Schalke 04:Auflehnung in neuem Gewand

VfL Wolfsburg - FC Schalke 04

Selbst ein Schiedsrichter-Geschenk (das Foul von Gustavo, links, gegen Schalkes Verteidiger Höwedes blieb ungeahndet) half Wolfsburg nicht, den ersten Heimsieg zu schaffen.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Die Abwehr steht: Schalke nimmt nach dem 1:0 in Wolfsburg die ursprünglichen Saisonziele wieder ins Visier.

Von JAVIER CÁCERES, Wolfsburg

Die Laune der Schalker war nach dem Ende der Partie famos, wer wollte es ihnen auch verdenken, dass sie zu Scherzen aufgelegt waren. "War kein Elfmeter. Hab's genau gesehen", witzelte etwa Manager Christian Heidel, als Kapitän Benedikt Höwedes im Kabinengang seinen Weg kreuzte. Heidel spielte auf die Szene aus der 61. Minute an, von der Höwedes selbst sagen sollte, dass sie "am Ende zum Glück nicht spielentscheidend war", obwohl sie es vielleicht doch war, der Fußball ist, wie das Leben selbst, voller paradoxer Begebenheiten. Da war Höwedes sechs Meter vor dem Wolfsburger Tor zu Fall gekommen, Luiz Gustavo hatte an seinem Leibchen gezogen und war ihm in die Hacken gefallen. Doch Schiedsrichter Felix Zwayer pfiff den zwingenden Elfmeter nicht, und das hatte Folgen.

Höwedes erklärte Zwayer nun ausführlich, dass er damit einen konzeptionellen Fehler begangen habe: Wenn ein Spieler in so einer Situation vor dem Tor stehe, sich als Schütze die Ecke aussuchen könne, in die man den Ball jagen könne, falle man "nicht ohne Grund", erläuterte Höwedes. Und anders als von Höwedes vermutet, war die Szene doch spielentscheidend, weil der Gefühlsausbruch des Kapitäns der Partie im Allgemeinen und der Schalker Elf im Besonderen die Emotionen verlieh, die letztlich den Sieg begründeten. Eine Stunde lang hatten sich die 22 Akteure zuvor wie stramme, disziplinierte Soldaten geriert, die ihre Arbeit nach Vorschrift, aber ohne viel Finesse verrichteten. In der Halbzeit hätten die Schalker "die richtigen Worte gefunden", berichtete Höwedes später, und im Ergebnis "deutlich präsenter" und vor allem mit "mehr Mut" agiert.

Keine Hoffnung auf Besserung: Der VfL Wolfsburg rutscht dem Relegationsplatz entgegen

Die Benachteiligung durch den Referee war so etwas wie das Fanal, das die Schalker benötigten, um sich aufzulehnen und den ersten Auswärtssieg der Saison zu erzielen. Zumindest kamen erst danach die ersten wirklichen Chancen der Schalker zustande, durch Eric Maxim Choupo-Moting und Alessandro Schöpf, ehe in der 82. Minute der einzige Treffer der Partie durch Nationalspieler Leon Goretzka fiel. Dass er nach einer Linksflanke den Ball nicht voll traf, sondern mit etwas Glück einen tückischen Aufsetzer fabrizierte, der im Wolfsburger Netz landete, passte in den Schalker Herbst-Flow. "Was wir an Pech in den ersten fünf Spielen hatten, das holen wir uns momentan ein bisschen zurück", sagte Manager Heidel.

Die ersten fünf Spiele hatten die Schalker bekanntlich ausnahmslos verloren, jene unheimliche Serie hängt ihnen immer noch nach. Mittlerweile haben sie aber schon zehn Pflichtspiele ohne Niederlage aneinandergereiht, in der Bundesliga holten sie aus den letzten sechs Spielen vierzehn von achtzehn möglichen Punkten. Das liegt nicht nur, aber auch an der Defensive, die seit der Umstellung auf ein 3-5-2-System besser funktioniert, unter anderem weil der alternde Innenverteidiger Naldo kleinere Räume zu überwachen hat als vorher, wie Trainer Markus Weinzierl ausführte. Heidel wies auf einen interessanten, aber kaum beachteten statistischen Wert hin: Trotz der Niederlagenserie vom Saisonbeginn hat Schalke nur zwölf Gegentore kassiert, Teams mit besseren Werten stehen im oberen Tabellendrittel.

Höwedes wollte die Verantwortung dafür aber auf vielen Schultern verteilt wissen, nicht nur jenen der Abwehrspieler. "Eigenlob stinkt immer so ein bisschen. Es ist eine Mannschaftsleistung", sagte der Kapitän. "Die Stürmer fangen an, zu attackieren. Alle arbeiten konstruktiv. Der Lauf kommt nicht von ungefähr, er kommt von harter Arbeit."

Von solchen Idealen sind die Wolfsburger zurzeit so weit entfernt wie von ihren Saisonzielen. Die Art und Weise, wie das Gegentor zustande kam, sprach in den Augen des erst vor wenigen Tagen zum Cheftrainer beförderten Valérien Ismaël Bände. Eigentlich wäre es einfach gewesen, den Treffer zu verhindern, doch seine Mannschaft sei "nicht im höchsten Tempo" zurückgekommen. "Ich erwarte, dass sie in solchen Situationen alles reinwerfen", fügte er enttäuscht hinzu. Schlimmer wog fast, dass Wolfsburg keine Torchance fabrizierte, der Hoffnung auf den ersten Heimsieg der Saison hätte machen können. Stattdessen trennen den VfL nur noch wenige Punkte vom Relegationsplatz. Schalke hingegen macht sich berechtigte Hoffnungen, gegen Ende der Hinrunde wieder auf Tuchfühlung mit den Mannschaften zu sein, die von einer Teilnahme an europäischen Wettbewerben träumen.

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