Schalke 04 verliert gegen den BVB:Dortmund macht den nächsten Schritt zur Meisterschaft

Schalke 04 erspielt sich in der spannenden und intensiven Partie gegen den BVB zahlreiche Gelegenheiten und bringt den Tabellenführer ins Wanken. Dortmund jedoch fällt nicht, sondern dreht die Partie - und braucht nun noch vier Punkte aus drei Spielen zur Meisterschaft.

Jürgen Schmieder, Gelsenkirchen

Hoffnung. Wut. Verzweiflung. Freude. Innerhalb von 30 Sekunden durchlebten die Anhänger von Schalke 04 vier Haupt-Gefühle von Fußballfans: Jermaine Jones lief alleine auf das Dortmunder Tor zu, dann wurde er umgerissen. Schiedsrichter Manuel Gräfe pfiff nicht, er entschied auf Eckball. Dieser wurde schwach und hoch getreten, der Ball kam aber irgendwie zu Jefferson Farfàn. Der nahm das Spielgerät an und drosch es vom rechten Strafraumeck links unten ins Tor.

FC Schalke 04 - Borussia Dortmund

Sebastian Kehl (l.) freut sich über sein Tor zum 2:1 im Revierderby.

(Foto: dpa)

Es war die neunte Minute einer intensiven und dramatischen Partie, die Dortmund durch Treffer von Lukasz Pisczcek und Sebastian Kehl drehte und mit 2:1 (1:1) gewann. Nach dem FC Bayern (Platz zwei) haben die Dortmunder drei Tage später auch den Dritten der Tabelle besiegt und stehen vor der Verteidigung des Bundesliga-Titels. Bei den Schalker Fans dagegen herrschte nach der Derby-Niederlage vor allem das fünfte Fan-Gefühl: unendliche Trauer.

Ohnehin war bei den Schalker Anhängern die Zuversicht auf einen Sieg im 140. Derby eher gering gewesen. Im Fanforum gab es einen Bereich mit der Überschrift: "Die Austragung des Spiels verhindern", wo durchaus witzige Einträge zu finden waren: "Für heftigen Schneefall sorgen", "Luft aus dem BVB-Bus lassen", "Halteseile des Videowürfels ansägen". Ein Fan machte gar den Vorschlag: "Nicht antreten und am grünen Tisch verlieren. 0:3 ist besser als 0:6."

Vor der Partie waren gar Gerüchte kursiert, dass einige Schalker Anhänger tatsächlich etwas planen würden, nämlich eine aufwändige Pyrotechnik-Choreografie - letztlich gab es nur ein zehn Sekunden dauerndes Feuerchen vor dem Anpfiff und ein Plakat mit der Aufschrift: "Vermisst Ihr was?" In der Straßenbahn zum Stadion sagte ein Fan zu seinem Kollegen: "Mein alter Herr hat mir 150 Euro für die Karte abgeknöpft. Wenn wir gewinnen, ist es das ja wert. Aber soviel Geld zahlen, um zu sehen, wie die Gelben Meister werden?" Sein Freund nickte verständnisvoll.

Die Sorge war durchaus begründet, die Dortmunder hatten in der Bundesliga das letzte Mal am 18. September vergangenen Jahres verloren, zuletzt haben sie den FC Bayern besiegt und sich dabei wie ein perfekt harmonierendes Orchester präsentiert. Dortmunds Trainer Jürgen Klopp musste sein Ensemble ein wenig umstellen, für den verletzten Neven Subotic verteidigte Felipe Santana. Sebastian Kehl saß zunächst auf der Bank - wie auch Mario Götze, der nach seiner Schambeinentzündung erstmals wieder im Kader stand.

Die Dortmunder begannen überaus schwungvoll, bereits nach wenigen Sekunden erspielten sie sich die erste Gelegenheit. Über Jakub Blaszczykowski und Kevin Großkreutz kam der Ball zu Lars Bender, der jedoch freistehend aus elf Metern am Schalker Torwart Lars Unnerstall scheiterte. Danach allerdings ließ es das Orchester ein wenig ruhiger angehen, obwohl ihnen Schalke durchaus Raum und Zeit für Angriffe gelassen hätte. "Das war richtig Arbeit für alle Beteiligten mit einem glücklichen Sieger. Wir haben alles rausgepresst, was noch drin war. Wir mussten uns richtig reinbeißen", sagte Klopp.

Wilde Schalker Punk-Rock-Band

Ohnehin waren die Schalker in den vergangenen Wochen eine wilde Punk-Rock-Band, bei der man nicht vorhersehen hatte können, ob sie die Zuschauer begeistern oder eher auf der Bühne herumtorkeln würden. An diesem Nachmittag gelang es ihnen, beide Elemente zu verbinden. Im Spiel nach vorne begeisterten sie die Zuschauer mit schnellen Angriffen und sehenswerten Spielzügen wie vor dem 1:0 - in der Defensive torkelten sie doch arg herum wie etwa beim Ausgleich in der 17. Spielminute, als Lukasz Pisczcek den Ball im Strafraum annehmen und ins Tor schießen durfte.

Es war eine überaus intensive und spannende erste Halbzeit, in der das Eckenverhältnis von 10:2 für Schalke in etwa auch die optische Überlegenheit ausdrückte und in der Schiedsrichter Gräfe etwa alle 50 Sekunden ein Foulspiel zu pfeifen hatte. Er musste derart viel pfeifen, dass er Klaas-Jan Huntelaar in der 39. Spielminute nach einem Zupfer einen Elfmeter wohl nur deshalb verweigerte, weil er keine Lust auf einen weiteren Pfiff mehr hatte. Bei den anderen Eckbällen scheiterten Metzelder, Jones und Huntelaar jeweils mit ihren Kopfbällen. "Es war ein rassiges Derby, das vielleicht keinen Sieger verdient hätte. Wir hatten in den entscheidenden Situationen Pech", sagte Metzelder.

Die Schalker hatten in der ersten Halbzeit festgestellt, dass sie diese Partie tatsächlich gewinnen konnten - also griffen sie forsch und wuchtig an und erspielten sich nun auch ohne Eckbälle zahlreiche Gelegenheiten. Huntelaar vergab freistehend mit einem Volleyschuss, Draxler wählte nach sehenswertem Dribbling eine zu komplizierte Variante und scheiterte frei an Weidenfeller. Raúl foulte kurz vor einem sehenswerten Trick im Strafraum einen Gegenspieler.

Dortmund wirkte verblüfft und ratlos, die Angriffe waren eindimensional und harmlos. "Schalke hat sehr kämpferisch dagegen gehalten, auch der Boden hat nicht mehr zugelassen. Wir sind schwer in die Gänge gekommen", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc. In der 62. Minute dann stellte sich heraus, dass dies alles zum taktischen Konzept von Jürgen Klopp gehörte - schließlich hatten die Dortmund auch dem FC Bayern die Kontrolle über das Spiel überlassen und dann den Siegtreffer erzielt. So auch auf Schalke: Nach einem Eckball kam der Ball zum eingewechselten Sebastian Kehl, der ihn aus drei Metern über die Linie drückte. "Wir spielen konsequent und momentan so guten Fußball, dass wir zu recht oben stehen. Heute werden wir feiern", kündigte der Torschütze an.

Danach präsentierten die Dortmunder, dass sie nicht nur die feine Musik beherrschen, sondern durchaus 25 Minuten lang Bälle hoch und weit nach vorne prügeln können. Die Schalker sammelten diese Bälle auf und griffen wuchtig und wütend an, doch eine Torchance, die diese Bezeichnung auch verdient, hatte nur Huntelaar, der aus zwölf Metern kräftig am Ball vorbei trat.

Nach dem Spiel gegen den FC Bayern hatten die Dortmunder Spieler zahlreiche Metaphern verwendet, um zu verdeutlichen, dass sie die Deutsche Meisterschaft noch nicht gewonnen haben. Die trefflichste war von Mats Hummels gekommen: "Es sind noch vier Schritte - und bei jedem kann man stolpern." Sie sind an diesem Nachmittag gestolpert - aber sie sind nicht gefallen, sondern haben einen weiteren Schritt getan. Noch eineinhalb Schritte (vier Punkte), dann sind die Dortmunder wieder Deutscher Meister.

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