0:4 gegen Düsseldorf:Schalke wird zum Ort des Horrors

FC Schalke 04 v Fortuna Duesseldorf - Bundesliga

Nimmt die Schuld auf sich: Trainer Domenico Tedesco auf dem Weg in die Kurve.

(Foto: Stuart Franklin/Getty Images)
  • Der FC Schalke 04 bietet beim 0:4 gegen Fortuna Düsseldorf ein erschreckendes Bild.
  • Die Fans beschimpfen Mannschaft und Trainer, Domenico Tedesco winkt wie zum Abschied in die Kurve.
  • Tedesco steht vor dem Aus. Dennoch sagt er vorm Sky-Mikrofon: "Ich bin keiner, der sich verpisst."

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

An Appellen und Parolen hatte es nicht gemangelt vor dem Duell zwischen Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf. Die Hausherren gelobten wortreich Besserung nach dem 0:3 in Mainz vom vorigen Wochenende, dem anerkannt schwächsten Saisonauftritt des Vizemeisters. Aber wer geglaubt hatte, es könne jetzt nur noch aufwärtsgehen, der sah sich getäuscht. Wenn schon Krise, dann richtig, und so folgte dem Tiefpunkt der Tiefpunkte, der in Mainz gemessen worden war, ein weiterer noch tieferer Tiefpunkt.

Noch nie hatten die Düsseldorfer in Gelsenkirchen so leichtes Spiel wie am Samstag. Dass nach Schalkes 0:4 gegen den Aufsteiger nicht die Mauern bebten im Krach der Pfiffe und Buhrufe, das lag lediglich daran, dass die meisten Mitglieder der königsblauen Gemeinde den Ort des Horrors bereits verlassen hatten. Trainer Domenico Tedesco wagte sich nach dem Abpfiff, der Mannschaft voranschreitend, geradezu todesmutig vor die tobende Fankurve und empfing den Zorn der Getreuen. Er wurde beschimpft und mit Gegenständen beworfen. Tedesco winkte wie zum Abschied.

"Das ist das Mindeste, was wir machen können: Uns dem Publikum stellen. Der Auftritt heute war leer, komplett mutlos", sagte Tedesco im Sky-Interview. Auf die Frage, ob er zurücktreten werde, sagte er: "Ich bin keiner, der sich verpisst."

Wie lange traut Schalke dem Trainer noch zu, den Absturz zu stoppen?

Der Verdacht, dass Tedesco zum letzten Mal diesen Gang angetreten hat, liegt dennoch nahe. Denn auch in der Tabelle nimmt der Abwärtstrend einer zurzeit in allen Einzelteilen desolaten Mannschaft sichtbar Formen an. Wie lange traut der Verein dem jungen Trainer noch zu, den Absturz zu stoppen? Der neue Sportvorstand Jochen Schneider, auf der Haupttribüne Zeuge des Debakels, muss zum Amtsantritt gleich eine essentielle Entscheidung treffen. Allerdings frühestens am Dienstag, wie Aufsichtsratschef Clemens Tönnies erklärte. Dann werde sich Schneider "zur Lage äußern".

Das Spiel war keine zwei Minuten alt, da hatten die Zuschauer schon eine klare Kenntnis dessen, was sie zu erwarten hatten. Die Fortuna richtete sich entspannt in einer kompakten Defensive ein, die Schalker sahen sich vor die Aufgabe gestellt, Löcher in die dichte Deckung zu spielen - eine Herausforderung, die sie in dieser Saison schon einige Male überfordert hat, und die sie auch diesmal scheitern ließ.

Domenico Tedesco hatte eine Offensive formiert, in der Mark Uth und der nach langer Verletzungspause halbwegs wiederhergestellte Guido Burgstaller die vorderen Positionen besetzten, Amine Harit sollte ihnen aus dem offensiven Mittelfeld Zuspiele liefern. Doch dazu kam es nicht. Wenn Harit überhaupt in die Verlegenheit versetzt wurde, ins Spiel einzugreifen, dann empfingen ihn die Fortunen stets in Überzahl.

Wut und Empörung machen sich breit

Auch das Schalker Flügelspiel blieb eine unerfüllte Hoffnung. Daniel Caligiuri wurde von Nico Gießelmann und Marcel Sobottka konzertiert bearbeitet, und auf der linken Seite warf Hamza Mendyl in Vertretung des verletzten Bastian Oczipka wieder grundsätzliche Fragen auf. Eine lautete: Warum hat Schalke für ihn im Sommer sieben Millionen Euro bezahlt? Die andere: Warum ging Tedesco wider besseren Wissens erneut das Risiko ein, den 20-jährigen Mendyl anspruchsvoll in Dienst zu nehmen, bevor dieser seinen gewaltigen Nachholbedarf an Fußball-ABC gestillt hat. Auch diesmal war der Marokkaner seinem Team weniger Hilfe als Hindernis.

Die Ausgangslage prägte das Spiel: Fortuna ließ Schalke den Druck der Erwartungen spüren, den das heimische Publikum setzte; die Schalker taten sich mit jedem Schritt immer schwerer. Man tauschte sozusagen die Rollen: Fortuna spielte souverän wie ein Champions-League-Klub, Schalke verkrampft und minderbemittelt wie ein Aufsteiger, der auf geradem Weg wieder abwärts fährt. Vor dem 0:1 durch Dodi Lukebakio bewahrte die Hausherren noch der Videobeweis, der ein vorausgegangenes Foul an Harit offenbarte, aber es war nur ein aufgeschobener Schrecken. Lukebakio traf dann eben ein paar Minuten darauf per Elfmeter (35.), auch diesmal mit dem Segen des Videoschiedsrichters, der Matija Nastasics Handspiel entlarvt hatte. Die Pausenführung entsprach dem Spielverlauf, die Pfiffe der Einheimischen ebenfalls.

Zur zweiten Halbzeit entwickelten die Schalker tatsächlich gewisse Ansätze von Torgefahr, es gab sogar eine veritable Torchance durch Harit, die Michael Rensing im Düsseldorfer Tor vereitelte. Doch dann begann das königsblaue Unheil. Wieder mal hatte sich Mendyl im Zweikampf anfängerhaft ausspielen lassen, und dann riss Benito Raman mit einem schlauen Steilpass den Rest der Schalker Deckung entzwei und öffnete damit Dawid Kownacki den Raum zum ungestörten Torschuss. Der polnische Leihstürmer, im Winter aus Italien gekommen, traf cool ins Eck (62.).

Wut und Empörung machten sich nun breit im weiten Rund, doch dieses war ja nicht der letzte Streich der Düsseldorfer. Wieder boten die Schalker, diesmal durch Benjamin Stamboulis Abspielfehler, Platz zum Kontern, Lukebakio bediente Raman, und der schoss den Ball einfach mal in den Winkel (68.). Alexander Nübel im Schalker Tor war auch diesmal chancenlos.

Diese Niederlage hatte nun so niederschmetternde Ausmaße erreicht, dass die Schalker Anhänger, wenn sie nicht schon geflohen waren, dem Elend nur noch schweigend zusahen. Lediglich noch einmal regten sich ihre Hände in der königsblauen Nordkurve zum Beifall. Als Kownacki mit einem Abstauber das 0:4 erzielte (84.) gab es höhnischen Applaus, nach dem Spiel versammelten sich Spieler und Trainer dann vor der Kurve. Stambouli, dem Kapitän, wurde symbolisch die Binde abgenommen, spätestens da schien er den Ernst der Lage erkannt zu haben. Mit Tränen in den Augen sagte er später vielsagend: "Wir sind kleine Spieler, Schalke ein großer Verein."

Zur SZ-Startseite
Christian Heidel beim Bundesliga-Spiel Schalke 04 gegen den VfL Wolfsburg

Abschied des Managers
:Wie Heidel die Lust an Schalke verlor

Der scheidende Sportvorstand sieht eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität im Klub. Ein Nachfolger zeichnet sich ab, um Trainer Tedesco wird es einsam.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: