Schalke 04:Ärmer als ein Zweitligist

FC Twente v FC Schalke 04 - Pre-Season Friendly

Hat im Sommer nicht wirklich viele seiner Wunschspieler bekommen: Schalke-Trainer David Wagner.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Beim FC Schalke 04 scheiterten in diesem Sommer wichtige Transfers, weil der Klub wirtschaftlich hinter die Konkurrenz zurückgefallen ist.
  • Schick ging zu Leipzig, Augustin nach Monaco, Silva nach Frankfurt. Schalke ging auf der Suche nach einem Stürmer leer aus.
  • Der Fall ist exemplarisch dafür, wie schnell ein Umsatzriese in Nöte geraten kann.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Es liegt zwar schon 14 Jahre zurück, aber daran kann sich Jochen Schneider noch sehr genau erinnern: Wie er in der schwäbischen Heimat euphorisch gefeiert wurde, weil es ihm gelungen war, einen Vertrag mit dem dänischen Nationalstürmer Jon Dahl Tomasson zu schließen. Der VfB Stuttgart kauft einen Stammspieler vom großen AC Mailand - das war in Stuttgart keine große, sondern eine riesengroße Geschichte. Die allerdings kein gutes Ende nahm. Nach anderthalb Jahren hat der VfB seinen schicken Angreifer nach Spanien verliehen, und ein weiteres halbes Jahr darauf hat man den Vertrag aufgelöst. "Aus zig Gründen, die am wenigsten an Jon lagen, hat's nicht funktioniert", sagt Schneider, seinerzeit Manager beim VfB.

Inzwischen betreut er bei Schalke 04 die sportlichen Geschäfte, und dort muss Schneider jetzt die Enttäuschung des Publikums verkraften, weil er den Anhängern nicht den Tomasson präsentieren konnte, den sie erwartet hatten. Viele Schalker hatten am Montag bis zum finalen Gong um 18 Uhr gehofft, dass ihr Klub noch einen Coup vermelden würde. Doch es kam kein neuer Angreifer mehr, der Transfermarkt ist geschlossen, und es herrscht Ernüchterung in der königsblauen Gemeinde.

Jener Mittelstürmer, um den sich Schalke intensiv beworben hatte, hat zwar am letzten Handelstag noch den Verein gewechselt, doch Patrik Schick von AS Rom hat sich RB Leipzig angeschlossen. Schneider will nicht bestätigen, dass sich die Römer nicht mal die Mühe machten, die Schalker Offerte zurückzuweisen, aber er bestätigt, dass der Fall mit Geld zu tun hatte: "Es ist an den Finanzen gescheitert, da braucht man nicht drum herumzureden."

Viele Spieler, die kommen sollten, landeten woanders

Der Tscheche Schick, 23, war nicht der einzige, bei dem es die Schalker versucht haben. Man stand in gutem Kontakt mit dem in Wetzlar geborenen türkischen Nationalspieler Cenk Tosun, der beim FC Everton der Reserve angehört, und mit Real Madrid, das Bereitschaft anzeigte, den Angreifer Mariano Diaz, 24, gehen zu lassen, obwohl dieser erst vor einem Jahr für 20 Millionen Euro gekommen war. Außerdem versuchte es Schalke beim schnellen Franzosen Jean-Kevin Augustin, den RB Leipzig aber mittlerweile in Monaco untergebracht hat, und auch um den Portugiesen André Silva vom AC Mailand hatte man sich bemüht - am Montag ist dieser dann bei Eintracht Frankfurt gelandet.

Der Fall, der den Schalkern jedoch am meisten zu denken geben dürfte, ist der eines Zweitligaspielers, der es vorzog, zu einem Zweitligisten zu wechseln. Beim Kongolesen Silas Wamangituka, 19, vormals beim FC Paris tätig, hatte der VfB Stuttgart die besseren Argumente - unter anderem, indem er die geforderten acht Millionen Euro Ablöse bezahlte. Nicht der einzige Fall, bei dem die Schalker Offiziellen erkennen mussten, dass der Klub wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten ist, obwohl ihn große Wirtschaftsprüfergesellschaften immer noch zu den Top 15 der wertvollsten Fußballvereine in Europa zählen.

Mit Vereinen wie Eintracht Frankfurt, TSG Hoffenheim oder auch dem Zweitligisten VfB Stuttgart kann man sich auf dem Transfermarkt derzeit nicht messen. Frankfurt und Hoffenheim haben von der Inflation profitiert, indem sie es andersrum gemacht haben als Schalke: billig eingekauft und teuer verkauft.

Bei Nabil Bentaleb kam eine Knie-OP dazwischen

Schalke ist ein exemplarischer Fall, wie schnell ein Großklub und Umsatzriese in Nöte gerät, wenn er in der Hochpreisphase die falschen Spieler kauft und den Wertverlust nicht kompensieren kann. Bis zum Schließen des Transferfensters war man nun damit beschäftigt, die überzähligen teuren Posten zu veräußern, die das Einkaufsbudget belasten. Bei Jewgen Konopljanka (ging zu Schachtar Donezk) ist das gerade noch geglückt, bei Nabil Bentaleb kam just in der Entscheidungsphase eine Knieoperation dazwischen. Schneider versichert jetzt tapfer, dass der balltechnisch versierte, aber anerkannt eigensinnige Franko-Algerier nach der Genesung wieder eingereiht werden soll: "Warum denn nicht? Dass er ein hervorragender Mittelfeldspieler ist, das steht außer Zweifel."

Dennoch sehen sich die Schalker nicht als Verlierer des Transfersommers. Der Verein hat sich keine Alternative zum wackeren Mittelstürmer Guido Burgstaller leisten können, aber er hat an anderer Stelle den mindestens genauso dringenden Nachholbedarf gestillt, indem er seine sportliche Organisation auf den Stand und das Niveau der enteilten Konkurrenten brachte - von Vereinen wie Frankfurt und Hoffenheim oder Stuttgart und Köln, die sich offenbar auskennen auf dem Spielermarkt. Schalke hat zwar in den vergangenen Jahren für die Profiabteilung viel Geld ausgegeben - aber beim Scouting und bei der Kaderplanung war der vormalige Manager Christian Heidel sehr sparsam.

Seine Scouts beobachteten Spieler nicht an Ort und Stelle, sondern am Computer; sein Kaderplaner war der 32-jährige Cheftrainer Domenico Tedesco, der im Sommerurlaub stundenlang Videos schaute. Das führte dann unter anderem zum sündteuren Kauf von Sebastian Rudy - obwohl man ein paar Wochen zuvor für die gleiche Mittelfeld-Position bereits Omar Mascarell und Suat Serdar erworben hatte. Rudy ist nun wieder in Hoffenheim.

Schalke hat jetzt einen Technischen Direktor, Michael Reschke, der sich um die Transfers kümmert, und einen Stab von Fachleuten, die dem Trainer David Wagner zuarbeiten, und Jochen Schneider versichert, eben deswegen sei er mit der abgelaufenen Transferphase "total zufrieden: Im Verein und rund um die Mannschaft ist uns ein Wechsel gelungen - ein anderes Denken und Arbeiten".

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