Süddeutsche Zeitung

Schalke-Angreifer Gregoritsch:"Ein sehr schlauer Fußballspieler"

In der Hinrunde kam Michael Gregoritsch in Augsburg kaum zum Einsatz, nun spielt er bei Schalke und entscheidet gleich die erste Partie gegen Gladbach.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Als sein Berater ihm vor ein paar Wochen mitteilte, der FC Schalke 04 habe sich gemeldet, hat Michael Gregoritsch an einen Witz geglaubt. Er hielt es für abwegig, dass sich der Tabellenfünfte für ihn interessierte, nachdem er während der Hinrunde für den FC Augsburg insgesamt 303 Minuten in der Bundesliga gespielt hatte, die letzten fünf davon Anfang November beim Heimspiel gegen - Schalke 04.

Aber die Gelsenkirchener meinten es tatsächlich ernst mit ihrer Anfrage, und wie ernst sie es meinten, das erfuhr der 25 Jahre alte Österreicher spätestens am Freitagabend, als er zur Startelf im Spitzenspiel gegen Borussia Mönchengladbach gehörte. Gregoritsch war anschließend der Mann, über den alle redeten.

Zum 2:0-Sieg der Gastgeber samt starker Gesamtvorstellung trug er eine Torvorlage, ein Tor und eine Rettungstat auf der Torlinie bei, seine Leistung gab Anlass zu vielerlei Komplimenten. Dennoch sah Gregoritsch Bedarf, ein strenges Wort mit dem Trainer zu reden. Zuletzt in Augsburg hatte er sich zwar nach Einsätzen gesehnt, nun aber war es ihm des Guten zu viel: "Ich muss noch mal mit dem Trainer sprechen, weil ich vielleicht ein, zwei Minuten früher rauswollte", sagte der Angreifer, der auf dem letzten Kilometer seines Debüts sichtlich nur noch mit großer Überwindung vorankam.

Schalke gewann die wichtigsten Zweikämpfe

Als Gregoritsch, mangels Beschäftigung beim FCA noch nicht in voller Wettkampfverfassung, endlich zur Auswechslung schreiten durfte, hatte die Schlussphase der Partie bereits begonnen. Sie hielt allerdings dem Tempo und der Intensität der ersten Stunde nicht stand, obwohl beide Trainer das Maximum ihrer Wechselmöglichkeiten genutzt hatten.

Während die Schalker mit müden Beinen ihren Strafraum verteidigten, in zunehmender Frequenz unter Zuhilfenahme höchst gewöhnlicher (und trotzdem heftig bejubelter) Befreiungsschläge, wussten die Gladbacher lediglich noch den Anschein einer Schlussoffensive zu erwecken. Auf dem Statistikzettel stand zwar geschrieben, dass die Gäste öfter aufs gegnerische Tor geschossen und mehr Flanken geschlagen hätten als die Gastgeber. Dies war aber lediglich ein weiterer Beleg dafür, dass solche Aufzählungen bisweilen nicht mehr als Papierkram sind.

Schalke gewann besonders im Mittelfeld mit dem dominanten Nationalspieler Suat Serdar die wichtigsten Zweikämpfe und hatte - anders als die Borussia mit ihrem aushilfsweise eingesetzten Defensiv-Duo Jantschke/Wendt und dem Ballverlustfaktor Embolo - keine Schwachstellen im Team.

Der Gegner habe "hochverdient" gewonnen, sagte VfL-Trainer Marco Rose, der mit ebensolcher Offenheit erläuterte, dass er mit seinem Konzept dem des Kollegen David Wagner immer ein Stück hinterherdirigierte. Rose hatte mit einer offensiven Aufstellung offensive Ansprüche unterstrichen, lief damit aber bei einer Schalker Mannschaft, die anders agierte als vorgesehen, ins Leere. Beispielsweise übernahm der zentrale Schalker Dienstleister und neue Kapitän Omar Mascarell nicht wie erwartet den Spielaufbau. Roses Umstellungen zur Pause, die Schalke auf den starken Flügeln bremsen sollten, erwiesen sich ebenfalls als Fehlschlag. Der Trainer öffnete das Zentrum, indem er Zakaria nach vorn schob, und prompt durfte Serdar, von Gregoritsch freigespielt, durch Gladbachs defensive Mitte spazieren und sich die Ecke für den Torschuss aussuchen.

Dieses 1:0 in der 48. Minute stellte die Schalker Fans nach dem 2:0 in der 58. Minute vor Geschmacksfragen. Das 1:0 war dank Gregoritschs brillanter Vorbereitung und Serdars cooler Vollendung ein herrlicher Treffer, aber dieses 2:0 war ebenfalls ein Meisterwerk aus der immer hochwertiger arbeitenden Schalker Kontermanufaktur: Dank Serdars Steilpass, Benito Ramans klugem Querpass und Gregoritschs technisch gelungenem Abschluss - wo andere Stürmer womöglich mit Gewalt aufs Tor geschossen und dann den guten Torhüter Yann Sommer getroffen hätten.

Einen Offensivspieler wie Gregoritsch hätte Schalke schon während der Hinrunde brauchen können. "Er ist ein sehr schlauer Fußballspieler", hob David Wagner hervor. Bezeichnend, dass er zuerst die Spielintelligenz des österreichischen Nationalspielers ansprach, bevor er über die technischen Details der Neuerwerbung redete. Gregoritsch ersetzte als zweite Sturmspitze den verletzungshalber abwesenden Amine Harit, zugleich füllte er durch seine Effizienz die Lücke im Angriff, die Schalke in dieser Saison einige Punkte gekostet hatte.

Eine früh vergebene Großchance verarbeitet der Österreicher rasch

Dabei war er mit einem ausgesprochen schlechten Erlebnis ins Spiel gestartet: Schon in der sechsten Minute stand er vor einer dicken Chance auf den Führungstreffer, bei gesundem Selbstbewusstsein "hätte ich mir die Ecke ausgesucht", berichtete Gregoritsch. So aber schoss er den Torwart an. Die Kollegen hätten ihn danach "gut aufgefangen", sagte der Stürmer, als ob er ein Problemfall gewesen wäre. Was er niemals war. "Ich glaube einfach, dass es ein gutes Debüt war: Wir gewinnen, ich konnte mich beteiligen. Es ist ein guter, sehr guter Beginn", stellte der Neuling fest, der in keiner Szene die Anpassungsprobleme eines Neulings offenbarte.

Die Frage ist, wie viel Zukunft die Verbindung zwischen Schalke und Gregoritsch haben darf. Bisher besteht lediglich ein Leihvertrag, seine Verbindung mit dem FC Augsburg gilt noch bis 2022. Der Angreifer könnte sich einen dauerhaften Verbleib in Gelsenkirchen offenbar vorstellen. "Es ist eine Riesenchance, die ich bekommen habe", sagte er, "das muss man jetzt nutzen, da will ich dabeibleiben. Es ist einfach schön, hier zu sein." In Augsburg, wo er es zuletzt nicht mehr schön fand, wird man sich die mögliche Wertsteigerung des österreichischen Nationalspielers gut bezahlen lassen wollen, in Gelsenkirchen ist das Geld aber eher knapp. Abwarten, sagen die Schalker Verantwortlichen, die notgedrungen gelernt haben, mit Leihspielern zu improvisieren.

Erstmal zählt das Hier und Heute. Natürlich kamen auch wieder Fragen an die Schalker Chefstrategen, ob man sich jetzt am Titelkampf beteiligen wolle. Für solche Themen habe er "keine Kapazitäten", entgegnete David Wagner. Aber er wird dem Thema nicht entrinnen. Nächste Woche besucht Schalke den FC Bayern, die Fans sangen bereits am Freitag das alte Lied von den auszuziehenden Lederhosen. "Ein Gefühl, das ich noch nicht gekannt habe", wie Michael Gregoritsch bekannte: "Im oberen Tabellendrittel zu stehen und nach München zu fahren."

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