Formel 1:Ultimatum für Mick Schumacher

Formel 1: Vier Rennen bleiben: Mick Schumacher muss punkten, fordert sein Chef vor dem Grand Prix der USA.

Vier Rennen bleiben: Mick Schumacher muss punkten, fordert sein Chef vor dem Grand Prix der USA.

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Will der deutsche Pilot im nächsten Jahr bei Haas bleiben, soll er Punkte einfahren - möglichst schon an diesem Wochenende in den USA. Sein Team wählt einen ungewöhnlich rauen Ton, um den Druck zu erhöhen.

Von Elmar Brümmer, Austin

Auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz am Circuit of the Americas müssen alle Formel-1-Piloten jeden Tag durch eine Unterführung. Über die Einfahrt zum Fahrerlager haben die Veranstalter des Großen Preises der USA ein Banner in psychedelischen Farben und mit einem berühmten Zitat von John Lennon gehängt: "Am Ende wird alles gut werden. Und wenn es nicht in Ordnung geht, dann ist es nicht das Ende."

So ein bisschen Hoffnung tut gerade besonders Mick Schumacher ganz gut. Die Zitate von seinem Chef, dem Rennstallbesitzer Gene Haas, sind weit schroffer. Der größte Werkzeugmaschinenhersteller in den Vereinigten Staaten hat vor dem Heimspiel seines Teams klar formuliert, wie Schumacher, 23, eine Zukunft in seinem Rennstall haben könnte: "Wenn er bei uns bleiben will, muss er uns zeigen, dass er noch punkten kann." Vier Rennen Zeit, das klingt wie eine ordentliche Perspektive. Zugleich aber erhöht sich der Druck enorm.

Denn die Formkurve des kleinsten Teams der Formel 1, das mehr oder weniger eine Filiale von Ferrari ist, zeigt nach furiosem Saisonbeginn stetig nach unten. Die anderen sind besser geworden, Haas ist stehengeblieben. Auch weil es lediglich ein mickriges technisches Upgrade im Saisonverlauf gegeben hat. Mal passt die Strategie nicht zum Rennen, dann hapert es an der Zuverlässigkeit. In Japan führte Mick Schumacher zuletzt sogar kurz und war sicherer Punktekandidat, bis ihn sein Team auf der abtrocknenden Strecke zu lange auf Regenreifen fahren ließ.

In Austin nun darauf angesprochen, sagt Schumacher: "Das Team weiß, dass Punkte für mich drin waren." Teamchef Günther Steiner gibt zu: "Wir waren manchmal zur falschen Zeit am falschen Ort. Wir müssen unseren holprigen Weg irgendwann stabilisieren."

Meistens trifft es dabei Schumacher und nicht dessen Teamkollegen Kevin Magnussen, der WM-Punktestand lautet 12:22. Trotzdem war der Sohn des Rekordweltmeisters zuletzt stärker als der Däne. Die zweite Saisonhälfte ist traditionell seiner bessere. Dummerweise unterlief ihm dann auf der Auslaufrunde des Freitagstrainings in Suzuka ein Fahrfehler, zum dritten Mal in dieser Saison verschrottete er dabei seinen Dienstwagen.

Trotzdem sagt Schumacher junior tapfer: "Ich bin glücklich, wo ich bin." Das klingt fast zu brav, aber was soll er auch groß sagen in seiner Situation? Er zuckt nur mit den Achseln. Der selbst für Formel-1-Verhältnisse ungewohnt raue Ton ist für ihn nichts Neues. Ihm bleibt fast nur die Loyalität - oder der Erfolg.

Formel 1: Kein ungewohntes Bild dieser Saison: Schumacher verlässt in Suzuka nach einem Unfall sein Auto.

Kein ungewohntes Bild dieser Saison: Schumacher verlässt in Suzuka nach einem Unfall sein Auto.

(Foto: Antonin Vincent/Panoramic/Imago)

Gene Haas hat nicht aus Liebhaberei in seinen Rennstall investiert, er will damit Geld verdienen. Entsprechend kühl sagt er: "Mick hat sicher viel Potenzial. Aber er hat uns auch ein kleines Vermögen gekostet. Wenn du uns Punkte bringst, Verstappen heißt und das Auto crashst, dann können wir damit umgehen. Wenn du aber hinten rumfährst und crashst, dann ist das schwierig."

Für den 19. WM-Lauf an diesem Wochenende, bei dem Verstappen und Red Bull Racing vorzeitig auch Konstrukteursweltmeister werden könnten, erhöht Haas den Druck auf den deutschen Rennfahrer noch: "Wenn er das nächste Rennen gewinnt, dann hat er den Job. Mit allen anderen Ergebnissen liegt er im Graubereich. Über seine Zukunft kann nur er selbst entscheiden." Das klingt nach Ultimatum. Aber auch darüber mag Schumacher nicht klagen, damit komme er schon klar. Er ahnt wohl, dass er provoziert werden soll.

Einem Talent den Rücken zu stärken, das klingt anders. Vielleicht ist aber genau dies das große Missverständnis in der von Anfang an nicht einfachen Beziehung zwischen dem Auszubildenden aus der Ferrari-Nachwuchsakademie und dem ärmsten Team der Formel 1. Ein Fahrer kann sich nur entwickeln, wenn sich das Team entwickelt.

Haas hat sich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP nicht gerade als Freund der Nachwuchsförderung geoutet: "Dieser Sport erlaubt es einem eigentlich nicht, Rookie-Fahrer einzusetzen. Das ist einfach zu teuer. Wenn man bei der Fahrerwahl Fehler macht, ist das wie bei der Strategie oder der Reifenwahl - es kann Millionen von Dollar kosten." Zumindest die gröbsten finanziellen Sorgen ist das Team seit Donnerstag los. Ein Deal mit einem Finanzdienstleister aus den USA befördert Haas erstmals in Richtung der Budgetobergrenze von 145 Millionen Dollar im Jahr.

Es gibt in der Formel 1 für die nächste Saison nur noch zwei freie Plätze

Das erhöht auch die Unabhängigkeit von einer Fahrermitgift wie der des Russen Nikita Mazepin im letzten Jahr, und auch die des deutschen Internetunternehmens, das Mick Schumacher mitgebracht hat. Anders als in der freien Wirtschaft ist die Formel 1 derzeit ein Arbeitgebermarkt. Es gibt nur noch zwei freie Plätze, einen bei Williams und jenen bei Haas, vielleicht noch hier oder da eine Reservefahrerstelle. Der Andrang der Fahrer aus den Nachwuchsserien ist groß, das ist Schumachers zusätzliches Pech. Er gehört zu einer Fahrergeneration, bei der die Talentdichte besonders hoch ist. Aber wie in der echten Welt können nicht alle Kandidaten auch halten, was sie versprechen.

Rennleiter Steiner, der zu Mick Schumacher ein ambivalentes Verhältnis pflegt, redet offen darüber, mit welchen Jobanwärtern er noch spricht. Es handelt sich dabei weniger um die Ersatzfahrer Pietro Fittipaldi, 26, oder Antonio Giovinazzi, 28, sondern um den Emmericher Nico Hülkenberg und vielleicht den Australier Daniel Ricciardo. Der eine ist schon 35 Jahre alt und verdingt sich seit 2019 als Aushilfsfahrer, der andere ist 33 und wird zum Saisonende bei McLaren gegen den hochtaltentierten Oscar Piastri ausgetauscht. Dabei ist Magnussen, 30, so ist die Komponente Erfahrung auch fürs nächste Jahr eigentlich schon abgedeckt.

Mick Schumacher bleibt nur noch der Angriff. Er muss etwas riskieren, um seine Karriere zu retten: "Die Strecke in Austin sollte unserem Auto ziemlich gut liegen. Wir wissen, dass es in letzter Zeit schwierig war und wir unglückliche Wochenenden hatten. Ich freue mich darauf, in den Staaten hoffentlich in die Punkte zu fahren."

Er weiß, dass er liefern muss. Das Team hat allen Druck auf ihn abgewälzt. Kommt er durch, wird er gestärkt aus der Sache hervorgehen. In Texas haben sie dafür ein Sprichwort: Go big - or go home. Alles geben - oder nach Hause gehen.

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