Peter Schröcksnadel:Der Sonnenkönig der Skination

FIS Nordic World Ski Championships - Previews

Peter Schröcksnadel bei der Eröffnungsfeier der Nordischen Ski-WM in Seefeld.

(Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)
  • Diverse Affären konnten dem ÖSV-Präsidenten Peter Schröcksnadel nichts anhaben.
  • Er profitiert von seinen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen.
  • Doch im jüngsten Blutdoping-Skandal gerät er allmählich in Bedrängnis.

Von Johannes Knuth

Neulich hatte Peter Schröcksnadel die Lacher mal wieder auf seiner Seite. Er saß in einer Rederunde im Fernsehen; es ging um den Klimawandel beziehungsweise den sogenannten, Schröcksnadel ist bei der ganzen Sache, nun ja, ein wenig skeptisch. Und das ist ja schon beachtlich: Da zweifelt der mächtigste Wintersportfunktionär Österreichs an der globalen Erwärmung, während den Wintersportlern gerade überall die Gletscher unter den Brettern wegschmelzen.

Aber was interessieren einen Peter Schröcksnadel schon wissenschaftlich gestützte Thesen? Viele Meteorologen hätten ja schon Probleme, das Wetter für das kommende Wochenende unfallfrei vorherzusagen, lästerte der 77-Jährige - da könnten sie doch gar nicht wissen, wie kalt oder warm es erst in 40 Jahren wird. Klimawandel? Ah geh!

Viele könnten sich derartige Wortmeldungen kaum erlauben, ohne massive Umfrageverluste zu erleiden, aber Schröcksnadel ist ja nicht irgendwer. Er ist der Sonnenkönig des Österreichischen Skiverbands (ÖSV), der einflussreichste Sportfunktionär der Alpenrepublik. Drüber kommt nicht mehr viel, und was drunter ist, ist eh wurscht. Wen interessieren da auch all die Affären rund um den ÖSV, die in Schröcksnadels mittlerweile 29 Jahre währende Regentschaft fallen, von denen er aber nie etwas mitbekam und bei denen er sich sowieso nie etwas zuschulden kommen ließ, wie er beteuert?

Was der Präsident sagt, das sagt er nun mal, fertig. Wobei sich jetzt, da eine Affäre um ein aus Erfurt operierendes Doping-Netz den Sport erschüttert und auch die Rolle des ÖSV immer skeptischer beurteilt wird, ja schon die Frage stellt: Kann das noch lange gut gehen? So, wie es immer irgendwie gut gegangen war?

Fakt ist, dass die Nerven gerade arg strapaziert sind. Die jüngste Affäre weitet sich mit jedem Tag aus, und so verfolgt ein wachsendes Publikum ein Schauspiel, das wieder mal zwischen Kabarett und Wahnsinn changiert. Schröcksnadels erste Replik auf die Razzien bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld, bei der fünf Athleten verhaftet wurden, darunter die ÖSV-Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf? Er kenne sich im Langlauf nicht aus, als Alpin-Experte - aber wie könne man denn so blöd sein, sich einen Blutkurier aufs Zimmer zu bestellen, wo man nur um Platz 20 laufe?

Ein paar "Trottln" seien das, die eine schöne, ansonsten saubere WM zerstörten. Unterdessen zeichnete sich bei den Ermittlungen ein leicht konträres Bild ab: Da war eine deutsche Bluttankstelle, die jahrelang Sportler aus aller Welt versorgte - und so ein System unterfütterte, in dem Athleten auch durch hohen Leistungsdruck eines Verbands in den Betrug getrieben werden können.

Und der Präsident? Raunte von angeblich getürkten Razzien und einer ominösen Gruppe, die dem ÖSV schaden wolle. Als fürchte da einer um sein Lebenswerk.

Schröcksnadel ist der Wintersport-Unternehmer der Skination

Vieles, hat Schröcksnadel einmal über seine Karriere erzählt, sei ihm eigentlich nur "passiert". Nach der Matura wollte er Skirennfahrer werden, studierte dann doch Jura. Mit 22 brach er ab, die Freundin war schwanger, das Unternehmen der Eltern pleite - letzteres Schicksal wollte er unbedingt vermeiden. Er machte sich selbständig, kassierte Absagen. Dann erhielt er den Tipp, in Markierungen am Rande von Skipisten zu investieren. Schröcksnadel bot vielen Skigebieten die Flächen umsonst an, im Gegenzug vermarktete er Anzeigen darauf. Ein Treffer, endlich.

Heute steht Schröcksnadel bei alpinen Weltcups oft im Ziel, brauner Teint, tiefe Falten, rot-weiße Pudelmütze (die für eine seiner Firmen wirbt). Man könnte ihn für einen liebenswürdigen, verirrten Touristen halten, tatsächlich ist er der Wintersport-Unternehmer der Skination. Ihm gehören mehr als zwei Dutzend Firmen, diverse Skigebiete und die Lifte in den Skigebieten. Er vermarktet die Werbung in den Skigebieten und auf den Liften, er vermarktet auch den Skiverband und dessen Athleten, die in seinen Skigebieten um Siege fahren und so die Stimmung der Nation befeuern. In einem Land, in dem das Geschäft mit dem Winter 2017 noch 13,3 Milliarden Euro Umsatz brachte, in dem die Besitzer von Skigebieten reich und einflussreich sind wie Oligarchen, ist Schröcksnadel der einflussreichste von allen.

"Österreich ist bekanntlich eine einzige Verflechtung", kommentierte der Wiener Standard zuletzt, und Schröcksnadels Wintersport symbolisiere das wie kaum ein Geschäftszweig: "Eine Hand wäscht die andere, jeder kennt jeden, oft reicht es quasi schon, sich selbst zu kennen, weil die Ämter nur so kumulieren."

Man könnte auch sagen: Was einem halt so "passiert".

Schröcksnadel ist keine Theorie zu krude

Schröcksnadel ist bis in hohe Kreise der Politik vernetzt, und er lässt so viele an seinen Geschäften teilhaben, dass ihn nur wenige kritisieren oder gar aufbegehren. Es hat schon Seltenheitswert, wenn des Magazin Dossier vor der WM in Seefeld aufschlüsselt, wie der ÖSV an derartigen Großevents verdiene. Der Ski-Weltverband und die öffentliche Hand würden Millionen zuschießen, manche Kostenstellen womöglich doppelt bedienen, wie der Rechnungshof nach der Alpin-WM 2013 in Schladming kritisierte. Die Gewinne flössen dann vor allem an den ÖSV und Schröcksnadel - zum Beispiel dank Werbeflächen, die von einer seiner vielen Firmen verwaltet werden.

Die Höhe der Erträge: behielt der ÖSV stets für sich. Schröcksnadel konterte das immer so: Viele Gewinne würden ja auch der jeweiligen Region zugutekommen. Und wenn der ÖSV als Veranstalter schon "ohne Netz" arbeite, wie er vor ein paar Wochen befand, dann wolle er halt auch etwas verdienen. Wobei es das Netz ja gibt, dank der Steuermillionen. Aber wen interessiert das schon, wenn zwei Wochen lang nur der Augenblick und die Party zählen? Fehlende Rechenschaft? Ah geh!

Lästige Dopingrazzien stören dieses Modell natürlich, und da ist Schröcksnadel keine Theorie zu krude, um sich und den ÖSV, was im Grunde ja fast dasselbe ist, zu verteidigen. Wobei er bei derartigen Feuerwehreinsätzen durchaus schlachterprobt ist. Vier Dopingaffären fallen in seine Amtszeit, eine der eindrücklichsten bei den Winterspielen 2006, als der Präsident sprach: "Austria is a too small country to make good doping." ÖSV-Athleten warfen derweil verzweifelt ihre Blutbeutel aus dem Hotelfenster. Später wurden Sportler und Trainer gesperrt, Funktionäre entmachtet. Schröcksnadel blieb.

Und wenn es mal eng wurde, behauptete er sich doch immer, irgendwie. Als Anna Veith, die damals beste Skirennfahrerin im ÖSV, sich vor vier Jahren lieber vom deutschen Manager Klaus Kärcher vermarkten lassen wollte, entbrannte eine Schlammschlacht. Am Ende kehrte Veith in den Schoß des Verbands zurück, Kärcher wurde vom Hof gejagt. Und als Nicola Werdenigg vor rund einem Jahr über Missbrauchsfälle im Skisport und ÖSV berichtete, von den 60er-Jahren bis in die Neuzeit, reagierte Schröcksnadel schroff, drohte mit Klage (was er später so nie getan haben wollte). Worauf der ÖSV dabei immer vertrauen konnte: dass große Blätter wie die Krone, ein Sponsor des Verbands, verlässlich (und gerne mal unzutreffend) Details streuten, die den ÖSV-Kritikern schadeten.

Öffentlich wächst die Kritik in Österreich, der Verband gleiche einem "Saustall", sagte der Chef des Wien-Marathons, ein Sponsor forderte zuletzt grar Schröcksnadels Rücktritt - wer so eng mit dem Verband verflochten sei, der müsse auch irgendwann Verantwortung für dessen Missstände übernehmen. Aber solange Schröcksnadels Winter-Geschäft läuft ... Und in so einer brisanten Situation, sagte er, "hört man nicht auf". Was auch immer das für Österreichs Sport bedeutet.

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