Schalke 04:Tedesco geht notfalls den unpopulären Weg

Schalke 04: Auf Schalke angetreten mit einiger Entschiedenheit: Bundesliga-Neuling Domenico Tedesco.

Auf Schalke angetreten mit einiger Entschiedenheit: Bundesliga-Neuling Domenico Tedesco.

(Foto: AP)
  • Für den Dribbler Donis Avdijaj ist kein Platz im Schalker Bundesligakader - das sagte jüngst sein Trainer Domenico Tedesco.
  • Der Fall ist der nächste Beleg für die Entschiedenheit, mit der Bundesliga-Neuling Tedesco in Schalke seinen ganz eigenen, notfalls unpopulären Weg geht.
  • Auch zwischen Tedesco und Manager Heidel gab es eine Irritation.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Im Rahmen der Gesprächsreihe "Anne Theke" im ehemaligen Tabakladen von Ernst Kuzorra erschienen Mitte April die Profis Sead Kolasinac und Donis Avdijaj zum Austausch mit Schalke-Fans. Es gab Cevapcici mit Kartoffelsalat und eine muntere Runde, alle Beteiligten hatten ihren Spaß. Lediglich die Mitarbeiterin der Pressestelle sah sich gefordert, als Avdijaj drauflosredete, wie er Fußball spielt: leidenschaftlich und geschwind, aber auch ziemlich unbedacht und indiskret.

So ist er halt, hieß es dann, und dass man ihm deswegen auf keinen Fall böse sein könne, weil er zwar ein flatterhafter Vogel, im Grunde aber ein lieber Kerl sei. Seine lose Zunge hat Avdijaj schon öfter Scherereien gebracht, kürzlich strafte ihn das Gelsenkirchener Amtsgericht mit 40 Sozialstunden, nachdem er Polizisten bei einer Verkehrskontrolle geduzt und "Schlaumeier" genannt hatte. Außerdem soll er die Beamten als Geringverdiener verhöhnt haben, das bestritt er jedoch.

Avdijaj, 21, stand vor ein paar Jahren unter dem Verdacht, der nächste große Treffer der Schalker Nachwuchsschule zu werden. Wahlweise wurde er als der neue Julian Draxler oder der neue Mario Götze bezeichnet, seine Torquoten in den Teams der A- und B-Junioren waren phänomenal. Manager Horst Heldt gab ihm einen Vertrag, der bis ins Jahr 2019 reicht und mit einer Ausstiegsklausel versehen ist, die tatsächlich 49 Millionen Euro beträgt und dazu gedacht war, die englischen Vereine abzuschrecken, die bereits versucht hatten, das Talent abzuwerben.

Mittlerweile ist Avdijaj günstiger zu haben. Seit Anfang August wurde er Interessenten zum Sonderpreis offeriert: Schalke war bereit, sein Gehalt mitzutragen, der Spieler selbst bot Gehaltsverzicht an, "einen hohen sechsstelligen Betrag", wie sein Berater sagt, der Berliner Rechtsanwalt Karsten Schmidt. Avdijaj sollte ausgeliehen werden, doch bis zum letzten verbliebenen Stichtag am Freitag fand sich (Stand Redaktionsschluss dieser Ausgabe) trotz vieler Gespräche mit in- und ausländischen Klubs kein Abnehmer. Der Anwalt Schmidt glaubt, dass daran auch das Image seines Klienten schuld ist: "Er hat zuletzt halt wieder ein paar Böcke geschossen." Die den einschlägigen Ruf als Skandalnudel zu bestätigen schienen.

Das Heimspiel gegen Stuttgart ist die nächste Bewährungsprobe

Warum aber für den schnellen Dribbler kein Platz im kräftig gestutzten Schalker Bundesligakader sein soll, darüber rätselt nicht nur Avdijajs Berater. Das Schalker Management hatte nicht geplant, den Spieler im Sommer gehen zu lassen. In der vorigen Saison hatte Avdijaj unter Markus Weinzierl ein Dutzend Spiele mitgemacht, eine Verletzung verhinderte weitere Einsätze. Im Frühjahr gab es Angebote für den Stürmer. "Anderthalb bis drei Millionen Euro Ablöse waren locker drin", versichert Schmidt.

Der neue Trainer Domenico Tedesco legte jedoch Anfang August fest, den 21-Jährigen nicht brauchen zu können, und davon ist er auch nicht abgerückt, als sich nun abzeichnete, dass ein Transfer nicht zustandekommen würde. Dann werde er wohl beim Reserveteam in der Oberliga spielen müssen, erklärte Tedesco Anfang der Woche dem kicker; die Rückkehr in den Profikader ergebe "keinen Sinn". Avdijajs Berater kann sich diese kategorische Abwertung nicht erklären, abgesehen davon, dass er die Äußerung für geschäftsschädigend hält. Mit Christian Heidel und dessen Assistenten Axel Schuster sei er in bestem Kontakt, sagt er, zum Trainer habe er keine Verbindung.

Dieser Fall ist somit nicht nur ein weiteres Beispiel für trügerische Karriereprognosen im Profifußball, sondern auch der nächste Beleg für die Entschiedenheit, mit der Tedesco bei Schalke seinen ganz eigenen, notfalls unpopulären Weg geht. Nach dem Alt-Schalker Benedikt Höwedes (Juventus Turin) nahm auch Johannes Geis den letzten Fluchtweg (zum FC Sevilla), weil er vom neuen Chefcoach keine Zuwendung erwartete.

Heidel arrangierte in Abstimmung mit Tedesco die Transfers, die Schalkes Kader nun recht dünn aussehen lassen. Dass der Coach daraufhin bedauerte, er habe plötzlich zwei Spieler weniger als geplant, dürfte den Manager erstaunt haben. Im Moment sieht Tedesco jedenfalls weniger wie ein Bundesliga-Neuling aus als wie ein Mann, der mit aller Gewalt sein Glück strapaziert, und so wird für ihn jede Partie zur nächsten Bewährungsprobe. Auch das Heimspiel am Sonntag gegen den VfB Stuttgart.

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