Schwedens Zlatan Ibrahimovic:Ein naher Verwandter des Fußballgotts

Football Soccer - Sweden training - Euro 2016

Fußballgott? Na mindestens. Zlatan Ibrahimovic.

(Foto: REUTERS)

Zlatan Ibrahimovic greift mit Schweden in die EM ein - und gibt den Franzosen gleichzeitig seine Abschiedsvorstellung. Ein Lehrstück zu Popularität und Größenwahn.

Von Claudio Catuogno, Paris

"Das Geld?" Die wenigsten Interviews würde man wohl auf diese Weise beginnen. Auch nicht mit einem kolossal überbezahlten Profifußballer. Eine Person so aufs Monetäre zu reduzieren, dass man bloß die beiden Worte in den Raum wirft, ist nicht höflich, es ist frech, es ist provokativ. Aber wenn einer es aushalten kann, dann doch wohl er. Er!

Zlatan Ibrahimovic, 34, hat das Spiel mitgemacht, als er kürzlich von den Kollegen der Tageszeitung Le Monde zum großen Abschiedsinterview gebeten wurde und statt einer Einstiegsfrage nur "Das Geld?" zu hören bekam. "Okay, wir werden über Geld reden", entgegnete er, "ich denke, Geld macht die Dinge einfacher, aber es macht nicht glücklicher. So müssen die Leute denken." Wie die Leute denken müssen, dazu hat Zlatan Ibrahimovic immer schon eine klare Meinung gehabt.

Der Élysee-Palast teilt mit, Staatspräsident Hollande brauche Ibrahimovics Hilfsangebot nicht

Ungefähr 20 Millionen Euro habe er doch im Jahr 2015 verdient, oder? Darauf der Schwede: "Nur? Vielleicht in den ersten sechs Monaten." Und warum auch nicht: "Wenn ein anderer Spieler so und so viel verdient, und ich bin zehnmal besser als er - wie viel macht das dann? Genau: zehnmal so viel Geld!"

Tja, und schon ist man wieder mittendrin in der Welt des Zlatan Ibrahimovic, in der Bäche aus Größenwahn fließen und nicht selten die pralle Gotteslästerung an den Bäumen wächst. Aber doch immer mit einem Hauch Selbstironie vorgetragen, jedenfalls hofft man das. Ganz sicher sein kann man sich nicht.

Vor vier Jahren kam er vom AC Mailand nach Paris, zum mit viel Katar-Geld alimentierten Hauptstadtklub Paris Saint-Germain. Die Leute riefen ihn zum König aus, "ich habe die Macht in Frankreich übernommen", jetzt spielt er hier noch die EM, dann sagt der König au revoir und sucht sich ein neues Reich. So sieht er das.

"Und Hollande?"

Auch diese Frage in dem Interview hat Ibrahimovic erst mal irritiert ("Sie wollen mit mir über den Präsidenten reden"?), aber er hat auch hier schnell auf seine Weise die Kurve gekriegt. Er ist ja quasi der Experte schlechthin für das Thema Popularität - hat er eine Antwort darauf, wie ein Staatspräsident so unpopulär werden kann wie der Sozialist François Hollande, der Frankreich ja ebenfalls seit ungefähr vier Jahren regiert?

Nun, für Politik interessiert Zlatan sich nicht, links, rechts, "ich lege mich da nicht fest, ich bin ein Mann des Volkes". Warum Hollande so unbeliebt sei, könne er demnach gar nicht wissen. Aber eins wisse er gewiss - und schon kommt die nächste Provokation um die Ecke: "Ich kann ihn beliebt machen, wenn ich will. Ich weiß aber nicht, ob ich darauf Lust habe."

Ibrahimovic, der Fixstern

Am Montag starten die Schweden in die EM, in der schweren Gruppe E treffen sie zunächst auf Irland. Und man könnte sich jetzt natürlich auch mit anderen Spielern des Teams befassen, man könnte sich anhören, was zum Beispiel Jimmy Durmaz ("Wir sind eine gute Mannschaft, das wissen wir") oder Ludwig Augustinsson ("Die Vorbereitung läuft bisher fantastisch") in der vergangenen Woche bei der Pressekonferenz im Teamquertier erzählt haben.

Bloß: wieso eigentlich? Ibrahimovic ist doch auch für sie der Fixstern. Alle anderen im Team kreisen fortwährend um ihn herum. Wer zum ersten Mal in die Nationalelf berufen wird, holt sich nicht selten ein Autogramm. Zlatan, wohin man blickt. In Pornichet, wo die Schweden ihr Quartier bezogen haben, sind sogar die Souvenirverkäufer auf den Wahnsinn vorbereitet. Sie haben jetzt mit "Zlatan" beschriftete bretonische Keramikschalen im Angebot.

Anderswo würde man den Hype womöglich ein bisschen herunterdimmen - Cristiano Ronaldo und die Portugiesen, das ist seit Jahren ein Beispiel dafür, wie die Aura eines Einzelnen sich als Last auf ein Kollektiv legen kann. Aber der schwedische Trainer Erik Hamrén hat mit den Jahren gelernt, dass Ibrahimovic umso besser ist, je bereitwilliger man ihn in der Sänfte seiner eigenen Großartigkeit durch die Gegend trägt. Wenn man will, dass er sich in den Dienst der Mannschaft stellt - und das tut Ibrahimovic mit großem Eifer, seit ihn Hamrén 2009 gegen einige Wider- stände zum Kapitän ernannt hat -, dann muss man ihn im Gegenzug schon in dem Glauben lassen, dass er zumindest ein naher Verwandter des Fußballgotts ist.

Der Trainer Hamrén scheint sich nicht mal sicher zu sein, ob er seinem Kapitän verbieten könnte, zwischen zwei EM-Spielen mal schnell nach England zu jetten, um bei Manchester United den nächsten Königsvertrag zu unterschreiben, wie es die Branche allgemein erwartet. Er ist in Paris ablösefrei, insofern geht die gesamte Investitionssumme an ihn selbst. Nein, "es wäre nicht in Ordnung, wenn Zlatan nach Manchester fliegen würde", wurde Hamrén in der Zeitung Göteborgs-Posten zitiert. Andererseits: "Die Spieler haben natürlich Freizeit." Also: Weiß man's?

Wie sieht es mit Doping aus?

Man kann das sehr begrüßen, dass Zlatan Ibrahimovic dieses Turnier mit seiner unangepassten Exzentrik bereichert. Man kann sich aber auch wünschen, dass so einer, um den die anderen eh schon kreisen, nicht auch bloß um sich selbst kreist. Noch ein paar Themen also, über die Le Monde mit ihm zu sprechen versucht hat . . . Die WM 2022 in Katar? Die miserablen Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter auf den Stadionbaustellen? "Für die gibt es doch keine Beweise!", findet Ibrahimovic. Da klingt er ein bisschen, als sei er mit Franz Beckenbauer in dem Emirat unterwegs gewesen, und die beiden hätten gemeinsam keine Sklaven gesehen. Aber was soll er auch sagen, wo ihn Katar ja de facto bezahlt hat? Also sagt er: "Ohne Katar hätte mich Frankreich nie spielen sehen. Ihr Franzosen müsst dankbar sein!"

Wie sieht es mit Doping aus? "Gibt es in meiner Welt nicht! Ich bin eh stärker als die Gedopten." Nie was mitgekriegt? "Nie was mitgekriegt!" Ende der Durchsage.

Der König verlässt nun also Paris, der Präsident bleibt erst mal da, in seinem Élysée-Palast. Ein Sprecher von François Hollande hat inzwischen mitgeteilt, man verzichte auf Ibrahimovics Mithilfe beim Thema Popularität. "Der Präsident setzt auf die Früchte seiner Arbeit und nicht auf die Hilfsangebote eines Fußballspielers."

Das kann natürlich nur heißen, dass Monsieur Hollande immer noch nicht kapiert hat, wie heute Showbusiness funktioniert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: