Neuer S04-Keeper Karius:Schalkes Antwort auf Hollywood

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Torwart Loris Karius sicherte Schalke einen knappen 1:0-Erfolg gegen Münster - und sich selbst vielleicht einen Re-Start seiner Karriere. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Das Schalker 1:0 gegen Münster bildet den Rahmen für eine große Herz-und-Schmerz-Geschichte um den kürzlich verpflichteten Torwart Karius. Sein starkes Comeback ist aber nicht das Einzige an diesem emotionalen Abend.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

In der Mixed Zone, nahe der Arena-Kapelle, sahen sie sich wieder. Der eine der langjährige, renommierte Champions-League-Schiedsrichter Deniz Aytekin, der andere der Torwart Loris Karius, der sogar mal im Champions-League-Finale gespielt hat, wenn auch letztlich nicht zugunsten seines Renommees. Beide hatten soeben beim 1:0-Sieg von Schalke 04 gegen Preußen Münster ihr Comeback nach langer unfreiwilliger Abwesenheit gegeben, der eine hatte verletzungshalber gefehlt, der andere karrierehalber, und zufällig standen sie nun nebeneinander und redeten unabhängig voneinander über die Erlebnisse des Abends. Auf ihren Mitschnitten fanden die Reporter später identische Sätze aus zweierlei Quellen vor: „Es war ein langer Leidensweg“, sagte Karius. „Es war ein langer Leidensweg“, sagte Aytekin.

Beinahe wären sich die beiden am Freitagabend nicht nur über den Weg gelaufen, sondern in die Quere gekommen, wenn Aytekin in der 72. Minute einen Foulelfmeter verhängt hätte – gegen Schalke und gegen Karius, der beim Einsatz im Großgetümmel den Münsteraner Frenkert am Kopf getroffen hatte. Doch Aytekin gab später zu Protokoll: „Es war ein Streifen, das reichte nicht für einen Strafstoß.“

Loris Karius
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Als Loris Karius einer der größten Unglücksraben der Europapokal-Geschichte wurde, fehlte es seinem Trainer an Solidarität und Empathie: Er ließ den Torwart alleine leiden.

Kommentar von Birgit Schönau

Der Schiedsrichter, souverän wie üblich, ließ somit Platz für eine große Herz-und-Schmerz-Geschichte, die – von den 6100 Fans aus Münster abgesehen – das ausverkaufte Haus in Gelsenkirchen in eine Begeisterung versetzte, als würden immer noch Raúl und Klaas-Jan Huntelaar stürmen, und als wäre der Gegner mindestens Benfica Lissabon gewesen und nicht der Zweitligaviertletzte Preußen Münster. Dessen besonderes Stilmittel veranlasste den Schalker Amin Younes später zu einer geschmacklichen Distanzierung: „Mit den Einwürfen übers ganze Feld, das ist ja auch keine Reklame für Fußball“, sagte der Mittelfeld- und Ex-Nationalspieler und spottete, dass er am Freitagabend Besseres zu tun hätte: „Da gucke ich lieber Kugelstoßen.“

In Wahrheit hatte Münster sportlich mehr zu bieten als die in der Tat kilometerweiten Einwürfe von Tore Paetow, mehr jedenfalls als die ersatzgeschwächten und verunsicherten Schalker, die lediglich einen überlegenen Trumpf vorzuweisen hatten, und das war der Torwart Loris Karius aus Biberach an der Riß, 31. Den hatte Schalke im Januar mit einem Vertrag bis zum Saisonende aus der Stellungslosigkeit erlöst, nun präsentierte ihn Coach Kees van Wonderen anstelle des bisherigen Stammkeepers Justin Heekeren und erzeugte einen Knalleffekt, der das ganze Stadion in euphorischen Aufruhr versetzte.

Loris Karius rettet Schalke den Sieg - und ist danach überglücklich

Loris Karius rettete Schalke mit starken Paraden immer wieder vor dem Rückstand, und er hörte damit auch nach dem Führungstor für Schalke durch Pape Meissa Ba (86.) nicht auf, weil Münster unentwegt den Strafraum belagerte. Nach einer spektakulären Doppel-Parade umarmte ihn buchstäblich das komplette Team. Ja, sagte Karius, „da sind ein bisschen die Dämme gebrochen. Schön. Aber es hat mich für alle gefreut.“ Zuletzt hatte er bei Newcastle United ein Dasein als Ersatztorwart gefristet, sein letzter Einsatz liegt ein Jahr zurück. Und dann so eine überwältigende Rückkehr: „Ich hab’s von der ersten Minute an durchgehend genossen, und das ist ja eigentlich Champions-League-Niveau, was wir hier vorfinden mit 60 000 Zuschauern – was Besseres gibt es nicht für einen Fußballer.“

Ein Echo wird Karius’ Auftritt nicht nur in der Sport-, sondern auch in der Regenbogenpresse finden. Dafür sorgt schon Karius’ aus Mailand zugereiste Freundin Diletta Leotta, eine italienische Sportmoderatorin, die neun Millionen Follower auf Instagram vereint – neunmal so viele wie Schalke 04. Außerdem gibt es noch diese Verbindung zwischen Verein und Torwart, dessen ehemalige Quasi-Schwiegermutter die ehemalige Freundin von Schalkes ehemaligem Manager war. Die Rede ist von Rudi Assauer und Simone Thomalla, Schalkes Antwort auf Hollywood in vergangenen, besseren Tagen, als aus Los Angeles Bruce Willis für Pils-Werbung mit Assauer anreiste (der anstelle von Willis das Bier bekam!). Simone Thomallas Tochter Sofia war später mit Karius liiert, und wenn man so will, dann schließt sich mit Diletta Leotta in der weißen Felljacke auf der Tribüne in Gelsenkirchen wieder der Kreis Richtung Hollywood.

Im echten Leben hat sich Schalke 04 mit dem ansonsten wenig glamourösen Kraftakt gegen Münster lediglich wieder ein Stück von der Abstiegszone entfernt, und Karius hat bloß das erste Spiel gemacht. Ob er auf Dauer die quälenden Torwartrochaden beenden kann, die das Team seit Alexander Nübels Wechsel 2020 zum FC Bayern immer wieder destabilisieren, weiß er selbst nicht. „Mein Ziel war es, ins Tor zu kommen, das habe ich erreicht“, sagte Karius, „und das nächste Ziel ist, gut zu spielen und der Mannschaft zu helfen. Und dann sehen wir weiter.“ Eine weitere Liaison ist aber definitiv nicht ausgeschlossen.

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