Schmiergeldaffäre:"Sie widersetzen sich der Herausgabe von Daten"

Nach der Eröffnung eines Strafverfahrens gegen Ex-Fifa-General Valcke und PSG-Chef Al-Kheaifi beklagt die Schweizer Justiz die mangelnde Kooperation von Katars Funktionären.

Von Thomas Kistner

Es ist schon festes Brauchtum im Profifußball, dass an den Top-Adressen die Staatsanwaltschaft ein- und ausgeht. Dass nun aber der höchste Sportrepräsentant Katars mit Betrugs- und Korruptionsvorwürfen kämpft, hebt die Entwicklung auf eine neue Stufe. Die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) ermittelt wegen Bestechung, Betrugs und Untreue, sie verdächtigt Nasser al-Khelaifi, Chef des in Doha ansässigen Sportsenders beIN Media Group, den langjährigen Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke im Zuge einer diskreten TV-Rechtevergabe geschmiert zu haben. Das zielt auf den Sportstatthalter und Tennispartner des Emirs; al-Khelaifi dirigiert neben dem Sender auch den nationalen Sport-Investmentfonds (QSI), der so illustre Figuren wie Michel Platinis Sohn Laurent anheuerte (nachdem der Papa in der Fifa 2010 für die WM-Vergabe an Katar votiert hatte). Zudem präsidiert al-Khelaifi dem Klub Paris St. Germain, dessen Millionen-Prasserei am Transfermarkt die europäische Fußballunion Uefa untersucht.

Auch die Fifa-Ethiker nehmen Katars Fußballchef ins Visier

Nachdem die Staatsanwaltschaft Parquet National Financier (PNF) in Paris die Büros des Senders durchsucht hatte, verkündete beIN, man weise die Vorwürfe zurück, kooperiere aber vollständig mit den Behörden. Nur: Die Behörden sehen das ganz anders. Von Kooperation könne keine Rede sein, erklärt ein PNF-Vertreter auf SZ-Nachfrage. "Sie widersetzen sich der Herausgabe von Daten. Sie wollen eindeutig nicht kooperieren - das ist verdächtig." Vergeblich habe die PNF Material angefordert, das der Sender auf seinen Servern in Doha blockiere. Nun soll ein Rechtshilfe-Ersuchen an Doha folgen, doch die Ermittler haben wenig Illusionen: "Bis dahin wird es ihnen leicht fallen, alles zu bereinigen."

Das Verhalten erstaunt; als gäbe es nicht schon genug Verdachtsmomente in dieser Causa. Dazu zählt auch der Umstand, dass beIN Sports zwar die WM-Übertragungsrechte 2026 und 2030 für Nordafrika und den Mittleren Osten erworben hat - dies aber über Jahre so klandestin für sich behielt, dass es erst durch die Strafermittlung publik wurde. Vier Jahre alt sollen die Vereinbarungen sein - jetzt reibt sich eine komplette Branche die Augen: warum haben das weder die Fifa noch beIN Sports je publik gemacht? Just im TV-Geschäft gehen sie mit derlei Coups gerne hausieren, auch weil das Kundschaft und Werbepartner von morgen bindet. Als "sehr verdächtig" wird in Justizkreisen auch diese branchenuntypische Diskretion eingestuft.

Der Franzose Valcke, der selbst aus dem Sportrechtehandel stammt, zählt zu den schillerndsten Figuren der maroden Fifa-Geschäftskultur. Das Fifa-Ethikkomitee verbannte ihn zehn Jahre aus dem Fußball. Die Schweizer BA ermittelt auch in einem anderen Kontext gegen ihn, Erkenntnisse daraus führten nun zum neuen Strafverfahren. Am Freitag versiegelte die italienische Polizei eine sieben Millionen Euro teure Villa auf Sardinien, die al-Khelaifi dem Fifa-Mann als "Mittel zur Bestechung" im Kontext von WM-Rechten überlassen haben soll. Valckes Anwalt sagt, sein Klient habe Miete bezahlt. Ob die über einen Freundschaftspreis hinausging, sagte er nicht.

Die ganze bisherige Entwicklung wirft kein gutes Licht auf die Beschuldigten. Für Katar dürfte das noch heikel werden. Denn die Frage, warum die Fifa Ende 2010 die Sportwelt mit der Kür des Emirats überrumpelte, blieb ja bis heute ohne nachvollziehbare Erklärung; der Zwergstaat mit den drittgrößten Erdgas-Reserven des Globus hat weder eine Fußballkultur noch geeignete Klimaverhältnisse, weshalb das Turnier schon auf Winter 2022 umdatiert wurde. Falls es dort stattfindet, so darf allmählich ergänzt werden. Korruptionsgeraune überschattet das Event seit der Vergabe; fast alle damals abstimmenden Fifa-Granden zappeln heute in den Netzen der Justiz. Nur zwei aus dem 24-köpfigen Gremium blieben unverdächtig.

Nun die Causa Valcke/al-Khelaifi, in der beide die Linie fahren: "Alles lief legal ab." Verwickelt in die Sache ist ein weiterer, nicht benannter Rechtehändler, der Valcke laut BA ebenfalls "nicht gebührende Vorteile" verschafft haben soll. Dabei soll es sich nach Medienberichten um eine Agentur in Griechenland handeln; auch dort fand eine Razzia statt. Der Chef der Agentur, die eigentlich mehr auf Basketball geeicht sei, soll ein enger Freund Valckes sein. Sie erhielt die WM-Rechte 2018 bis 2030 für Hellas - und vermeldete den Coup ebenfalls nur eher verschämt auf der Website. Was den Fall noch spannender macht: Der Vertrag soll im November 2015 besiegelt worden sein - da war Valcke schon zwei Monate von allen Fifa-Tätigkeiten suspendiert.

Jetzt ermittelt auch das Fifa-Ethikkomitee. Es kämpft, nach einer dramatischen Umbesetzung durch den skandalerprobten Fifa-Boss Gianni Infantino, um seine Glaubwürdigkeit. Die wäre endgültig dahin, falls aus den gravierenden Beschuldigungen nicht bald provisorische Maßnahmen erwüchsen. Valcke ist bereits gesperrt. Doch für al-Khelaifi wäre ein Bannspruch der Ethiker verheerend. Dann wäre er über Nacht das Chefamt im Geldverbrenner-Klub Paris SG los.

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