Bundesliga:Selbst Herkules würde sich an Schalke einen Bruch heben

Huub Stevens (FC Schalke 04, Cheftrainer), GER, SSV Ulm 1846 vs. FC Schalke 04, Fussball, DFB-Pokal, 2. Hauptrunde, Sai

Kommen und Gehen: Kaum hat Huub Stevens den FC Schalke 04 übernommen, ist er nach dem DFB-Pokalspiel vom Dienstag auch schon wieder fort.

(Foto: Benjamin Soelzer/Eibner/Imago)

Zum Jahresabschluss sucht Schalke den vierten Trainer der Saison. Kleiner Trost: Es gibt auch andere, die 2020 in Serie verloren haben.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Der FC Schalke 04 ist nicht allein, und das bedeutet ja schon sehr viel in diesen Tagen. Denn die folgende Kaskade hätte wortgleich durchaus von Huub Stevens gesprochen werden können, während er sich zum x-ten Mal von der Schalker Trainerbank verabschiedete: "Ich freue mich so arg für die Jungs. Sie haben hart daran gearbeitet und einen tollen Job gemacht. Sie haben so viel Unglück hinter sich. Und es ist für uns schon so lang her gewesen, dass wir uns nicht mal mehr dran erinnern konnten, wie es ist, zu siegen." Das Fazit: "Deswegen ist es toll, die Jungs so glücklich zu sehen."

Dies sind Sätze, die offenbar den verbalen Bausatz für das Ende von Niederlagen-Serien bilden, die unendlich zu sein schienen. Jedes Wort passt deckungsgleich zur Situation von Schalke 04 - allerdings sprudelte der Sturzbach der Erleichterung aus dem Mund eines gewissen Adam Gase. Der 42-Jährige coacht nicht in der Bundesliga, er coacht die New York Jets, und die waren, transatlantisch gesehen, im Krisenjahr 2020 gewissermaßen das Schalke der nordamerikanischen Football-Liga NFL. Bis zum Sonntag, an dem die Jets auch zur eigenen Überraschung ihr Ligaspiel mit 23:20 bei den Los Angeles Rams gewinnen konnten.

So weit sind die Schalker noch lange nicht. Ihr Sieg, nach dem Huub Stevens am Dienstagabend sein Fünf-Tage-Aushilfs-Intermezzo schon wieder beendete, hatte zwar etwas Versöhnliches - nur gelang er im DFB-Pokal, mit 3:1 gegen Ulm, einen Viertligisten. Falscher Wettbewerb! Kommt also nicht in die Wertung, denn in der Liga addieren die Schalker weiter: 29 Spiele haben sie nicht gewonnen, im Rekordbuch des Grauens fürchtet Tasmania Berlin (31 Niederlagen) bereits seit Monaten um ein Alleinstellungsmerkmal, von dem die Neuköllner hoffen, es bleibe ihr Wert für die Ewigkeit.

Wenn Schalke nicht ab sofort gewinnt, steigt Schalke ab

Beide Serien, die der Schalker, die der Jets, bildeten einen kuriosen Spannungsbogen in dieser Geisterspiel-Saison. Eigentlich hätten beide Klubs den Titel "Mannschaft des Jahres" verdient; in Deutschland wurde dies der FC Bayern München, auch in Krisenjahren fehlt offenbar der Blick auf die Verlierer. Schalke gewann letztmals im Januar, es war ein 2:0 gegen Borussia Mönchengladbach. Die Jets wiederum waren nach 51 Wochen und saisonübergreifend 13 Niederlagen wieder siegreich. Doch damit enden schon die Gemeinsamkeiten. Denn Verlieren ist nicht gleich Verlieren.

Schon gar nicht dies- und jenseits des Atlantiks. Wenn Schalke unter dem in Kürze zu benennenden Stevens-Nachfolger nicht ab sofort gewinnt, steigt Schalke ab. Die Fans fürchten zudem die Insolvenz: In der zweiten Liga wäre die Schuldenlast von circa 240 Millionen Euro wohl nur noch zu tragen, wenn eine Turbo-Inflation dabei hilft. In der NFL hingegen gibt es keinen Abstieg, und deshalb fließen dort seltener die Tränen der Trauer.

Nicht wenige Fans der New Yorker waren allerdings stinksauer, als Trainer Adam Gase seine Erleichterungsrede hielt. Gibt es doch in den US-Profi-Ligen ein Paradoxon: Es kann dort sehr wohl von großem Vorteil sein, auch mal in Serie zu verlieren. Denn wer Letzter ist, darf bei der nächsten Spielerwahl (engl.: Draft) als Erster wählen. Der Schlechteste kann den allerbesten Nachwuchsspieler holen. Wer heute unten ist, kann morgen oben sein - und noch ein bisschen mieser als die Jets sind blöderweise jetzt die Jaguars aus Jacksonville.

Schalke hat keine solche Perspektive. Schlechter als Schalke ist niemand, auch Stevens hat das einzige Bundesligaspiel seines Intermezzos mit 0:1 gegen Arminia Bielefeld verloren. Die Aufgabe, den Klub zu retten, übergibt er nun an den vierten Trainer der Saison, sein Vermächtnis hat der 67-Jährige hinterlassen: "Es ist schwer für einen alten Trainer, die Spieler vom Boden hochzuziehen." Kleiner Trost: Selbst Herkules hätte sich an Schalke einen Bruch gehoben.

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