Schalke 04 und Huub Stevens:Königsblaues Glück im Dreikaiserjahr

Huub Stevens dirigiert mit einem Patchwork-Trainerstab den Patchwork-Kader von Schalke 04 - mit Erfolg. Mit seinem robusten Realismus ist Stevens der Experte von heute, den der Verein brauchte, um die vielen Puzzleteile funktionstüchtig zusammenzufügen.

Philipp Selldorf

Im sogenannten Dreikaiserjahr 1888 war ganz schön was los im Deutschen Reich. Auf den verstorbenen Wilhelm I folgte dessen Sohn Friedrich III, der ebenfalls bald sein Leben beschloss, was den Enkel Wilhelm II auf den Thron brachte. Historiker sagen ihm nach, er sei störrisch und gestrig gewesen, 1918 musste er abdanken und Exil in den Niederlanden nehmen.

Hertha BSC - FC Schalke 04

Erfolgreicher Schalker: Trainer Huub Stevens.

(Foto: dapd)

Die Parallelen zu Schalke 04 sind also offensichtlich. Auch Schalke erlebt 2011 eine Art Dreikaiserjahr. Bis März regierte der Absolutist Felix Magath, dem der Modernisierer Ralf Rangnick folgte. Nachdem Rangnick wegen Krankheit abdankte, kam aus dem Exil in den Niederlanden Huub Stevens, von dem Historiker behaupteten, er sei störrisch und gestrig.

Aber hier enden die Parallelen.

Über die langfristigen Folgen des Schalker Dreikaiserjahres muss die Nachwelt urteilen. Über der Gegenwart aber strahlt königsblaues Glück. Diese Mannschaft ist das Flickwerk einer unruhigen Vergangenheit, doch sie ergibt ein erfolgreiches Ganzes.

Stevens dirigiert mit einem Patchwork-Trainerstab einen Patchwork-Kader. Ihm assistieren ein früherer Mitarbeiter von Magath (Seppo Eichkorn) und ein früherer Mitarbeiter von Rangnick (Markus Gisdol), und er betreut Spieler aus konkurrierenden historischen Epochen.

In seiner Elf stehen Leute, die aus den beiden konträren Magath-Jahren stammen (hier der Jugendspieler Matip, dort der 14-Millionen-Stürmer Huntelaar), die nach Rangnicks Vorliebe erworben (Verteidiger Fuchs, Angreifer Pukki) oder vom einstigen Manager Müller verpflichtet wurden (Holtby).

Am krassesten verkörpert Mittelfeldabräumer Jermaine Jones den Wandel der Zeiten. Er hat seinen Dienst in Schalke unter Slomka angetreten, galt unter Rutten als unentbehrlich, wurde von Magath ins Exil geschickt, war unter Rangnick unerwünscht - und ist unter Stevens Stammspieler.

Für Vereine, die etwas auf sich halten, ist es Pflicht, eine "Philosophie" zu reklamieren. Die aktuelle Philosophie in Gelsenkirchen ist der Pragmatismus von Stevens. Das Publikum hatte ihn bereits als "Jahrhunderttrainer" in die Ahnengalerie aufgenommen, tatsächlich erwies er sich mit seinem robusten Realismus als der Experte von heute, den der Verein brauchte, um die Puzzleteile funktionstüchtig zusammenzufügen.

Die Spekulationen aus Berlin, dass Markus Babbel im Sommer die Nachfolge von Stevens in Schalke übernehmen werde, hat Manager Horst Heldt für "aberwitzig" erklärt. Es wird noch dauern, bis Schalke den nächsten Kaiser ernennt.

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