Süddeutsche Zeitung

Schwalbe von Arturo Vidal:"Nicht das, was der FC Bayern haben will"

Arturo Vidal entscheidet erneut ein Spiel für die Bayern - doch sein Hinfaller bringt ihm deftige Kritik im eigenen Verein ein.

Von Benedikt Warmbrunn

Arturo Vidal flog und flog und flog, die Bilder wiederholten sich auf den Bildschirmen im Innenraum der Münchner Arena. Mal war das Bild von hinten zu sehen, mal von der Seite, mal von ganz nah, und doch blieb es immer gleich: Arturo Vidal flog. Irgendwann kam dann auch ein nicht fliegender Arturo Vidal durch den Innenraum, er lief an den Bildschirmen vorbei, blickte nicht einmal nach oben, schließlich blieb er stehen und sprach ein bisschen über die anstehenden Spiele des FC Bayern. Über seinen Flug allerdings sagte er: nichts.

Die Szene, die dieses DFB-Pokal-Halbfinale des FC Bayern gegen Werder Bremen entschied, blieb also unkommentiert von ihrem wichtigsten Protagonisten, aber gerade hier, im Innenraum der Arena, wo die Bilder in einer Endlosschleife liefen, bedurfte es keiner zusätzlichen Worte mehr, das wusste auch Vidal. Das Ganze war ja zu deutlich. Also sprach er lieber über Atlético Madrid, den Gegner im Halbfinale der Champions League, ganz schwer werde das. Ein paar Meter neben Vidal flog er selbst immer noch über die Bildschirme.

"Der Elfmeter ist kein Elfmeter, es tut mir leid", sagte Trainer Guardiola

Wieder einmal hatte Vidal, 28, ein Spiel des FC Bayern entschieden, wie so oft in den vergangenen Wochen, doch am Dienstagabend lobte ihn niemand dafür.

Bremen hatte ja gerade seine beste Phase, die Gäste drängten auf den Ausgleich, als der kurz zuvor eingewechselte Vidal in den Strafraum lief. Janek Sternberg rutschte ihm durchaus schwungvoll und auch mit durchaus gestreckten Beinen entgegen, Vidal musste seine eigenen Beine mit einem Hüpfer retten. Und während er sie rettete, fiel ihm ein, dass es doch ein guter Anlass sei, das Gleichgewicht zu verlieren. Also flog er.

Wirklich empören wollten sich die Bremer über diese Szene allerdings nicht, Kapitän Clemens Fritz sagte nach der Partie: "Ich werte das als Schwalbe. Mehr war es dann doch nicht." Dass er diese "ärgerlich" fand, war schon die emotionalste Äußerung aller Bremer. Manager Thomas Eichin sagte gar verständnisvoll, dass diese Szene, die den 2:0-Endstand einleitete, für den Schiedsrichter "sicher nicht einfach zu sehen gewesen" sei.

So wenig empörten sich die Bremer, dass sich andere empören mussten. Also empörten sie sich - beim FC Bayern.

"Es war nah dran an einem Foul, aber es war keins", sagte Thomas Müller erst diplomatisch. Später fügte er hinzu: "Natürlich war das eine Schwalbe. Wenn das bei uns passiert, stehe ich hier und spreche in einer anderen Tonart." Trainer Pep Guardiola sagte: "Der Elfmeter ist kein Elfmeter, es tut mir leid." Dass diese Szene nicht aufgeregter diskutiert wurde, war für Guardiola jedoch der genau richtige Umgang.

In der vergangenen Saison, im Pokal-Halbfinale des FC Bayern gegen Borussia Dortmund, habe es schließlich auch zwei elfmeterwürdige Situationen gegeben, erinnerte sich der Trainer, "und der Schiedsrichter hat nicht gepfiffen". Damals hatte Dortmunds Verteidiger Marcel Schmelzer mit einem Handspiel im Strafraum den Bayern die Chance genommen, auf 2:0 erhöhen.

Kurz vor Ende der Verlängerung sprang zudem Torwart Mitch Langerak ins Gesicht von Robert Lewandowski (der allerdings im Abseits gestanden war). "Ich habe mich nicht beschwert", sagte Guardiola nun nach diesem Halbfinale, in dem der Schiedsrichter seine Mannschaft begünstigt hatte, er sei vielmehr auf den damaligen Dortmunder Trainer Klopp zugegangen, "und ich habe ihm gratuliert". Werder-Trainer Viktor Skripnik verstand, auch er beschwerte sich nicht.

Besonders eifrig empörte sich am Mittwoch noch Karl-Heinz Rummenigge: "Bei der Entscheidung lag der Schiedsrichter leider daneben. Wir sind nicht dafür bekannt, dass wir Schwalben produzieren. Das ist nicht unbedingt das, was der FC Bayern haben will", sagte der Klubboss.

Vielleicht am souveränsten mit dem Fall ging der zweite entscheidende Mann in dieser Szene um, Schiedsrichter Tobias Stieler: "Die Szene hat das Spiel etwas überschattet, auch wenn sie das Spiel nicht entschieden hat", sagte er und gestand: "Das war schwierig zu sehen, alles ging so schnell. Ich habe einen Kontakt gesehen, aber da war keiner. Das war eine Fehlentscheidung, es tut mir leid." So hatte zumindest einer der zwei entscheidenden Männer dieser Szene wieder an Größe gewonnen.

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SZ vom 21.04.2016/jbe
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