Süddeutsche Zeitung

Schießen:Ohne Wackler

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Der Regensburger Sportschütze Christian Reitz gewinnt beim President's Cup mit der Luftpistole - auch, weil er mit einem neuen Format am besten zurechtkommt.

Von Jonas Kraus

Ganz ohne Erwartungen ist Christian Reitz nicht zum Weltcupfinale gereist. Natürlich nicht, schließlich wurde der Sportschütze 2016 Olympiasieger mit der Schnellfeuerpistole und gehört seit Jahren auch mit der Luftpistole zur erweiterten Weltspitze. "Da will man schon beweisen, dass man zurecht da dabei ist", erklärte Reitz mit Blick auf das Treffen der besten Sportschützen der Welt im polnischen Breslau. Bei Olympia in Tokio hatte der Regensburger zwei fünfte Plätze geholt, er gehörte im Vorfeld also ohnehin zu den Favoriten. "Ich weiß, was ich kann", sagte Reitz deshalb. Aber: "Dass es so gut läuft, damit habe ich nicht gerechnet."

Ein Sieg mit der Luftpistole, ein dritter Rang im Mixed-Wettbewerb mit seiner zugelosten Partnerin Celine Goberville (Frankreich) und ein vierter Platz mit der Schnellfeuerpistole: Die Bilanz von Reitz beim wichtigsten Event der Sportschützen nach den Olympischen Spielen kann sich sehen lassen. Vor allem der Triumph am Samstag mit der Luftpistole, in seiner eigentlich schwächeren Disziplin, war nicht unbedingt zu erwarten. Zumal nicht in dieser Dominanz: Erst gewann der 34-Jährige die Qualifikation, dann behielt er auch im Hauptevent die Nerven.

Und das darf durchaus als Fingerzeig für die Zukunft gesehen werden, die Schützen probierten sich nämlich erstmals in einem Modus, der in Zukunft auch bei Olympia in ähnlicher Form zu sehen sein wird. Geschossen wurde ab dem Halbfinale in einer Punktwertung: Bei den ersten fünf Schüssen erhielt der Schütze mit der höchsten Wertung je vier Zähler, der zweitbeste drei, der drittbeste zwei und der viertbeste nur einen. Das Ziel: Den Wettbewerb spannender und kurzweiliger machen, leichter konsumierbar für das TV-Publikum. Nach fünf Schüssen schied der erste Konkurrent aus, es erwischte Olympiasieger Javad Foroughi aus dem Iran, nach zehn Schüssen war für den starken Inder Abhishek Verma Schluss. Im Finale ließ Reitz dann Chaudhary Saurabh (ebenfalls Indien) keine Chance - 34:24.

13 000 Euro Preisgeld - in der oft wenig glamourösen Welt der Schützen eine fast schon obszöne Summe

Möglich gemacht hat das neue Format Wladimir Sergejewitsch Lissin, der Präsident der International Shooting Sport Federation (ISSF). Nach ihm ist der Wettkampf mit der Bezeichnung President's Cup benannt. Früher hieß die Veranstaltung schlicht Weltcupfinale, dieses Jahr aber zahlt der Präsident die ungewohnt üppigen Preisgelder aus eigener Tasche. So hatte er die Möglichkeit, das noch nicht in den offiziellen Statuten verankerte Format mit den besten Schützen der Welt zu testen. "Der Modus hat natürlich noch ein paar Schwächen", erklärte Detlef Glenz, Bundestrainer der deutschen Schützen, "aber an denen wird noch gearbeitet." So soll der erste Schütze künftig erst nach zehn Schüssen ausscheiden. Am grundsätzlichen Modus mit der Punktwertung soll aber wohl festgehalten werden, auch bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris.

Reitz jedenfalls hatte nichts am neuen Format auszusetzen. Mit dem Sieg - seinem dritten bei einem Weltcupfinale, aber dem ersten mit der Luftpistole - setzte er den Schlusspunkt hinter eine turbulente Saison. Obendrein sicherte er sich die 15000 US-Dollar Preisgeld, umgerechnet fast 13000 Euro. In der oft wenig glamourösen Welt der Schützen eine fast schon obszöne Summe. "Das ist mehr, als es in den letzten 20 Jahren zusammen gegeben hat", sagte Glenz.

Sportschütze Reitz freute sich aber nicht nur über das Geld. Für ihn ist das gute Abschneiden auch eine Genugtuung. Vor Olympia hätten einige Kritiker in Frage gestellt, ob es wirklich nötig sei, dass Reitz in beiden Disziplinen antritt. "Aber ich habe bewiesen, dass ich absolut mithalten kann", sagte Reitz nun. Damit sei er eine "absolute Ausnahmeerscheinung", bescheinigte sein Trainer Glenz. "Luftpistole ist wie ein Marathon, Schnellfeuerpistole wie Sprint", so Glenz. Außer Reitz gebe es niemanden, der beides auf derart hohem Niveau beherrsche. Schon in Japan hatte Reitz in beiden Disziplinen die Medaille vor Augen, zu viele "Wackler" aber verhinderten den ganz großen Triumph. Reitz, dessen Frau Sandra ebenfalls Sportschützin ist, zeigte sich nach zwei fünften Plätzen zwar enttäuscht, aber auch kämpferisch. Sofort nahm er Paris ins Visier. Die Wackler sollen spätestens bis dahin Geschichte sein - schon jetzt war nichts mehr von ihnen zu sehen.

Viel Zeit zum Durchschnaufen hat Reitz nach den kräftezehrenden Tagen von Polen nicht. Zunächst geht es kurz in die Wahlheimat Regensburg, am Wochenende schießt er dann aber schon wieder in der Bundesliga für den hessischen Verein SV Kriftel. "Danach haben wir gleich Lehrgang", sagte er, da werde er aber etwas später anreisen. Er habe zwar auf keinen Fall genug vom Schießen. Aber den Schießstand mal ein, zwei Tage links liegen lassen zu können, das schade nicht.

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