Schalke dominiert Frankfurt:Der kleine große Unterschied

Ein gefestigter FC Schalke bietet in Frankfurt eine Vorstellung, die der Konkurrenz Sorgen bereiten dürfte.

Christoph Hickmann

Friedhelm Funkel konnte sich nicht losreißen, noch nicht. Das Spiel war vorbei, die anschließende Pressekonferenz ebenfalls, der Eintracht-Trainer stand vor einem der vielen Fernsehgeräte im Pressebereich der Frankfurter Arena.

Es liefen dort die entscheidenden Szenen des Spiels gegen den FC Schalke 04, und als auf dem Bildschirm Kevin Kuranyi aus dem Mittelfeld zu Gustavo Varela passte und der den Ball ohne weitere Sperenzchen ins Tor schoss, gab Funkel ein Geräusch von sich, das näherungsweise mit dem eines schwer erkälteten sowie brünftigen Damhirschs vergleichbar war.

Streit vergibt

Das war weniger als Ausdruck der Verärgerung denn einer vorbehaltlosen Bewunderung zu verstehen, die er auch für die nächste Szene übrig hatte, diesmal mit Akteuren aus seiner Mannschaft: Pass Alexander Meier auf Albert Streit, Streit vergibt aus spitzem Winkel.

"Super gespielt, super gelaufen", sagte Funkel und schüttelte dennoch den Kopf, sah er doch seine in der Pressekonferenz mitgeteilte Analyse ziemlich genau bestätigt: Um zwei "identische Situationen" habe es sich bei den Szenen der ersten Hälfte gehandelt - bis zu deren jeweiligem Abschluss: "Der Unterschied zwischen einer Mannschaft, die deutscher Meister werden will und kann, und einer Mannschaft, die um den Klassenerhalt spielt, liegt im Ausnutzen der Torchancen", so hatte Funkel sein Fazit des Nachmittags umschrieben.

Zufälliger Ausgleich

Ganz so einfach allerdings war der Kontrast zwischen den Teams, der letztlich zum 3:1-Sieg der Schalker führte, dann doch nicht zu erklären. Gerade während der ersten Hälfte hatte man ihn auch im Mittelfeld besichtigen können, wo die Schalker um Lincoln und vor allem Levan Kobiashvili den Ball souverän hielten, um dann mehrmals derart überraschend in die Spitze zu spielen, dass es nicht beim 1:0 zur Pause hätte bleiben müssen.

Vom schnellen Passspiel, mit dem die Mannschaft vor der Winterpause beeindruckt und gar Vergleiche mit dem FC Arsenal provoziert hatte, war am Samstag nicht viel zu sehen; stattdessen agierten die Schalker so kontrolliert, als seien sie noch in weiteren Wettbewerben vertreten und müssten möglichst ökonomisch drei Punkte holen.

Treten Fußballteams so auf, summieren Kommentatoren das gern unter dem Begriff vom "Auftreten einer Spitzenmannschaft" sowie dem Adjektiv "abgeklärt". Wie schnell das allerdings ins Gegenteil umschlagen kann, zeigte sich in Halbzeit zwei: Nach dem eher zufällig entstandenen Ausgleich durch Takahara wirkten die Schalker auf einmal nicht mehr sonderlich souverän. Was zuvor nach Cleverness ausgesehen hatte, wirkte nun fast ideenlos - bis dann Kevin Kuranyi das 2:1 köpfte, um kurz vor Schluss nach einem Konter noch sein zweites Tor zu schießen.

Kevin, das Sinnbild

Kuranyi war insofern ein gutes Sinnbild für diesen Schalker Eindruck nach der Winterpause: nicht eben atemberaubend, dafür effektiv und willensstark. Es sieht ja manchmal recht eigenwillig aus, wie der Stürmer mit dem Ball umgeht, was naturgemäß besonders dann auffällt, wenn er dabei am Gegner scheitert. Wie schnell man diesen Spieler deshalb verkennt, zeigte sich am Samstag - sein entscheidender Pass auf Varela war noch eindrucksvoller als die beiden Tore.

Entsprechend aufgeregt war hinterher von Kuranyi die Rede. Schalke-Trainer Mirko Slomka vergaß in keinem Interview, dessen Arbeit während der Winterpause hervorzuheben: "Keine Trainingsminute" habe er verpasst. Kuranyi selbst verwendete auffallend oft das Wort "kämpfen", so dass sich ein Gesamtbild ergab: Diese Schalker wollen etwas. Den Meistertitel. Und zwar diesmal wirklich

Am Samstag strahlten sie jene Ruhe und Souveränität aus, die es dafür brauchen wird und die ihnen in vergangenen Spielzeiten immer wieder gefehlt hatte. Die Eleganz etwa der Bremer Angriffsmaschinerie werden sie kaum erreichen, doch der Auftritt von Frankfurt dürfte die Konkurrenz durchaus ein wenig beunruhigen. Slomka beschied den aufgeregten Fragern denn auch: "Wir haben ein ganz klares Ziel vor Augen."

Nächtliche Ausschweifungen

Das wiederum haben die Schalker in der jüngeren Vergangenheit ja derart häufig verkündet, dass sie damit zuletzt eher an die Beteuerungen des zwar begabten, doch notorisch zu nächtlichen Ausschweifungen neigenden Jungmanagers erinnerten, demnächst das Rennen um den Abteilungsleiterposten zu machen.

Slomka könnte es nun tatsächlich gelingen, aus diesem Ensemble eine Einheit zu modellieren. Dass er mit seiner Art der Personalführung so falsch nicht liegen kann, war nicht nur in Mittelfeld und Sturm zu sehen, sondern auch auf der Torlinie: Dort reagierte Manuel Neuer, am inzwischen nach Hamburg geflüchteten Frank Rost vorbei zur Schalker Nummer Eins befördert, einige Male hervorragend. Da blieb auch Friedhelm Funkel nichts, als abermals den Kopf zu schütteln.

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