Als es dann doch vollbracht war, sprach die Kugelstoßerin Christina Schwanitz auch über Gemüse. Schwanitz bestellt zu Hause einen Garten, sie brauche das als Ausgleich, sagte sie in Doha: Im Training wuchte man drei Stunden lang Gewichte hoch und ernte den Effekt erst Monate später, wenn überhaupt. Und im Garten: Fünf Stunden Rasenmähen, Blumen gießen, danach sieht man, "ooooch, schön!" Nur mit dem Gemüse habe es zuletzt nicht so recht geklappt, das Meiste sei vertrocknet, oder in Schwanitz' Worten: "Die Pflanzen sind bei mir alle knusprig." Aber sie sei halt kaum zum Gießen gekommen, wie das so ist, wenn man alles gleichzeitig ist: Mutter, Studentin, Hochleistungssportlerin. Und jetzt auch erstmals Bronzegewinnerin bei einer Leichtathletik-WM. "Ein kleines Gold nach diesem Jahr", sagte Schwanitz.
Der Anlauf zum kleinen Gold spannte sich sogar über zwei Jahre. Schwanitz brachte im Sommer 2017 Zwillinge zur Welt. Sie fühlte sich erst mal "klinisch tot", aber sie wollte unbedingt in den Sport zurückfinden. Für sich, aber nicht nur, wie sie in Doha sagte: "Ich möchte gerne zeigen, dass man auch mit Kindern in der Weltspitze sein kann." Viele Mütter würden sagen: "Weil ich ein Kind habe, kann ich keine Führungsposition übernehmen." Dabei gehe das schon, "wenn man will", sagte Schwanitz: "Und wenn man einen Chef hat oder eine Chefin hat, die das unterstützt."
Bronze für Kambundji:Dem Pech davongerannt
Munjinga Kambundji gewinnt in Doha als erste Schweizerin eine WM-Medaille über 200 Meter. Nach drei vierten Plätzen bei der EM 2018 kann sie ihr Glück kaum fassen. Über eine Athletin, die lange ihren Weg gesucht hat.
Oder in ihrem Fall: Trainer, Sportfördergruppe, Freunde, Eltern. 2018 verlor sie EM-Gold im letzten Versuch, sie schmollt nach missratenen Wettkämpfen noch immer wie früher, aber sobald sie ihre Kinder sieht, sagte sie zuletzt: "Dann ist das erst mal ganz weit weg. Das hat mich als Mensch auch noch mal erzogen." Es war ein Weg mit "viele Umwegen", bis nach Doha. Seit einem Jahr studiert Schwanitz auch Sozialpädagogik, ihr ist es wichtig, nicht nur den Körper beim Sport und beim Rasenmähen zu beschäftigen. Manchmal sei sie zuletzt "sehr auf dem Zahnfleisch gekrochen", sagte sie, aber sie wolle nun mal alles meistern, da breche das Sture in ihr durch. Sie begann die Vorbereitung mit einer lästigen Knieverletzung, die sie bis zur WM begleitete, durchschritt manche Hochs und viele Tiefs. Der Physiotherapeut habe sie "dieses Jahr mehrmals zusammengebastelt", sagte sie, zwischendurch war sie "nicht überzeugt, dass ich überhaupt zur WM fahren kann". Aber sie fuhr doch. Fand schwer in den Wettkampf. Schob sich mit dem fünften Versuch und 19,17 Metern doch noch auf den Bronzerang, hinter der Chinesin Gong Lijiao (19,55) und Danniel Thomas-Dodd (19,47) aus Jamaika. "Ein unglaubliches Jahr mit einem krönenden Abschluss", sagte die 33-Jährige.
Die Sommerspiele im nächsten Jahr wird sie wohl noch bestreiten, sagte ihr Trainer Sven Lang in Doha; sie hat bei Weltmeisterschaften schon Gold (2015), Silber (2013) und Bronze gewonnen, aber noch keine Olympiamedaille. Und dann? "Keine Ahnung", sagte Schwanitz. Der Sport schenke ihr noch immer viele schöne Momente ("Mir fetzt das noch"), sie rege sich noch immer feurig auf, rassele im Training noch immer mit ihrem Trainer zusammen. Aber der Körper brauche auch immer länger, um sich zu erholen. Und nebenbei hat sie so langsam ja schon beweisen, dass das wirklich geht: drei Leben in einem zu vereinen.
Der Freitagabend gestaltete sich für die deutsche Auswahl wieder zäher: Tatjana Pinto hatte sich mit einer "Muskelverletzung im Knie" für die restliche WM abgemeldet, die hoch eingeschätzte 4x100-Meter-Staffel der Frauen rutschte in 42,82 Sekunden gerade noch ins Finale am Samstag. Den Höhepunkt verantwortete Daliah Muhammad: Die Amerikanerin verbesserte über 400 Meter Hürden zum zweiten Mal in diesem Jahr ihren Weltrekord, nun auf 52,16 Sekunden.