Er war schon einmal deutscher Fußballmeister mit dem FC Schalke 04. Für vier Minuten. Für vier Minuten im Mai des Jahres 2001. Die wohl vier berühmtesten Minuten der Bundesligageschichte. In Schalke war schon abgepfiffen, in Hamburg nicht, und es dauerte eben vier Minuten, bis Patrik Andersson einen umstrittenen Freistoß für den FC Bayern München ins Tor schoss, gegen den HSV ausglich - und Schalke nur noch Meister der Herzen war.
Huub Stevens stand wenig später auf den Rängen des alten Parkstadions. Dort, wo sie die Meisterschale, das Duplikat zumindest, hätten überreicht bekommen - wäre Anderssons Tor nicht gewesen. Stevens überblickte das blau-weiße Meer. Die 20.000 Fans, die auf den Rasen gestürmt waren, um zu feiern. Ach was: Um zu explodieren vor Glück und Begeisterung. Er stand da und lächelte, wippte leicht mit dem Kopf, schluckte schwer. Dann fasste er sich mit der rechten Hand ins Gesicht, als müsse er sich eine Träne wegwischen.
Es ist natürlich Spekulation, ob Hubertus Jozef Margaretha Stevens, genannt Huub, jetzt nicht doch Trainer beim Hamburger SV wäre, hätte es diese schweren Minuten im Trainerleben des Niederländers nicht gegeben. Hätte er nicht die echte Trauer in den Gesichtern der Schalker Fans gesehen. Mike Büskens, heute Trainer der SpVgg Greuther Fürth, damals noch Spieler auf Schalke, hat über die Situation damals gesagt: "Da ist man leer. Und damit muss ich jetzt leben. Meister der Herzen zu sein."
Vielleicht hat sich Stevens gesagt, dass er damit nicht leben will. Dass er es noch einmal versuchen will mit dem FC Schalke, den er von 1996 bis 2002 betreute. Stevens ist immer noch der Trainer mit der längsten Amtszeit auf Schalke. Ganz sicher aber hat er dort oben im Parkstadion gespürt, dass der FC Schalke mehr ist als die Summe der einzelnen Teile, mehr ist als Spieler und Fans und Stadion und Gelsenkirchen. Viele nennen es Religion.
Ein Jahr nach der so dramatisch verlorenen Meisterschaft wurde Stevens triumphal verabschiedet. Sein letztes Spiel war der Sieg im DFB-Pokal gegen Bayer Leverkusen, Stevens wurde damals wegen Meckerns auf die Tribüne verwiesen. Schon 1997 hatte er die Königsblauen zum Uefa-Cup-Gewinn geführt, war zum Trainer der Schalker Jahrhundert-Elf gewählt worden.
Nach 3426 Tagen kehrt er jetzt zurück, wird Nachfolger von Ralf Rangnick. Dabei hat der 57-Jährige auch mit dem HSV heftig geflirtet. Er hatte davon gesprochen, wie "wunderschön" die Zeit beim Hamburger SV in den Jahren 2007 und 2008 gewesen sei, der Vertrag schien bereits fix.
Aber er konzentrierte sich eben nicht ganz auf die Hamburger, verhandelte parallel noch mit der alten Liebe - und der Hamburger Sportdirektor Frank Arnesen sagte Stevens ab: Ein Trainer müsse "zu 100 Prozent" von der Aufgabe begeistert sein, erklärte Arnesen. Begeistert ist Stevens zu 100 Prozent aber wohl nur von Schalke 04.
"Er ist der neue Trainer, und er wird ein guter Trainer sein", sagte der Schalker Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies nach der Verpflichtung. "Der Huub freut sich wie verrückt. Er ist richtig heiß auf Schalke und hat gehofft, dass wir uns melden." Und Sportdirektor Horst Held erklärte: "Wir haben in einer schwierigen Phase gesagt: Wir holen Huub Stevens nach Hause. Ich habe gemerkt, dass das Feuer in ihm noch brennt. Er konnte mir viel zu Schalke sagen, viel mehr, als ich selbst weiß."
Stevens selbst schwärmte bei seiner Vorstellung: "Ich habe hier sechs Jahre lang gearbeitet, Schalke ist nicht irgendein Verein. Einmal Schalke, immer Schalke. Und so emotional, wie Schalke ist - da nimmst Du einfach viel mit."
Er hatte sich mit Schalke auf einen Vertrag bis zum 30. Juni 2013 geeinigt. Um 9:09 Uhr am Dienstagmorgen hatten Manager Horst Heldt und Finanz-Vorstand Peter Peters die Mannschaft informiert, um 9:57 Uhr betrat Stevens den Trainingsplatz, begrüßte die rund 500 Fans mit einem freundlichen "Guten Morgen" und bekam Applaus.
Auf die Minute pünktlich begann um 10:00 Uhr das Training. Stevens, der einst den berühmten Spruch "Die Null muss stehen!" geprägt hatte ("Ich finde es lustig, dass da immer noch drüber gesprochen wird"), ließ gleich einmal drei Defensivspieler aus der zweiten Mannschaft vorspielen.