FC Schalke 04:Erinnerungen an Raúl und Huntelaar

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Sechs Tore: Simon Terodde hält genau das, was man sich auf Schalke von ihm versprochen hat. (Foto: Eibner-Pressefoto/Gabriel Boia via www.imago-images.de/imago images/Eibner)

Simon Terodde verzückt gemeinsam mit Offensivpartner Marius Bülter das Schalker Publikum in der zweiten Liga. Der Mittelstürmer steht auch für eine neue Art von Spieler, die in der Gelsenkirchener Kabine den Ton angeben.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Womöglich mochte es etwas eitel erscheinen, als Simon Terodde später im Fernsehen erklärte, er werde sich "diese Bilder noch öfter angucken". Es ging um die Dokumentation seines Treffers zum 3:1, der Schalke 04 in der 90. Minute den bis dahin heftig gefährdeten Sieg gegen Fortuna Düsseldorf sicherte. Allerdings ist Terodde auf den besagten Bildern kaum zu sehen. Er hat zwar das ausgesprochen schöne Tor geschossen, das am Anfang der Szene steht, aber der spektakuläre Teil der Aufnahmen folgt erst, als nach seinem bauchseitigen Jubel-Rutscher an der Eckfahne eine Herde von Mitspielern, Betreuern und Funktionären über ihn herfällt und ihn quasi lebendig begräbt. Die Menschenpyramide war so hoch, dass sie an ihrem höchsten Punkt nur noch mit Hilfe einer Teleskop-Leiter gefahrlos zu besteigen war. Der zuunterst liegende Terodde hatte Glück, dass sich nicht auch noch das am Tatort befindliche Maskottchen "Erwin" samt Knollennase und zentnerschwerem Kostüm auf ihn geworfen hatte.

Über Simon Terodde, 33, wird auf Schalke erzählt, er sei zwar ein leidenschaftlicher Sammler und Jäger von Toren, aber keiner dieser Mittelstürmer, die ihre Mannschaft vor allem als Mittel für den eigenen Zweck betrachten. Man lobt seine Professionalität und die Abwesenheit von eitlem Geltungsdrang und schildert ihn als Kontrasterscheinung zu jenen Vertretern jüngerer Spielergenerationen, die zuletzt in der Gelsenkirchener Kabine den Ton angaben.

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Amine Harit etwa, fünf Jahre Mitglied des königsblauen Ensembles, präsentierte am Samstag ein Zeugnis seiner Selbstbezogenheit, indem er ein Foto seiner Landung auf dem Flughafen Marseille veröffentlichte. Künftig soll er als Schalker Leihgabe für Olympique spielen, aber der Handel war noch längst nicht abgemacht, als er das Bild verbreitete. Schalke hätte Harit am liebsten verkauft und hatte auf 15 Millionen Euro gehofft, nun wird der franko-marokkanische Techniker erstmal vermietet, das spart zumindest die stattlichen Gehaltszahlungen - ein Motiv, das bei sehr vielen von insgesamt 25 Weggängen im Profikader bestimmend war. Nicht: Wie viel können wir einnehmen? Sondern: Wie viel können wir einsparen?

Der begnadete Solist Harit hat das Schalker Publikum einige Male verzaubert, aber am Samstagabend beim wilden Zweikampf mit der Düsseldorfer Fortuna hat er nicht gefehlt. Einerseits wäre er für diese Liga und so ein Spiel überqualifiziert, andererseits geradewegs ungeeignet, und außerdem hatten die Leute auch ohne ihn sehr viel Spaß. Zwar wurde zur Pause aus gutem Grund gescherzt, dass die Hausherren nur deshalb das Dach der Arena zugemacht hatten, weil sie bei all den Befreiungsschlägen sonst immer wieder draußen im Frosch-Teich oder auf den Parkplätzen die Bälle hätten suchen müssen. Aber es gab auch einige Momente mit Klasse, und meistens war dann Terodde beteiligt.

Der zweite Ankerspieler - Danny Latza - verletzte sich früh in der Saison

Den Angreifer hatte sich Schalke schon gesichert, als der Verein formell noch der ersten Liga angehörte. Neben dem ebenso erfahrenen Danny Latza sollte er der andere sogenannte Ankerspieler einer komplett neuen Elf sein. Latza verletzte sich bereits nach einer halben Stunde am ersten Spieltag, jetzt gibt Terodde doppelt Halt und hilft Schalke beim nach wie vor schwierigen Einstieg in die neue Liga. Sechs Tore sind auf seinem Konto, zwei schoss er am Samstag, das dritte legte er seinem Sturm-Partner Marius Bülter vor.

Das neue Paar wird von euphorischen Fans bereits mit dem Duett Raúl/Huntelaar verglichen, was vielleicht fachlich diskutabel ist. Allerdings ist Bülter eindeutig schneller, als Raúl es war, und auf ein Tor wie das 3:1, Annahme, Drehung, Außenristpräzisionsschuss, wäre auch der "Hunter" stolz gewesen. Terodde, bei der Ankunft wegen seiner Lebensjahre noch etwas skeptisch empfangen, scheint im Alter noch besser geworden zu sein. Er ist weiterhin die bewährte Torfabrik, aber er tut sich auch als versierter Feldspieler und umsichtiger Ballverteiler hervor. Sein Spiel ist ökonomisch und zweckgerichtet, zugleich voller Passion und Ambition. "Er ist ein Gefühlsmensch, jemand, der die Mannschaft und den Verein fühlt - und keiner, der nach der Arbeit nach Hause fährt und sagt: Jetzt habe ich wieder ein bisschen Geld verdient", sagt der Trainer Dimitrios Grammozis.

Terodde könnte der erfolgreichste Zweitligaschütze der Geschichte werden

Erzählt wird zudem, dass die Arbeit bei Terodde grundsätzlich immer etwas länger als bei den Mitspielern dauert. Selbstredend studiert er dann nicht zusätzlich den Übersteiger oder die Zidane-Drehung ein, sondern er schießt noch einige Dutzend Male fachgerecht aufs Tor, oft bloß aus sieben, acht Metern Entfernung. Er übe, so berichtet Grammozis, "diese einfachen Dinge, wo man denkt: Mein Gott ... aber er braucht das Gefühl des Netzes und dieses Geräusch - wenn er das hört, dann hat er schon mal einen schönen Tag gehabt."

Außer der von Terodde geführten und zwischenzeitlich vom Torwart Fährmann geretteten Mannschaft trug auch das Publikum im ausverkauften, aber immer noch halbleeren Stadion zum Sieg bei. Es war lauter als an großen Europacup-Abenden. Als Terodde auf seinen möglichen Rekord als Zweitliga-Schütze angesprochen wurde - von den führenden Dieter Schatzschneider und Charly Mödrath ist er nur noch wenige Tore entfernt -, erwiderte er: "Ich hoffe, dass ich den Rekord knacke. Aber wenn man sieht, was hier auf Schalke abgeht, dann ist das nur zweitrangig." Offenbar hat ihm die auf seinem Körper errichtete Menschenpyramide noch besser gefallen als sein Treffer zum 3:1.

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