Schalke 04:Einer wie Edi Glieder

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Günstig, dankbar und treffsicher: Der in der Winterpause verpflichtete Guido Burgstaller belebt die Schalker Offensive - und erzielt das Siegtor gegen Ingolstadt.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Rudi Assauer hat damals viel Arbeit investiert, um dem neuen und anspruchsvollen Trainer Jupp Heynckes eine Freude zu machen. Heynckes hatte zuvor schon bei Real Madrid und Bayern München gearbeitet und ließ selten die Gelegenheit aus, auf diese Referenzen hinzuweisen. Als ihm Assauer endlich den versprochenen Mittelstürmer vorstellte, hielt sich jedoch die Dankbarkeit des Trainers in Grenzen. Statt des Spaniers Fernando Morientes von Real Madrid - Heynckes' erklärtem "Lieblingsspieler" - präsentierte der Manager den 33-jährigen Edi Glieder, der einem Klub aus der österreichischen Kleinstadt Pasching angehört hatte und eindeutig nicht Heynckes' Lieblingsspieler war. Assauer selbst hatte den Neuen gescoutet, als er beim Training des Schalker UI-Cup-Gegners Pasching zuschaute.

Edi Glieder ist in Ehren in die Schalker Geschichte eingegangen, er findet dort mehr Beachtung als der Trainer Heynckes. Just dieser Tage war nun wieder öfter der Name Edi Glieder zu hören, nachdem Assauers Nachfolger Christian Heidel einen österreichischen Mittelstürmer unter Vertrag genommen hatte. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist Guido Burgstaller im besten Fußballeralter. Er ist 27 und er kam auch nicht von einem Verein, der seinen Namen an eine Supermarktkette verkauft hatte (FC Superfund), sondern vom ehrwürdigen Bundesgenossen 1. FC Nürnberg, für den Burgstaller in der zweiten Liga 14 Tore in 16 Spielen geschossen hatte. Dennoch wurde das Willkommen auf Schalke von Zweifeln begleitet. Ein Zweitligastürmer als Ersatzlösung für die verletzten Stars Huntelaar, di Santo und Embolo? Bild gab Burgstaller den Titel "Billig-Knipser", als ob man ihn im Discounter erstanden hätte.

Am Samstag gegen sechs Uhr rannten die Leute eilig herbei, als Burgstaller die Kabine verließ. Endlich. Sein Statement zum Spiel gegen den FC Ingolstadt war von Wichtigkeit, denn Burgstaller hatte nicht nur den Siegtreffer zum 1:0 erzielt, sondern ihm auch eine dramaturgische Note verpasst, weil er mit diesem Tor bis zur 92. Minute gewartet hatte. Längst hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Reihen auf den Rängen gelichtet, viele Leute waren vor der miesen Aufführung davongelaufen, was ihnen die Akteure nicht übelnahmen. Man dürfe dieses Spiel "echt nicht schön reden", sagte Benedikt Höwedes - "weil es nicht schön war". Erst in den finalen zwanzig Minuten fing Schalke an, den eigenen Erwartungen zu genügen. Trainer Markus Weinzierl machte dafür zwei Gründe aus: Erstens die Einwechslung von Burgstaller zur Pause, zweitens die Einwechslung von Donis Avdijaj in der 67. Minute.

Burgstaller ist ein großer, kräftiger Mann mit Vollbart, der seinen Körper mit diversen Tätowierungen hat versehen lassen. Aber auf Schalke hat er sich erst mal klein gemacht. "Stolz" sei er, bei diesem großen Klub gelandet zu sein, "da mussten keine großen Überredungskünste her", sagte er und bestätigte damit die Idee, die hinter seinem Engagement steht. Heidel hätte auch einen namhaften Spieler von Inter Mailand haben können, aber er wollte einen Mann, der für das Angebot aus Schalke dankbar ist. Und der keine hohen Kosten verursacht, bevor man ihn gegebenenfalls wieder weiterreicht, sobald die prominenten Leute zurück sind. Heidel favorisierte in der Tat einen "Billig-Knipser".

Die Begeisterung für die neue Bühne versetzte Guido Burgstaller in einen höheren Zustand und ließ ihn von der Stimmung im Stadion schwärmen, obwohl das Publikum durch die von beiden Teams verabreichte Dosis Rumpelfußball weitgehend sediert worden war. Es blieb Burgstaller vorbehalten, die Leute immer wieder aus der Dämmerung zu reißen. Das 1:0 hätte er schon in der 69. Minute erzielen können, an der besten Chance des Spiels durch Avdijaj (81.) war er als Vorlagengeber beteiligt, und als das Ende mit dem tristen Resultat nahte, sorgte er doch noch für den Schalker Urschrei, indem er mit langem Bein den abgefälschten Schuss seines Landsmannes Schöpf über die Linie beförderte. Ein original Torjäger-Tor, fast ein Edi-Glieder-Tor.

So rettete Guido Burgstaller den Schalkern den Einstieg ins neue Jahr, das wieder unselig begonnen hat. Dass Eric Maxim Choupo-Moting dank Fifa-Genehmigung gegen Ingolstadt spielen durfte, war zwar eine positive Überraschung. Aber der bürokratische Ärger um den Angreifer ist noch nicht ausgestanden. Heidel erklärte, dass der kamerunische Fußballverband wegen der Absage Choupo-Motings für den Afrika-Cup drei Millionen Euro Schadenersatz sowie eine Geldbuße für Schalke fordert - "für einen Spieler, der gar nicht zum Afrika-Cup eingeladen wurde". Die andere Neuigkeit vom Afrika-Cup ist noch schlechter: Wie Untersuchungen ergaben, hat Verteidiger Abdul Rahman Baba beim Einsatz für Ghana einen Kreuzbandriss erlitten. Ob Baba, Leihgabe des FC Chelsea, nochmal für Schalke spielen wird, ist ungewiss, aber unwahrscheinlich.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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