Schalke 04:Blauer Versuchsballon

Mit einem 35 Millionen Euro teuren Paket an neuen Spielern geht Schalkes Trainer Magath nach dem Fehlstart einen riskanten Weg. Die Mannschaft steht bereits an diesem Freitag in Hoffenheim unter Druck.

Ulrich Hartmann

Es ist eineinhalb Jahre her, dass der Niederländer Klaas-Jan Huntelaar und der Spanier Raúl González Blanco zuletzt gemeinsam einen tollen Fußballtag erlebt haben. Am 21. Februar 2009 haben sie im Estadio Santiago Bernabeu nebeneinander für Real Madrid gestürmt, jeder von ihnen hat zwei Tore beigesteuert, und am Ende hatte Madrid gegen Betis Sevilla vor 80.000 Zuschauern 6:1 gewonnen. Der Westfale Christoph Metzelder hat sich an jenem Samstag auf der Ersatzbank mitfreuen müssen. Die drei haben im Frühjahr 2009 insgesamt nur sechs Mal gemeinsam für Real Madrid auf dem Platz gestanden. Nach jener Saison, die Real hinter dem FC Barcelona auf Platz zwei beendete, wechselte Huntelaar zum AC Mailand, und Metzelder spielte überhaupt nur noch zwei Mal für Real in der Primera Division. Bloß Raúl blieb Stammkraft.

Neuzugang Huntelaar bei Schalke 04 vorgestellt

Ein Neuer für Magath: Klaas-Jan Huntelaar (rechts).

(Foto: dpa)

An diesem Freitag tragen alle drei erstmals wieder ein einheitliches Trikot. Huntelaar, Raúl und Metzelder spielen für den FC Schalke 04 und gastieren mit ihrem neuen Verein in der Rhein-Neckar-Arena im badischen Städtchen Sinsheim. Auch der Spanier José Manuel Jurado wird für Schalke zum Gastspiel beim Bundesliga-Tabellenführer TSG Hoffenheim auflaufen, also sogar ein vierter ehemaliger Spieler von Real Madrid. Allerdings hatte Jurado vor fünf Jahren - als damals 19-Jähriger - bloß drei Kurzeinsätze mit insgesamt 25 Minuten. Man darf folglich nicht erwarten, dass die vier ehemaligen Real-Profis, die nun für Schalke spielen, sich bereits gut kennen, dass sie die jeweiligen Laufwege erahnen und sofort harmonieren.

Traumsieg? Remis? Debakel?

"Wir werden sicher nicht gleich wie aus einem Guss spielen", sagt der Schalker Trainer Felix Magath, der überhaupt nicht weiß, was ihn an diesem Freitagabend erwartet: ein Traumsieg, ein laues Remis, gar ein Debakel? "Wahrscheinlich nicht gleich Hurra-Fußball", vermutet Magath. Nach zwei Niederlagen zum Saison-Auftakt und just zu Beginn einer wegweisenden Phase mit sieben Pflichtspielen binnen 23 Tagen steht die neue Schalker Mannschaft am Anfang eines Harmonisierungsprozesses, der möglicherweise erst dann abgeschlossen sein könnte, wenn die Saisonziele schon außer Reichweite geraten sind.

Magath hat rund 35 Millionen Euro in neue Spieler investiert und auch durch WM-bedingte Verzögerungen im sommerlichen Transfergeschäft erst jetzt eine Mannschaft beisammen, wie er sie sich ungefähr vorgestellt hatte. Finanzielle Limits haben ihn zum einen oder anderen Kompromiss gezwungen, und der Innenverteidiger Metzelder hat bislang als designierter Abwehrchef nicht annähernd so gut gespielt, wie Magath sich das erhofft hatte. Aber mit Jurado, Raúl und Huntelaar besitzt er nun ein potentes offensives Trio, das in Sinsheim erstmals gemeinsam spielt.

Taktischer Findungs-Prozess

Erst seit Mittwoch trainieren die Neuen miteinander, und Magath weiß auch noch nicht so richtig, wie er seine Mannschaft aufstellen soll. Von den einschlägigen Formationen 4-3-3 über 4-4-2 mit zwei defensiven Mittelfeldspielern bis zum 4-4-2 mit Mittelfeld-Raute ist alles denkbar. "Das muss sich im Training zeigen", sagt Magath, "aber mehr als drei Einheiten waren vor dem ersten Spiel leider gar nicht möglich".

Bayer Leverkusen v Schalke 04 - Friendly Match

Noch ein Neuer: José Jurado.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

1:2 in Hamburg und 1:2 gegen Hannover hatte das personell noch halbfertige Schalke im August die ersten beiden Bundesligaspiele verloren. Eine dritte Niederlage würde die Sorgen größer machen. Die Partie gegen die zweimal siegreichen Hoffenheimer ist ein taktischer Versuchsballon, der leicht platzen kann.

Magath sagt, er favorisiere eine Formation "mit zwei Stürmern und einer Mittelfeldraute". Raúl und Huntelaar würden die beiden Stürmer geben, Jurado den zentralen offensiven Spielgestalter und Jefferson Farfan (rechts) und Ivan Rakitic (links) möglicherweise die beiden Außenspieler in der Raute. Auf der hinteren Rautenspitze als Mann vor der Abwehrkette könnte Jermaine Jones spielen.

Einen taktischen Findungs-Prozess, wie ihn Magath in dieser wichtigen Frühphase der Saison steuern muss, bringen Bundesligateams normalerweise bereits in der Saisonvorbereitung im Juli hinter sich. Doch die WM, Schalkes Schizophrenie aus sportlichem Ehrgeiz und Geldproblemen sowie ein sich verschleppender kontinentaler Transfermarkt haben die Kaderplanung bis in jenen September hinein verzögert, in dem für Magath und Schalke von diesem Freitag an gleich sieben wichtige Spiele binnen drei Wochen anstehen.

Nach der Bundesligapartie in Hoffenheim gastiert das Team am Dienstag zum Champions-League-Auftakt bei Olympique Lyon. "Ich war bereit, ein Risiko auf mich zu nehmen", sagt Magath über die vielen Unwägbarkeiten zu Beginn seiner zweiten Saison bei Schalke. Das Risiko ist nun aufgenommen, und es steht noch lange nicht fest, ob das alles gut ausgeht. Noch ist offen, wann Klaas-Jan Huntelaar und Raúl González Blanco gemeinsam mal wieder einen tollen Fußballtag erleben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: