Torwart von S04:Schalkes Mini-Neuer heißt Nübel

FC Schalke 04 - VfL Wolfsburg

Alexander Nübel überzeugte im Schalker Tor.

(Foto: dpa)
  • Der letzte echte Schalker muss weichen: Kapitän Ralf Fährmann verliert seinen Platz im Tor.
  • Sein Nachfolger Alexander Nübel hat Ähnlichkeiten mit Manuel Neuer und trägt bereits den Spitznamen "Mini-Manu ".
  • Die Fans feiern den neuen Mann zwischen den Pfosten mit Sprechchören.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Als Ralf Fährmann, 30, die Kabine verließ, herrschte auf beiden Seiten Schweigen. Weder nahm der Kapitän des FC Schalke 04 Stellung zum nach herrschender Meinung hochgradig bedeutsamen 2:1-Sieg gegen den VfL Wolfsburg, noch haben ihn die ständigen Berichterstatter darum gebeten. Letzteres ließ sich als Zeichen der Rücksichtnahme durch die Reporter interpretieren, denn Fährmann hatte einen zwiespältigen Abend hinter sich.

Einerseits hatte er Grund, sich über einen Erfolg in prekärer Lage zu freuen, andererseits hatte er eine persönliche Niederlage erfahren, deren Ausmaß noch nicht abzusehen ist. Am Tag vor dem Spiel hatte ihm Trainer Domenico Tedesco mitgeteilt, dass an seiner Stelle Alexander Nübel, 22, im Tor stehen werde, und dieser Beschluss könnte, auch wenn Tedesco von einer "Momentaufnahme" sprach, für eine Weile Bestand haben. Fortgesetzte "Unsicherheiten" hatte Tedesco beim Routinier ausgemacht, "wir hatten das Gefühl, dass Ralf nicht frei im Kopf ist".

Fürs Erste trug Fährmann sein Los mit Fassung. Vor dem Spiel wünschte er dem jungen Kollegen demonstrativ Glück, nach dem Spiel verlor er keine Zeit, um als Gratulant vorstellig zu werden und den Thronräuber herzlich zu umarmen. Der Rest waren Solidaritätsadressen wie die des Doppeltorschützen Daniel Caligiuri. "Ralle ist unser Kapitän, unser Anführer, er strahlt Persönlichkeit aus", erklärte er, durch den Postenwechsel werde sich daran nichts ändern. Verteidiger Benjamin Stambouli, der durch den Torwarttausch und das Entschwinden des vormaligen Stellvertreters Naldo nach Monaco zum neuen Vorarbeiter befördert wurde, hob hervor, die Schleife um den Arm nur geborgt zu haben: "Unser Kapitän ist nach wie vor Ralf Fährmann. Er ist in Schalke eine Legende."

Die Beschwörung des Legendenstatus beruht nicht mal auf Heldendichtung, Fährmann ist nach dem massenhaften Exodus der jungen Stars aus der Nachwuchsschule "Knappenschmiede" tatsächlich so was wie der letzte Schalker, der den Fans und dem binnen drei Jahren radikal umgebauten Team geblieben ist. Manuel Neuer, Joel Matip, Julian Draxler, Leroy Sané, Benedikt Höwedes - alle zogen sie es vor, in der Fremde Karriere zu machen, nur Fährmann sah dieses Verlangen schon dadurch erfüllt, dass er für Schalke spielen durfte.

Als 14-Jähriger war er aus Chemnitz nach Gelsenkirchen gekommen und wurde dort so heimisch, dass er sich beim zwischenzeitlichen Wechsel nach Frankfurt eine Rückkehrklausel festschreiben ließ. Beides, der Wechsel und der Sonderpassus, hatte mit Manuel Neuer zu tun: Zur Eintracht ging Fährmann, weil er an der Nummer Eins-A Neuer nicht vorbeikam, die Klausel ließ er vorsorglich aufnehmen - es war absehbar, dass sich Neuer einem noch größeren Klub als Schalke anschließen würde. So kehrte Fährmann im selben Sommer 2011 nach Schalke zurück, in dem Neuer nach München zog.

Ausstrahlung einer Torwart-Persönlichkeit

Nun ist es fast eine ironische Note, dass er einem Torwart weichen muss, den maßgebende Leute im Verein als "Mini-Neuer" bezeichnen, wobei sich "Mini" nicht auf die Körpergröße bezieht (beide sind 1,93 Meter groß). Mini-Manu Nübel, vor drei Jahren gegen eine halbe Million Euro Ablöse in Paderborn abgeworben, besitzt wie der junge Neuer eine Eigenschaft, die auf den ersten Blick auffällt: die Ausstrahlung einer Torwart-Persönlichkeit.

Der junge Neuer war nicht frei von Nervosität, als er im August 2006 aushilfsweise bei den Profis debütierte, dennoch war sein spezielles Talent sofort erkennbar. Ein paar Monate später gab Trainer Mirko Slomka in einer Situation, die ähnlich heikel war wie die, in der sein Nachfahre Tedesco derzeit steckt, dem jungen Neuer den Vorzug vor dem 33 Jahre alten Frank Rost. Weitere zwei Monate später wechselte Rost nach Hamburg, er wolle "kein Sitzfußballer" sein, sagte er.

Auch Fährmann musste am Sonntag erfahren, dass selbst der letzte Schalker irgendwie austauschbar ist. Schon nach vier Minuten war sein verehrtes Publikum bereit, den vorläufig neuen Mann in die Mitte zu nehmen. Mit Sprechchören wurde Nübel gefeiert, als er spektakulär einen Kopfball von Mehmedi abwehrte. Tedescos gewagter Zug glückte. Auch Nübel unterliefen zwar ein, zwei Fehlerchen, aber generell bewahrte er, wie das seine besondere Art ist, eine für sein Alter beachtliche Ruhe und Coolness. Von seinen exzellenten Fähigkeiten als Feldspieler musste er dabei nicht mal Gebrauch machen.

Tedesco versicherte, er habe hart mit sich gerungen vor dieser sportlich riskanten und menschlich schwierigen Torwart-Entscheidung, "die letzten Tage und Nächte waren für mich und das Trainerteam nicht einfach", erzählte er, und wenn diese Worte auch ein wenig melodramatisch erschienen, reichte doch ein Blick in Tedescos müdes Gesicht, um sie für wahr zu halten. Auf Schalke machen sich die Verantwortlichen deshalb nicht nur um den Tabellenstand Sorgen. "Wie Alice Cooper", das heißt: ernsthaft beängstigend, habe der krisengeplagte Tedesco zwischenzeitlich ausgesehen, erzählte ein wichtiger Vereinsmann. Und wahrhaftig: Coopers Hit "Welcome to my Nightmare", willkommen zu meinem Albtraum, ist kein schlechter Titel für den Schalker Saisonverlauf. Auch Fährmann kann da jetzt einstimmen.

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