Süddeutsche Zeitung

Schalke und Leverkusen:Zwei hoch gehandelte Fehlstarter

Schalke und Leverkusen müssen bald zeigen, dass sie gut genug besetzt sind, um sich aus dem Tabellenkeller zu kämpfen. Sonst droht eine Eigendynamik wie dem BVB vor drei Jahren.

Kommentar von Philipp Selldorf

Der Mönchengladbacher Trainer Dieter Hecking hatte gut reden nach dem 2:1-Sieg seiner Mannschaft gegen Schalke 04, aber er versäumte auch nicht, seinen Ärger loszuwerden über die Verkommenheit der Fußball-Welt. "Erbärmlich" sei es, wie mit den Kollegen Heiko Herrlich und Domenico Tedesco umgegangen werde, sagte Hecking und blickte voller Verachtung in die Runde der Presseleute.

Heckings Solidarität mit den Trainerkollegen ist begrüßens- und ehrenwert, allerdings auch ziemlich überflüssig. Sowohl Herrlich als auch Tedesco haben andere Sorgen als ein paar voreilige Kommentare über den Stand ihrer Arbeitsverhältnisse. Sie müssen einen Fehlstart moderieren, der nicht abzusehen war. Dass just diese beiden hoch gehandelten Mannschaften punktlos im Tabellenkeller sitzen, das hatte im Sommer kein Kenner prophezeit, Bayer Leverkusen und Schalke 04 galten als designierte Spitzenteams, und gegen diese Einschätzung hat sich in den Klubzentralen in Leverkusen und Gelsenkirchen auch niemand gewehrt.

Die Schalker haben ihre Kapazitäten noch nicht geordnet

Hecking hat mit seiner Kritik an manchen Kritikern insofern recht, dass es nicht nur fantasielos, sondern auch frei von Fachkenntnis wäre, die Trainer zu den Schuldigen der Misere zu erheben. Herrlich ist zwar durch den Einbruch seines Teams während der Rückrunde der Vorsaison gewissermaßen vorgemerkt, aber die Niederlage beim FC Bayern wird in Leverkusen als normal empfunden und keine Panikreaktion auslösen.

Sein Neustart nach dem Fehlstart beginnt jetzt mit dem Heimspiel gegen Mainz, eine Alltagsprüfung, die mehr Auskunft gibt über den Leistungsfähigkeit der Leverkusener Mannschaft, die ihr Potential bisher nur andeuten konnte.

Tedesco genießt in Gelsenkirchen nach der phänomenalen Vorsaison das Vertrauen des Vereins, befindet sich aber in einer schwierigeren Situation als Herrlich, der die unheimliche Begegnung mit der unbesiegbaren Art bereits hinter sich hat. Die Schalker haben Bayern München hingegen unmittelbar vor sich. Vorher dürfen sie sich noch mit dem FC Porto herumschlagen, auch keine leichte Beute. Beide Gegner treffen die Schalker in einer Zeit, in der sie ihre Kapazitäten noch nicht geordnet haben, die neuen Spieler haben noch erhebliche Eingewöhnungsprobleme, der Königstransfer Sebastian Rudy vorneweg.

Leverkusen und Schalke sind gut genug besetzt, um sich wieder nach vorn zu kämpfen. Sie dürfen dabei aber nicht mehr viel Zeit verlieren. Wie tief man durch die Eigendynamik des Misserfolgs fallen kann, hat Jürgen Klopps Borussia Dortmund vor drei Jahren nachgewiesen. Am 19. Spieltag stand der BVB auf dem letzten Tabellenplatz. Klopp blieb dennoch im Amt, aber so viel Geduld wird man in Leverkusen und Gelsenkirchen wohl nicht haben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4130552
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.09.2018/chge
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.