Schalke 04:Neue Sehnsucht nach dem alten Schalke

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Durchaus bedient: Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes schon in der Halbzeit im Spiel gegen Eintracht Frankfurt. (Foto: dpa)
  • Vor allem die Leistung bei der 0:1-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt erschüttert den Glauben der Schalker Fans auf Besserung.
  • Manager Christian Heidel will nicht mehr von der Europa League als Ziel sprechen.
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Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Aus Russland kam gerade die Meldung, dass Jefferson Farfán einen Vertrag bis Saisonende bei Lokomotive Moskau unterschrieben hat. Mancher Schalke-Fan dürfte darüber melancholisch geworden sein. Farfán - in seiner peruanischen Heimat unter dem Kosenamen "das Seehündchen", in Gelsenkirchen als "der Jeff" bekannt - kam den Schalkern vor anderthalb Jahren schlagartig abhanden, als ihn ein Angebot vom arabischen Golf erreichte, das weder der Spieler noch der Klub ausschlagen konnten. Seitdem ist genug Zeit vergangen, um die gemeinsame Vergangenheit zu verklären, und so war am Wochenende auch immer wieder vom Jeff die Rede, als in Schalker Kreisen die Folgen der 0:1-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt und der allgemeine Zustand des Vereins diskutiert wurden.

Dieser gibt Anlass zu Kulturpessimismus, weshalb außer von Farfán auch und unter anderen von Bordon, Özil, Raúl, Neuer, Draxler und Sané die Rede war - glorreiche Zeugen der Schalker Mannschaften aus den nahen Vorjahren. Die prominenten Größen haben damals zwar auch nicht das vollendete Glück nach Schalke gebracht. Aber im Moment wirkt die gar nicht ferne Vergangenheit golden im Verhältnis zur Gegenwart. Von der Angst vor der ungewissen Zukunft ganz zu schweigen. Wer sind wohl die Nächsten, die gehen, so wird gefragt: Meyer? Goretzka?

Er werde jetzt nicht davon reden, was geschehen müsse, um in dieser Saison noch in die Reichweite der Europacup-Plätze zu kommen, hatte Christian Heidel am Freitagabend gesagt. "Wir wollen uns nicht lächerlich machen", erklärte der Manager, der einen schockierten und gestressten Eindruck hinterließ. Mit dem Europacup braucht sich Schalke nach den zuletzt gezeigten Leistungen und speziell nach dem erschütternden Auftritt gegen die Eintracht nicht zu beschäftigen, da hat er wohl recht. Das sollte man wohl dem Gegner überlassen, der keiner Überanstrengung bedurfte, um sich die drei Punkte zu sichern. Der Eintracht genügte es, ihre bewährte Guerilla-Taktik anzuwenden.

Hatte Trainer Weinzierl die vielen hohen Bälle angeordnet? "Nein - wir haben den Mut verloren!"

Zügig nahmen sie den mit guten Absichten gestarteten Hausherren den Schwung. Beide Seiten beharkten sich sodann verbissen, das Ganze sah aus wie ein einziger Austausch von Kampfhandlungen. Die Frankfurter machten dabei mit ihrer Gemeinschaftsarbeit und ihrer präzisen Organisation die bessere Figur. Hasebe und Mascarell im Zentrum sowie Abraham und Vallejo in der Deckung waren die einflussreichsten Spielfiguren. Was auch daran lag, dass auf Schalker Seite längst kein Jeff, kein Raúl und kein Sané mehr spielen, und dass im Angriffszentrum nicht mehr der voll funktionstüchtige Torjäger Huntelaar lauert, sondern Guido Burgstaller umeinanderläuft. Dieser war zwar vorbildlich fleißig und erwarb sich das Verdienst, als einziger Schalker zu nennenswerten Torchancen gekommen zu sein (zwei an der Zahl) - aber seine Herkunft aus der zweiten Bundesliga konnte er nicht leugnen, Merkmale seiner technischen Fähigkeiten gaben das unübersehbar zu erkennen.

Lange vor dem Schlusspfiff hatten sich die Ränge geleert, und die Verbliebenen waren nur deswegen noch da, um sich nach dem Schlusspfiff so laut wie möglich zu beschweren und die Spieler zu beschimpfen. Auf dem blassgrünen Schalker Stolperspielfeld wurde ein Fußballspiel geboten, der sogar die Sieger auf Abstand gehen ließ. "Der Ball war ja nur noch in der Luft", sagte Alex Meier, der Schütze des Siegtreffers. In die negative Wertung bezog er ausdrücklich auch die eigene Elf ein: "Wir haben gar nicht mehr probiert, Fußball zu spielen, haben nur noch die Dinger hinten rausgehauen." Letzteres aber nicht, weil die Hausherren so einen gewaltigen Druck ausübten, um das 0:1 aus der 33. Spielminute auszugleichen. Die Frankfurter passten sich bloß dem Stil ihrer Schalker Kollegen an. Meier war natürlich sehr zufrieden mit den drei Punkten, aber er war auch sehr erstaunt: darüber, dass die unbefriedigende Leistung zu einem unumstritten verdienten Auswärtssieg gereicht hatte.

Den Schalkern gelang, obwohl Afrika-Cup-Heimkehrer Nabil Bentaleb wieder mitwirkte, spielerisch wenig. Manche Augenzeugen meinten auch: nichts. Auf den Flügeln konnten sich Schöpf und Kolasinac selten durchsetzen, Goretzka und Bentaleb im Zentrum waren weit davon entfernt, Spielkontrolle auszuüben, Geis verfehlte im Kernland des Mittelfeldes sowohl defensiv als auch offensiv seine Aufgabe als Stratege. Im Angriff bekam derweil Choupo-Moting keine Chance, sein technisches Geschick einzusetzen und Kombinationen aufzunehmen, was daran lag, dass er die Zuspiele meistens in zweieinhalb Metern Höhe zu empfangen hatte. Die Kollegen pflegten die Kugel nach dem Erhalt sofort hoch und weit nach vorn zu befördern bzw. zu prügeln. Trainer Markus Weinzierl wurde später gefragt, ob das Spiel mit langen Bällen auf seinen Anordnungen beruhte: Nein, sagte er, "das war nicht besprochen. Die Mannschaft hat den Mut verloren. Wir haben uns nicht zugetraut, auf dem schweren Boden flach zu spielen".

Das neue Schalke, das Heidel und Weinzierl schaffen sollten, gibt den Anhängern zurzeit lediglich Anlass zur Sehnsucht nach dem alten Schalke.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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