Schalke 04: Raúl im Gespräch:"Die Ereignisse überschlagen sich"

Lesezeit: 3 min

Schalkes spanischer Stürmer Raúl über 16 Jahre Real Madrid, die kuriose Saison, seine Ratschläge an den jungen Julian Draxler - und zwei Tore, die sein Leben veränderten.

Boris Herrmann

SZ: Señor Raúl González, worüber würden Sie sich gerne unterhalten?

"Nach 16 Jahren bei Real Madrid habe ich einen Wechsel in meinem Leben gebraucht": Raúl über seinen Wechsel zu Schalke 04. (Foto: dapd)

Raúl: Wie wäre es zum Beispiel mit Fußball?

SZ: Haben Sie nach gut eineinhalb Jahrzehnten als Profifußballer nicht allmählich genug von diesem Spiel?

Raúl: Im Gegenteil. Zurzeit macht es gerade wieder richtig Spaß. Ich stehe immer noch jeden Morgen auf und freue mich wie ein kleines Kind auf das Training. Und erst recht auf das Wochenende. Dieses Gefühl, das man hat, wenn man mit der Mannschaft die Arena betritt, wenn man gewinnt, wenn man Tore schießt, das ist schwer zu übertreffen. Genau deshalb bin ich ja auch nach Schalke gekommen.

SZ: Bis vergangenen Sommer hat man Sie für den ewigen Madrilenen gehalten.

Raúl: Nach 16 Jahren bei Real Madrid habe ich einen Wechsel in meinem Leben gebraucht, eine andere Liga, eine andere Kultur, vor allem aber eine neue Perspektive. Ich bin 33, und solange mein Körper noch mitmacht, will ich so viel wie möglich spielen.

SZ: Beim Abschied im Santiago Bernabéu haben Sie geweint.

Raúl: Real Madrid ist alles für mich. Das ist meine Familie in meiner Stadt. Aber dieses Abenteuer hier in Schalke, das habe ich mir selbst ausgesucht. Und wenn man mit den Füßen in Schalke ist, kann man nicht mit dem Kopf in Madrid sein. Im Moment bin ich hier. Ich will das so intensiv wie möglich erleben. Und wenn ich in ein oder zwei Jahren das Gefühl habe, es ist genug, dann gehe ich wieder zurück. Ich weiß ja, dass sie dort irgendwo im Verein einen Platz für mich freihalten.

SZ: Gibt es ein Tor, das Ihr Leben verändert hat?

Raúl: Ich würde sagen, es gibt zwei.

SZ: Erzählen Sie!

Raúl: Eines war der Siegtreffer im Weltpokalfinale 1998 in Tokio. Real hat 32 Jahre auf diesen Titel gewartet, und wenn man dann kurz vor Schluss zum 2:1 trifft, macht man sich in seiner Stadt natürlich ein paar neue Freunde. Die Leute nennen es "El Gol del Aguanís".

SZ: Und das andere?

Raúl: Das war 1994 in meinem ersten Heimspiel für Real, ein Derby gegen Atlético. Nachdem ich in der Jugend einige Jahre für Atlético gespielt hatte, war das natürlich erst recht etwas Besonderes. Es war aber vor allem das Verdienst meines damaligen Trainers Jorge Valdano.

SZ: Wieso?

Raúl: Er hatte den Mut, einen 17-jährigen Jungen in solch einem Spiel aufzustellen. Wir pflegen seit diesem Tag eine sehr besondere Beziehung. Valdano war so etwas wie ein fußballerischer Vater für mich.

SZ: Und Ihr leiblicher Vater?

Raúl: Der war damals natürlich auch im Stadion. Er war ja Atlético-Fan. In dieser Nacht hat er den Verein gewechselt.

Bundesliga: Spieler vor dem Absprung
:Zukunft ungewiss

Bayern-Keeper Thomas Kraft verhandelt offenbar mit dem Hamburger SV, Juventus Turin buhlt um Miroslav Klose, Ruud van Nistelrooy will bald niemand mehr. Wer sich in der Bundesliga um seine Zukunft sorgt. In Bildern.

Jonas Beckenkamp

SZ: Ihr 17 Jahre alter Schalker Kollege Julian Draxler hat in der Verlängerung des Pokal-Viertelfinales gegen Nürnberg auch so ein Tor geschossen, das vermutlich sein Leben verändern wird. Kann man den jungen Draxler mit dem jungen Raúl vergleichen?

Bundesliga: Spieler vor dem Absprung
:Zukunft ungewiss

Bayern-Keeper Thomas Kraft verhandelt offenbar mit dem Hamburger SV, Juventus Turin buhlt um Miroslav Klose, Ruud van Nistelrooy will bald niemand mehr. Wer sich in der Bundesliga um seine Zukunft sorgt. In Bildern.

Jonas Beckenkamp

Raúl: Ich mag an ihm, dass er sowohl ehrgeizig als auch bescheiden ist. Wenn die Älteren etwas erzählen, hört er sehr genau zu. Wenn er so weitermacht, wird er ein sehr wichtiger Spieler für Schalke und die deutsche Nationalelf werden.

SZ: Würden Sie Talenten wie Draxler raten, die Schule zu verlassen, um auf dem Trainingsplatz nichts zu verpassen?

Raúl: Ich finde, dass man unbedingt versuchen sollte, die Schule fortzusetzen. Aber es ist eben oft sehr kompliziert. Ich habe vor ein paar Tagen mit Julian darüber gesprochen. Er kam zu mir und hat mich gefragt, wie das bei mir war.

SZ: Wie war es denn bei Ihnen?

Raúl: Ich habe es zwei Jahre lang versucht mit Profifußball und Schule. Aber am Ende wollten sie die Prüfungstermine für mich nicht verschieben. Und ich wollte nicht auf Länderspiele verzichten. Im Nachhinein kann man sagen, bei mir ist es gutgegangen. Aber in diesem Moment war ich 19 Jahre alt, und mir ist schon klar, dass ich mir nur einmal das Knie hätte verdrehen müssen und meine Karriere dann vielleicht ganz anders verlaufen wäre.

SZ: Dann wären Sie wahrscheinlich auch nie in Schalke gelandet. Wieso haben Sie vorhin von einem Abenteuer gesprochen?

Raúl: Der Verein, die Mannschaft und die Fans haben mich hier mit sehr viel Herzlichkeit und Respekt aufgenommen. Aber klar ist doch auch, dass ich in einem kuriosen Jahr hergekommen bin. Die Ereignisse überschlagen sich. In der Bundesliga sind wir sehr schlecht. Dafür stehen wir im Pokalfinale und im Viertelfinale der Champions-League.

SZ: So weit sind Sie mit Real Madrid in den vergangenen sechs Jahren nicht gekommen.

Raúl: Richtig. Das hätte ich wirklich nicht erwartet, dass wir das jetzt mit Schalke schaffen. Ich bin allerdings auch sonst ganz zufrieden hier. Meine Familie hat sich sehr gut integriert. Und vor ein paar Tagen habe ich festgestellt, dass hier in Deutschland sogar manchmal die Sonne scheint.

Das komplette Interview lesen Sie in der Freitagausgabe der Süddeutsche Zeitung.

© SZ vom 01.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: