Schiedsrichter-Affäre:Schicksals-Causa Kempter

Theo Zwanziger will Präsident des Deutschen Fußballbunds bleiben, doch vor dem Spitzentreffen der DFB-Funktionäre wachsen die Irritationen in der Schiedsrichter-Affäre.

Thomas Kistner

Das privilegierte Spitzenamt im größten Verband der Welt lässt Theo Zwanziger natürlich nicht sausen, daran hat nie ernsthaft Zweifel geherrscht in Liga und Verband. Eher genervt hat die DFB-Präsidiumsmitglieder daher Zwanzigers Kokettieren mit Amtsmüdigkeit und Rücktritt, einer erinnert vor der brisanten Freitag-Sitzung in Frankfurt daran, dass sich der Boss erst im März vom Präsidium das Vertrauen attestieren ließ; als "Schrei nach Liebe" beschrieb jetzt die FAZ Zwanzigers Masche.

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"Die Tendenz ist da", sagte Theo Zwanziger über die Absicht, das Amt des DFB-Präsidenten nun doch weiterzuführen.

(Foto: AFP)

Nun also dürfte das Präsidium Zwanzigers neueste Darlegungen zur eigenen Person abhaken, trotzdem ist die Harmonie der Sitzung stark gefährdet. Die Schiedsrichter-Affäre Amerell/Kempter steht ja auch auf der Agenda, und hier zeigt sich wieder, wie dem Chef die Causa zu entgleiten droht. Referee Kempter, der Amerell sexueller Nötigung bezichtigt und zuletzt nicht nur sein Fifa-Prädikat verlor, sondern vom neuen Schiedsrichterstab des DFB in die dritte Liga zurückgestuft wurde, soll schon am Samstag wieder pfeifen. Derweil kämpft Amerell vor Gericht gegen Kempter um seinen zerstörten Ruf, und dem DFB-Präsidium hat er bis 2. August Frist gesetzt, seine Schadensersatzansprüche anzuerkennen.

Der Fall Kempter ist nicht nur für den DFB-Vize Rolf Hocke "Knackpunkt" der Sitzung. In seinem Süddeutschen Fußballverband führte er bis Ende Juni weitere Untersuchungen, Belastendes gegen Amerell fand sich so wenig wie bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg, überall wurde die Causa eingestellt. Nun rügt Hocke die überfallartige Rückführung Kempters in den Profibetrieb. "Ich bin überrascht, dass Kempter schon für diesen Samstag nominiert ist. Wie auch immer das passiert ist: Ob er da pfeift, wird allein im DFB-Präsidium am Freitag entschieden."

Kempter-Krise auch in Südafrika

Hocke pocht dabei auf einen Beschluss des Gremiums bei der WM in Südafrika: "In Pretoria haben wir die Schiedsrichterlisten für erste, zweite und dritte Liga abgesegnet - mit ausdrücklicher Ausnahme der Person Kempter. Weil wir gesagt haben, wir wollen uns erst ein umfassendes Bild zur Sache von Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel geben lassen." Schon in Pretoria war das Geschacher um Kempter, den Zwanziger noch im Frühjahr als gesellschaftliches Vorbild herausgestellt hatte, offenbar heftig - in einer ersten Beschlussvorlage soll Kempter gar noch für die Bundesliga vorgesehen gewesen sein.

Wie einige Präsdiumskollegen, die ungenannt bleiben wollen, wundert sich nun Hocke: "Mit Fandel war klar vereinbart: Kempter wird ausgeklammert und erst entschieden , wenn wir Fandel gehört haben." Irritierend in dem Kontext, dass es zu Beginn der Beziehungs-Affäre Kempter/Amerell, als die noch diskret in den Akten von Amtsvorgänger Volker Roth ruhte, just Fandel war, der dem behutsamen Roth Druck machte, den Fall an Zwanziger zu geben: "Wenn du es nicht machst, mache ich es" (Fandel).

Ratlose Reaktionen

Amerell reagierte ratlos über Kempters Berufung: "Jetzt zeigt sich, ob die Präsidiumsmitglieder nur Marionetten des Präsidenten und des Herrn Fandel sind", sagte er, "man muss fragen, wer mit Kempter unter einer Decke steckt, wenn der mit solcher Gewalt geschützt werden muss".

Für das Festhalten der DFB-Spitze an Kempter - den auch die Profiliga lieber aus dem Verkehr sähe, solange Prozesse anhängig sind - finden sich Motive. Sollte Kempter fallen, sollten sich gar Mails bewahrheiten, die er früh an Amerell geschickt hatte und in denen er bekundete, er wolle die Affäre beim DFB stoppen - dann würde nicht nur der Referee fallen. Zwanziger hat ja sein Amt von Kempters Wahrhaftigkeit abhängig gemacht.

Das Präsidium kann diese Wahrhaftigkeit nun an neuem Material überprüfen. Amerell hat allerlei Widersprüche vorgelegt, die sich aus Kempters Aussage beim DFB und Monate später beim Staatsanwalt ergeben. Selbst für Hocke gibt es da Neues: "Im Detail kannte ich das bisher nicht." Im Kern zu klären ist für den Spitzenfunktionär nun die DFB-Erklärung, man habe "Amerell damals zu den Vorwürfen nicht anhören können, weil der frühzeitig vom Funktionärsamt zurückgetreten war".

Hocke sagt zwar, er sei "überzeugt, dass damals alles rechtens war, und ich hoffe, dass es im Präsidium auch so geklärt wird". Indes kennt nicht mal der DFB-Vize jene Regel, die es unmöglich gemacht haben soll, Amerell zu Nötigungsvorwürfen anzuhören, die tief ins Persönliche gehen. Ein Anhörungsverbot dürfte es kaum geben, und Amerell hatte selbst darauf gedrängt, gehört zu werden. Auch ist er bis heute Verbandsmitglied. Hocke will Freitag "gegebenenfalls nachfragen, was genau diese rechtliche Basis war, wegen der man ihn damals nicht anhören konnte".

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