FC Schalke 04:Schalker Redebeiträge zu Tedesco

Lesezeit: 3 Min.

Der nächste Notfall: Jetzt zählt auch Alessandro Schöpf zu Schalkes Langzeitverletzten. (Foto: Roland Krivec/imago)
  • Schalke 04 schafft auch beim 2:2 gegen Hertha BSC keinen Sieg und beklagt nun auch noch neue Verletzte.
  • Trainer Tedesco wirkt besorgt - er hätte gerne mindestens einen neuen Spieler im Kader.

Von Dirk Gieselmann, Berlin

"Einige Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod", sagte Bill Shankly, Trainer des FC Liverpool von 1959 bis 1974. "Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist." Domenico Tedesco, Trainer des FC Schalke 04 seit 2017, sagte auf der Pressekonferenz nach dem 2:2 gegen Hertha BSC am Freitagabend zwar nichts derart Existentialistisches, sondern nur oft gehörte Pressekonferenzsätze wie: "Ich glaube, wir hatten einen Tick mehr vom Spiel." Und doch stand ihm Shanklys Sentenz ins Gesicht geschrieben. Auch ihm war es in diesem Spiel um wesentlich mehr als um drei Punkte gegangen. Nun stand seine Mannschaft da mit gerade mal einem.

Blass, erschöpft und mit im Schein der Leuchtstoffröhren feucht glänzenden Augen saß Domenico Tedesco vor seinem Mikrofon. Er sah aus wie ein Chirurg, der nur kurz aus dem Operationssaal gekommen ist, um die wartenden Journalisten über den Zustand des berühmten Patienten zu unterrichten. Die Lage schien ernst zu sein. Ernster als ernst.

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Heruntergebrochen auf ein Spiel, das der Fußball trotz aller Bedeutung, die man ihm beimessen mag, immer noch bleibt, ist die Situation des FC Schalke 04 tatsächlich nicht allzu erfreulich. Vergangene Saison noch Meisterschafts-Zweiter, steht er nun auf dem zwölften Tabellenplatz, weit hinter den eigenen Erwartungen. Und, wohl noch schlimmer, weit hinter dem Erzrivalen Borussia Dortmund.

In den vergangenen Wochen ist nach einer für diesen Verein erstaunlich langen Phase der Ruhe auch wieder die alte unproduktive Mitteilsamkeit ausgebrochen. Zunächst sagte der allgewaltige Aufsichtsratschef Clemens Tönnies in der Zeitschrift Reviersport über Tedesco und Sportvorstand Christian Heidel: "Beide haben unser uneingeschränktes Vertrauen. Anderslautende Spekulationen gehen vollkommen an der Realität vorbei." Doch dann dementierte er sich in der Bild-Zeitung selbst: "Ich halte überhaupt nichts von dieser Art Bekenntnisse. Ich habe nur jetzt, weil es einfach Stilblüten getrieben hat, einmal was gesagt." Eine erstaunliche Volte, die auf Schalke jedoch längst zum regionalen Brauchtum gehört.

Domenico Tedesco ist nicht dafür bekannt, sich durch tosende und widersprüchliche Redebeiträge in den Vordergrund zu drängen. Er gilt als akribischer, geradezu manischer Arbeiter. Die knappe Freizeit mit seiner Familie misst er in "Sekunden und Minuten". Und von einem Fernsehreporter gefragt, ob es ihn nach Niederlagen tröste, wenn seine Tochter ihn anlächele, da sagte er: "Das ist eine gute Maßnahme." Es braucht nicht so viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie er sogar Puppen und Teddys zu taktischen Formationen aufstellt. Der Mann kann anscheinend schwer abschalten.

Vor der Sommerpause hatte sich Heidel veranlasst gesehen, dem Trainer Erholung zu verordnen. Er solle im Urlaub einfach mal nicht an die Arbeit denken und sein Mobiltelefon abschalten. Der Rat schien nicht zu fruchten, denn im Dezember stellte Heidel fest: "Er sieht ein bisschen abgekämpft aus. Der Junge gibt ja auch alles dafür, dass Schalke Erfolg hat."

Dass dieser Erfolg derzeit im Missverhältnis zu dem Aufwand steht, den Tedesco betreibt, zeigt, wie ungerecht der Fußball einem Trainer wie ihm mitunter vorkommen muss, viel ungerechter noch als jedem Fan. Und dass es ein mieses Gefühl ist, wenn man rund um die Uhr schuftet und dabei nur ein zwölfter Tabellenrang herausspringt. So sah man Tedesco nach dem Unentschieden gegen Hertha als geschlagenen Mann. Neben ihm wirkte Hertha-Trainer Pál Dárdai, der naturgemäß mit dem gleichen Resultat aus der Partie hervorgegangen war, als habe er soeben den Jackpot einer Lotterie geknackt.

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Dárdai hatte nach diesem Spiel aber auch keine Verletzten zu beklagen. Bei Schalke werden Benjamin Stambouli (Jochbeinfraktur), Alessandro Schöpf (Innenbandriss), Steven Skrzybski (Muskelverletzung im Oberschenkel) wohl langfristig ausfallen. "Das wird uns noch wehtun", sagte Schmerzensmann Tedesco. Ihm drohen nun personelle Engpässe. Der Verein will, so ist zu hören, deshalb noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv werden.

Der 18-jährige Flügelstürmer Rabbi Matondo von Manchester City soll ein Kandidat sein, zudem hätte Tedesco gern noch einen neuen Innenverteidiger, lieber zwei. Das Transferfenster schließt am kommenden Donnerstag um 18 Uhr. Bis dahin wird Heidel seinem Trainer wohl kaum vom Telefonieren abraten, und so viel Zeit für eine "gute Maßnahme" im Kreise der Familie dürfte auch nicht bleiben.

Als die beiden Trainer ihre Einschätzungen zum Spiel abgegeben hatten, bat Herthas Pressesprecher die Journalisten um weitere Fragen. Es wurden keine gestellt. Man entließ Domenico Tedesco in den Operationssaal. Schließlich geht es um Leben und Tod, vielleicht sogar um noch Ernsteres. Fachleute nennen es Fußball.

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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