Schalke-Manager Heldt:"Ich werde aufrecht wieder rausgehen"

1. BL - 15/16 - Schalke 04 vs. Hertha BSC Berlin

Lächelnd nach unten: Schalkes Sportdirektor Horst Heldt beim Spiel gegen Hertha BSC.

(Foto: bremehr/fotostand)

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Diese Szenen und Bilder, die in den letzten Zügen einer vorwiegend mühseligen Partie plötzlich den explosiven dramaturgischen Höhepunkt bildeten, haben Horst Heldt dann doch wieder mit dem merkwürdigen Kosmos namens Schalke versöhnt, der ihm in den vergangenen Tagen so viel Bitternis beschert hatte. In diesen Sekunden war der Manager genauso glücklich wie das Gros des Publikums in Gelsenkirchen und wie die Fußballer, die sich in wilder Ekstase auf dem Rasen übereinanderwarfen, um ihre Freude über Max Meyers 2:1-Siegtreffer gegen Hertha BSC miteinander zu teilen.

Die komplette Ersatzbank-Belegschaft, der Trainer André Breitenreiter und auch das wasserköpfige, dicknäsige Maskottchen Erwin stürmten hinzu, um sich mit dem feiernden Menschenknäuel zu vereinigen. Auf den Rängen tobten die Leute auf aberwitzige Weise. Der Berliner Alexander Baumjohann wollte das alles nicht begreifen, obwohl er selbst jahrelang an diesem Ort zu Hause gewesen war. "Die Schalker lassen sich abfeiern, als wären sie Weltmeister geworden", motzte er.

Horst Heldt hingegen schwärmte später, dass dies ein Tag sei, "der macht einen einfach nur stolz". Seine starken Empfindungen hatten allenfalls am Rande mit dem angestrengten Auftritt gegen eine Hertha zu tun, die 70 Minuten in Unterzahl zurechtkommen musste und zu zehnt beinahe ein 1:1 heimgebracht hätte. Es ging dem Manager stattdessen um das Menschenknäuel mit Maskottchen, "so viel Emotionalität, so viel Inbrunst", so viel Gemeinsamkeit - das war es, was Heldt beglückte, nicht zuletzt deshalb, weil er sich selbst als Stifter dieser neuen Schalker Gemeinschaft betrachtet. Und ein bisschen Pathos durfte schon sein an diesem Tag, an dem der Sportchef damit angefangen hat, sich von Schalke 04 zu verabschieden.

Wie viele Spiele der 45-Jährige noch als Amtsperson in der Arena erleben wird, das weiß er wohl selbst noch nicht. Am Donnerstag steht ein Europacup-Spiel gegen Sparta Prag an, bis dahin wird es wohl eine amtliche Statusmeldung geben - ob Heldt bis zum Saisonende die Arbeit fortsetzen wird (eher unwahrscheinlich) oder schon vorher aus dem Dienst scheidet.

Ob der Mainzer Heidel kommt, ist noch offen - aber Heldt will das Ende selbst bestimmen

Die sportlichen Geschäfte wird Heldt demnächst in andere Hände übergeben, möglicherweise in die seines Mainzer Kollegen Christian Heidel, 52, den der Schalker Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies als Nachfolger ausersehen hat.

Ob Heidel sich tatsächlich aus Rheinhessen ins Ruhrgebiet locken lässt, und wie er das in Anbetracht seines bis 2017 datierten Vertrags mit dem FSV 05 zu regeln gedenkt, ist allerdings noch offen. Fest steht offensichtlich nur, dass Heldt aus dem heimlichen Werben um den Mainzer Kollegen die Konsequenzen gezogen hat. Clemens Tönnies hat durch die vermeintlich diskrete Kontaktaufnahme mit Heidel - im Anschluss an die vermeintlich diskreten Kontaktaufnahmen mit Michael Reschke (FC Bayern) und Max Eberl (Mönchengladbach) - Tatsachen geschaffen, nun hat auch Heldt für Fakten gesorgt.

"Die Art und Weise ist das Entscheidende"

"Ich habe für mich eine Entscheidung getroffen", hat er am Sonntag im Sportfernsehen gesagt, es darf als sicher gelten, dass er Tönnies über diese Entscheidung längst unterrichtet hat. Es hat an diesem Wochenende zwar keine Pressemitteilung gegeben, in der geschrieben steht, dass Heldt sein Arbeitsverhältnis mit Schalke 04 zum 30. Juni 2016 vertragsgemäß beenden und dem Klub danach alles Gute wünschen wird. Es hat aber am Samstag und am Sonntag genügend öffentliche Statements des Hauptbetroffenen gegeben, die den Vertrieb eines solchen Kommuniqués im Prinzip überflüssig machen.

Dass es in dieser familiären Affäre nicht nur um die Führung eines großen Klubs, sondern auch um Stolz und Ansehen geht, das machte Heldt im Stadion klar: "Ich bin aufrecht hier reingekommen und werde auch aufrecht wieder rausgehen", hat er gesagt. Er möchte die Leute wissen lassen, dass er das Ende der Geschichte selber bestimmt.

Irgendwann im Laufe der langen Reden, die er am Sonntag im Fernsehen hielt, hat der in mancher Hinsicht durchaus zynische Branchen-Profi Heldt gesagt, es sei "ja nicht nur Romantik im Fußball". Dass der Oberboss Tönnies sich nach anderen Sportchefs umschaut, hält der Stelleninhaber für legitim und richtig. Aber "die Art und Weise ist das Entscheidende", findet er.

Tönnies sollte, so darf man Heldt wohl verstehen, Loyalität nicht nur von anderen einfordern, sondern auch selbst gewährleisten. Und die Art und Weise, in welcher der Fabrikant aus Ostwestfalen bei der Annäherung an den Wunschkandidaten Heidel vorgegangen ist, war weder menschlich fein (gegenüber Heldt) noch geschickt (im Sinne des Vereins, über den er formell Aufsicht führt). Tönnies verkehrt zwar seit vielen Jahren auf den Ehrentribünen und kennt eine Menge Fußball-Vips beim Vornamen, die Regeln der Branche aber hat er immer noch nicht durchschaut.

Am Samstag haben die meisten Leute glücklich das Stadion verlassen. Schalke steht auf Platz drei und hat im Gegensatz zur vorigen Saison wieder eine Mannschaft, die diesem Begriff gerecht wird. Eben deshalb war Heldt so stolz, als er das Menschenknäuel sah: weil sich dank seiner Umbauten im Sommer "die Lage zum Guten verändert hat".

Aber es gibt jetzt viel zu tun: Der Vertrag mit Verteidiger Joël Matip - beim Siegtreffer wieder der brillante Passgeber - muss verlängert, die dringend nötigen Wintertransfers müssen realisiert und die nächsten Sommertransfers vorbereitet werden. Die Frage ist bloß, wer diese Arbeiten ausführt, wenn Heldt weg und Heidel noch nicht da ist.

Womöglich haben die unruhigen Zeiten auf Schalke gerade erst begonnen.

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