Aussagen zu Zwayer:Jude Bellingham hat jetzt einen Anwalt

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Im Konflikt mit dem Spielleiter: Der Dortmunder Jude Bellingham (links) nimmt in der Partie gegen die Bayern Anstoß an den Entscheidungen von Schiedsrichter Felix Zwayer. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Die Vorwürfe des Jungprofis gegen Felix Zwayer nach dem 2:3 des BVB gegen die Bayern haben ein Nachspiel. Ist Schiedsrichterschelte von der Meinungsfreiheit gedeckt?

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Debatte um die Spielleitung von Schiedsrichter Felix Zwayer beim Bundesliga-Spitzenspiel zwischen Borussia Dortmund und Bayern München hält an. Von der teils hitzig geführten Diskussion um Zwayers Entscheidungen beim 3:2-Sieg der Münchner lenkt seit Montag allerdings eine Ermittlung des Deutschen Fußball-Bunds gegen den BVB-Spieler Jude Bellingham ab. Der englische Nationalspieler hatte in einem Interview mit einem norwegischen Sender nach dem Abpfiff gesagt: "Du gibst dieses größte Spiel im deutschen Fußball einem Schiedsrichter, der früher wegen Spiel-Manipulation verurteilt worden ist. Was willst du erwarten?"

Der DFB-Kontrollausschuss-Vorsitzende Anton Nachreiner hat angekündigt, Bellinghams Äußerung auf "sportstrafrechtliche Relevanz" prüfen zu wollen. Borussia Dortmund erklärte auf SZ-Anfrage, dass der Sportrechtler Christoph Schickhardt den Spieler als Anwalt vertreten werde. Das könnte auch für eine Strafanzeige gelten, die der Schiedsrichter-Beobachter Marco Haase "wegen Beleidigung und übler Nachrede" gegen Bellingham gestellt haben soll, aber auch gegen den früheren langjährigen DFB-Schiedsrichter Manuel Gräfe. Schon im vergangenen Sommer hatte Gräfe in Interviews die Ansicht geäußert, dass der Fifa-Schiedsrichter Zwayer keine Spiele auf diesem Level mehr pfeifen sollte: "Wer einmal Geld genommen hat, der sollte keinen Profifußball mehr pfeifen dürfen."

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Der Hintergrund reicht Jahre zurück: Felix Zwayer war - als Kronzeuge, aber auch als Beschuldigter - in den größten Schiedsrichter-Bestechungsskandal des deutschen Fußball verwickelt. Das DFB-Sportgericht (Aktenzeichen 177/2005/2006) hatte Zwayer seinerzeit zu sechs Monaten Sperre verurteilt, weil er, als Linienrichter des damaligen Hauptbeschuldigten Robert Hoyzer, 300 Euro angenommen hatte. Als Entgelt für eine Manipulation des Regionalligaspiels Wuppertaler SV gegen Werder Bremen II im Jahre 2004. Weitere Fälle waren Zwayer nicht nachzuweisen. Viele in der Branche finden, das sei lange her - und jeder habe ein Recht auf Resozialisierung.

Schickhardt ist mit dem Sportgericht und dem Kontrollausschuss-Vorsitzenden im Dialog

Der DFB veröffentlichte das Urteil allerdings, entgegen sonstigen Gepflogenheiten, erst mit gut acht Jahren Verspätung, nämlich 2014. Seither wird Zwayers damalige Verwicklung in den Hoyzer-Skandal immer wieder aufgegriffen, wenn der Berliner Schiedsrichter umstrittene Entscheidungen trifft. So auch an diesem Samstag. Gräfe, seit dem vergangenen Sommer wegen des Erreichens der Altersgrenze nicht mehr aktiv, kritisiert Zwayer schon seit Jahren, aber auch den DFB, der Zwayer "trotz höchstens durchschnittlicher Leistungen" den Weg zum internationalen Referee ermöglicht habe, der aber Topspielen oft nicht gewachsen sei.

Christoph Schickhardt hält eine strafrechtliche Relevanz der Bellingham-Aussagen für unsinnig. Die "freie Meinungsäußerung" decke die Aussagen ab. Schickhardt ist mit dem Sportgericht und Nachreiner im Dialog über die Äußerungen. Im Rahmen der Strafanzeige, für die Schickhardt kein Mandat hat, hatte Schiedsrichter-Beobachter Haase unter anderem die Ansicht vertreten, der 18-jährige Bellingham könne aufgrund seiner Jugend gar keine eigene Kenntnis der früheren Verurteilung von Zwayer durch das DFB-Sportgericht haben. Deshalb sei Gräfe der eigentliche Schuldige. Wie unter solcher Prämisse Geschichtsunterricht noch einen Sinn haben könnte, wenn man nur über Vorgänge urteilen dürfte, die man selbst als Zeitzeuge miterlebt hat - diese Frage stellt sich.

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Bellingham soll sich sein Wissen über Zwayers Vorgeschichte in sozialen Medien und im Internet selbst recherchiert haben. Seine Äußerungen werden in Dortmund eher im Sinne von Gräfe interpretiert: nicht als konkreter, auf das 2:3 gegen die Bayern bezogener Vorwurf. Aber die hohen Wellen, die Entscheidungen von Zwayer bisweilen erzeugen, seien halt unvermeidbar angesichts seiner Vorgeschichte.

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