Heidel-Rücktritt bei Schalke:Ein Kader für Grusel-Fußball

FC Schalke 04 v Manchester City - UEFA Champions League Round of 16: First Leg

Enttäuschte Schalker, hier nach dem verlorenen Champions-League-Spiel gegen Manchester.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das Gebilde Schalke 04 hat den nächsten Manager geschafft: Doch so kurios die Begleitumstände des Rücktritts von Christian Heidel sind, so zwangsläufig erscheint er nach vielen missglückten Transfers.

Kommentar von Martin Schneider

Am Tag, an dem Christian Heidel sein Scheitern verkündete, an dem er seinen Vertrag als Sportvorstand bei Schalke 04 auflöste und seine von ihm zusammengestellte Mannschaft 0:3 beim FSV Mainz 05 verlor - an dem Tag sei daran erinnert, dass unter der Woche das Champions-League-Achtelfinale zu einem großen Teil ein Christian-Heidel-Achtelfinale war. Drei Mannschaften in diesem elitären Kreis wurden von Trainern trainiert, die Heidel entdeckt hat. Jürgen Klopp in Liverpool, Thomas Tuchel in Paris und, ja: Auch Domenico Tedesco und Schalke 04 hätten dort nicht gespielt, wenn Christian Heidel nicht gewesen wäre. Das Trainer-Finden war nie sein Problem. Seine Zeit auf Schalke geht aber nun zu Ende, weil fast alles andere zum Problem geworden ist.

Zu Heidels Unglück ist neben der Trainer-Position der Kader im Haupt-Verantwortlichkeitsbereich eines Sportvorstandes - und der Kader funktioniert nicht. In der Startaufstellung beim 0:3 gegen Mainz standen allein sechs Spieler, die Heidel im vergangenen Sommer oder im Winter geholt hatte. Der Verbund aus Salif Sané, Sebastian Rudy, Mark Uth, Jeffrey Bruma, Omar Mascarell und Steven Skrzybski funktionierte aber nicht. Vor allem Nationalspieler Rudy ist dabei zum Sinnbild geworden, als Tedesco den 16 Millionen Euro teuren Einkauf gegen den FC Bayern nach 33 Minuten auswechselte. Aus sportlichen Gründen.

Aber Rudy ist nur das anschaulichste Beispiel einer dysfunktionalen Gruppe. Im vergangenen Jahr coachte Tedesco die Schalker mit einer Defensiv-Taktik und den tragenden Spielern Naldo, Daniel Caligiuri und Leon Goretzka (und ja, auch Max Meyer) zur Vize-Meisterschaft. Von diesen Spielern ist nur noch Caligiuri da, die übrigen wurden nicht adäquat ersetzt. Aus der cleveren Taktik ist über weite Strecken Grusel-Fußball geworden. Wer defensiv spielt, braucht Spieler, die die Distanz zum gegnerischen Strafraum überwinden - und die hat Schalke nicht. Yevhen Konoplyanka und Amine Harit spielen zu unbeständig. Dass Breel Embolo ständig verletzt ist, ist einerseits Pech, gehört aber zu den Faktoren, die man bei der Zusammenstellung eines Kaders berücksichtigen muss.

Heidels Handeln ist respektabel

Der Klub ist 14. und damit zusammen mit dem VfB Stuttgart die Mannschaft, die am weitesten von ihren Saisonzielen entfernt ist. Und in solchen Situationen werden im Fußball gemeinhin die Verantwortlichen in Frage gestellt - in Stuttgart gingen Trainer Tayfun Korkut und Sportvorstand Michael Reschke.

Dass Heidel nun aus der immer lauter werdenden Debatte um ihn selbst Konsequenzen zieht, ist respektabel. Er verzichtet zudem auf eine Abfindung, löst seinen Vertrag im Juni auf und tritt bis dahin in den Hintergrund. Das passt zu seinem Charakter. Als er in Mainz 1992 anfing, arbeitete er jahrelang ehrenamtlich, mochte den Begriff aber nicht, weil das so klang, als sei Mainz nicht professionell.

Am Samstag sagte er vor der Kamera zu seinem möglichen Nachfolger, dem Ex-Leverkusener Manager Jonas Boldt, er hätte ihn schon im Sommer gern im Team gehabt. Aber die Idee ging für ihn nach hinten los. Denn als der mächtige Schalke-Boss Clemens Tönnies vor ein paar Wochen in einer kritischen Saisonphase eine mögliche Hilfe für Heidel öffentlich machte, hatte das den Effekt, dass Heidels Position nur noch schwächer wurde.

Vermutlich hätte er sich nach der Saison nicht halten können

Heidel beklagte außerdem die Berichterstattung des Boulevards, namentlich der Sport-Bild, die ihn über Wochen scharf attackierte und in einem Kommentar in der jüngsten Ausgabe dazu aufforderte, sich "zu schämen und zu gehen". Heidel sagte, er hätte seine Entscheidung schon vorher getroffen.

Heidel sagt, im Aufsichtsrat hätten Menschen um ihn gekämpft. Aber ob er sich mit der Bilanz von zwei enttäuschenden Saisons bei drei Versuchen (in Heidels erster Saison wurde Schalke Zehnter) hätte halten können? Vermutlich nicht. Unterm Strich hat das hochemotionale und hochnervöse Gebilde namens Schalke 04 nun einen weiteren Manager geschafft. Und diesmal einen, der eher mehr als weniger öffentlichen Gegenwind aushält.

Sollte Jonas Boldt wirklich Heidels Nachfolger werden, dann würde man jedenfalls einen Neuling in den Sturm stellen. In Leverkusen, wo Boldt vorher gearbeitet hat, nahm Rudi Völler immer die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Der kürzlich verstorbene Ex-Manager Rudi Assauer prägte den berühmt gewordenen Satz: "Entweder ich schaffe Schalke oder Schalke schafft mich." Die Trauer um ihn war auch so groß, weil er der letzte war, der Schalke richtig geschafft hat. Und Assauers Rückzug als Schalke-Manager ist 13 Jahre her.

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