Schalke gewinnt bei Borussia Dortmund:Klopps gescheitertes Experiment

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Dortmunds Trainer Jürgen Klopp reagiert mit einer gravierenden taktischen Umstellung auf den Ausfall von vier Stammspielern und verunsichert damit seine Mannschaft. Selbstbewusste Schalker nutzen die Schwächen geschickt aus und gewinnen zum ersten Mal nach vier sieglosen Derbys. Das Team von Huub Stevens distanziert den schwächelnden Meister damit deutlich.

Martin Anetzberger

Resultat des Revierderbys: Ein konsternierter Jürgen Klopp vor feiernden Schalkern. (Foto: AFP)

Jürgen Klopps Experiment endete in der 29. Minute. Der Dortmunder Trainer musste auf vier verletzte Stammspieler verzichten und daher einiges umstellen. So schickte er eine ungewohnte 3-5-2-Formation aufs Feld. Reus spielte neben Lewandowski im Sturm, hinten sollte eine Dreierkette Tore des Gegners verhindern, Dortmunds prominentester Schalke-Hasser Kevin Großkreutz durfte von Beginn an ran. Doch diese einschneidenden Umstellungen gingen im 141. Derby gegen Schalke 04 aus Sicht des BVB gehörig schief. Am Schluss stand ein 1:2 und der nächste Rückschlag in punkto Titelverteidigung.

"Wir haben kein gutes Spiel gemacht. Erst nach der Systemumstellung nach einer halben Stunde waren wir ein wenig stabiler. Wir haben zu wenig Fußball gespielt. Insgesamt war das ein verdienter Sieg für Schalke", sagte BVB-Coach Klopp. Schalkes Trainer Huub Stevens lobt seine Mannschaft: "Wir waren ein wenig überrascht, dass Dortmund in einer anderen Ordnung gespielt hat. Aber wir haben uns gut darauf eingestellt. Nach dem 1:2 haben alle super gekämpft und den Sieg verdient nach Hause gebracht."

In den Tagen vor dem Spiel war trotz der diesmal auch sportlich großen Bedeutung des Duells - es ging tatsächlich um die interne Tabellenführung im Ruhrpott und den Status als wichtigster Verfolger des souveränen FC Bayern - sehr wenig passiert. Ein Glasflaschenverbot in der Nähe des Stadions, 750 Polizisten mehr als gewöhnlich und ein kurzes Geplänkel zwischen den Klubchefs Clemens Tönnies und Hans-Joachim Watzke über die Körpersprache von BVB-Trainer Klopp: Das waren sie, die größten Aufreger. Die befreundeten Marco Reus und Roman Neustädter hatten gemeinsam - coole Baseballmützen tragend - auf einem Foto für einen "großartigen" und "fairen Derby-Nachmittag" geworben, Handshake inklusive.

Kuschelstimmung im Ruhrpott. Zuviel offenbar für einige gewaltbereite Anhänger auf beiden Seiten. Denn kurz vor dem Spiel berichtete die Polizei von Sachbeschädigungen und Schlägereien. Die Stimmung war am Samstag selbst durchaus aufgeheizt.

Den Spielern war diese Brisanz anzumerken. Beide Mannschaften gingen mit extrem hohem Tempo ins Spiel, zeigten großen körperlichen Einsatz und im Ansatz auch schöne Spielzüge, die in den ersten Minuten aber nicht zu Chancen führten. Die Schalker hatten dabei mehr Spielanteile und spielten in Richtung der gelb-schwarzen Südtribüne eher wie eine Heimmannschaft, Dortmund setzte zunächst auf Konter.

Doch diese Taktik mit einem engen Mittelfeld, das Schalkes Jefferson Farfan an der Spielgestaltung hindern sollte, ging nicht auf. Mario Götze, Jakub Blaszczykowski, Ilkay Gündogan und Marcel Schmelzer (allesamt verletzt) fehlten sichtlich. Der BVB blieb nach vorne zu ungefährlich und nach hinten zu passiv. So durfte Atsuto Uschida auf der rechten Seite ungestört auf Farfan zurücklegen, dessen Flanke klärte Sven Bender per Kopf auf den vollkommen ungedeckten Ibrahim Afellay. Sein strammer Rechtsschuss sprang vom linken Pfosten ins rechte Toreck - 1:0 für S04 (14.).

Nach dem Rückstand war Dortmund sichtlich angeschlagen, wurde noch passiver. Schalke ließ sich aber nicht zu einem Sturmlauf hinreißen, sondern griff weiter kontrolliert an. Reus, als ungewohnte zweite Sturmspitze, ließ sich zurückfallen, um mehr Bälle zu bekommen. Vergeblich. Nach der zweiten guten Chance für Schalke durch Klaas-Jan Huntelaar per Kopf hatte Klopp in der 29. Minute dann genug und beorderte Bender zu Lukas Piszczek, Neven Subotic und Mats Hummels in die gewohnte Viererkette.

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Chancen blieben weiter selten. Nach einem schönen Steilpass prüfte Reus Schalke-Keeper Lars Unnerstall mit einem mittelprächtigen Schuss zum ersten Mal, in der 44. Minute gab es die erste Ecke für Schwarz-Gelb. Danach ging es in die Kabinen.

Gleich steht es 1:0 für den FC Schalke. Ibrahim Afellay zieht ab. (Foto: REUTERS)

Wer von den Dortmunder Fans unter den mehr als 80.000 im Stadion in der zweiten Halbzeit auf Besserung hoffte, der bekam weniger als drei Minuten nach Wiederanpfiff einen heftigen Schock. Bei einem Konter der Schalker bediente Lewis Holtby Marco Höger nach einem von Huntelaar klug zurückgepassten Ball von der Mittellinie aus. Höger lief alleine auf BVB-Torwart Roman Weidenfeller zu und schloss souverän ins linke untere Eck ab (48.).

Klopp brachte daraufhin sofort Julian Schieber für Perisic. Wenige Minuten später zahlte Marco Reus wieder einen kleinen Teil seiner 18-Millionen-Ablöse an die Dortmunder zurück - in Form einer scharfen Freistoßflanke auf den Elfmeterpunkt, wo Robert Lewandowski den Ball mit dem Hinterkopf in der Tormitte platzierte. Wie aus dem Nichts der Anschlusstreffer. Augenblicke zuvor hatte Joel Matip nach einer Ecke aus einem Meter Entfernung die Entscheidung vergeben (53.). Jetzt ereilte die Schalker eine kurze Schockstarre, die Reus zu einem Dribbling in den Strafraum und einem Gewaltschuss ans Außennetz nutzte (57.).

Danach zeigten beide Teams ein Spiegelbild der ersten Spielminuten. Hohe Intensität und schnelles Spiel, die Mannschaft in Lauerstellung war nun jedoch Schalke. Der BVB versuchte die kontrollierte Offensive. Schalke vergab in Person von Affelay eine Konterchance (70.), Schieber zielte auf der Gegenseite genau auf Unnerstall (73.). Hummels agierte in dieser Phase als zusätzlicher Spielmacher, lief immer wieder den weiten Weg nach vorne und wieder zurück. Und die Dortmunder bestimmten auch mehr und mehr das Spiel, weil die Gäste die letzte Viertelstunde nur noch zur Verteidigung ihrer Führung nutzen wollten. Vor allem der für Sebastian Kehl eingewechselte Leonardo Bittencourt brachte vom rechten Flügel immer wieder gefährliche Bälle in die Mitte. Schalke-Coach Stevens schickte Tranquillo Barnetta und Jermaine Jones aufs Feld.

Doch am Schluss half den Dortmundern alles nichts, auch nicht die häufiger werdenden und beherzten Einzelaktionen von Marco Reus. Nach zuletzt vier sieglosen Derbys gewannen die Königsblauen in Dortmund, Huntelaar vergab kurz vor Schluss noch das 3:1. Schalke steht seiner ersten Meisterschaft damit fünf Punkte näher als Dortmund der zweiten Titelverteidigung. Wären da nicht noch Eintracht Frankfurt und der FC Bayern, der mit dem achten Sieg im achten Spiel einen Startrekord aufstellte.

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