ist man immer besser", sagte Forsberg neulich jedoch zu dieser Debatte, "er würde uns helfen, klar. Es ist schade, dass er nicht dabei ist."

In Mailand wurde Ibrahimovic nicht gesehen, wohl aber beim Hinspiel in Solna, da saß er bei seinem langjährigen Trainer José Mourinho auf der Tribüne. Der heutige Coach von Manchester United soll dort ein Auge auf Leipzigs Forsberg geworfen haben - und die Order gegeben haben, einen Scheck in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe auszufüllen, um Forsberg in die Premier League zu lotsen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: