Schalke 04 schlägt Hannover 96:Besser als Feuerschlucker und Messerwerfer

Schalke 04's Holtby celebrates a goal against Hannover 96 during the German first division Bundesliga soccer match in Gelsenkirchen

Lewis Holtby war mit zwei Vorlagen und dem Tor zum 5:3 der herausragende Schalker.

(Foto: REUTERS)

Die Bundesliga meldet sich mit einem Spektakel zurück. Für die Schalker bedeutet das 5:4 gegen Hannover 96 aber wesentlich mehr: Sie gewinnen ihr erstes Spiel unter dem neuen Trainer Jens Keller und halten den Anschluss an die Spitzengruppe - der wechselwillige Lewis Holtby steigert seinen Marktwert gewaltig.

Von Hendrik Buchheister, Gelsenkirchen

Jens Keller hatte gerade sein erstes Bundesliga-Spiel als Trainer des FC Schalke 04 überstanden, doch er sah aus, als würde er schon seit hundert Jahren an der Linie leiden, als er am Freitagabend um genau 23 Uhr auf der Bühne im Presseraum der Gelsenkirchener Arena erschien.

Keller war erschöpft nach dem Spiel gegen Hannover 96. 2:0 und 4:2 hatten seine Männer geführt, am Ende stand es 5:4. FÜNF ZU VIER! Die Bundesliga meldete sich also mit einem Spektakel aus der Winterpause zurück. Vor allem in der zweiten Halbzeit wurde das Publikum im Schalker Fußballkessel und an den Fernsehschirmen in etwa 200 Ländern besser unterhalten als bei einer Zirkusshow mit Feuerschluckern und Messerwerfern, doch Jens Keller hätte sich die Strapazen am Spielfeldrand lieber erspart: "Als Trainer sitzt man da draußen und versteht die Welt nicht mehr", berichtete er mit letzter Kraft.

Trotzdem war er ein zufriedener Mann, denn so ein 5:4 ist besser als ein 0:1 oder ein 4:5. Der Sieg gegen Hannover war der erste dreifache Punktgewinn für die Schalker seit dem 10. November. Sie halten mit diesem Ergebnis Anschluss an die Spitzengruppe der Liga und glauben fürs Erste jene Krise überwunden zu haben, die sie zum Jahresende befallen hatte. Dieses 5:4 war ein wichtiger Sieg für den Gelsenkirchener Traditionsklub nach Wochen des Trübsinns. Und es war ein persönlicher Erfolg für Jens Keller, der das Traineramt nach der Entlassung von Huub Stevens bis zum Ende der Saison übernommen hat, und der sich mit einer Pokalniederlage gegen Mainz und einem 0:5 gegen den FC Bayern im Trainingscamp in Katar einführte.

Verbesserte Verhandlungsposition im Fall Lewis Holtby

Nach dem Sieg zum Rückrundenstart nutzte Keller die Gelegenheit, sich ausführlich über die Medien zu beklagen, die seine Arbeit mit Missgunst begleiten und Aufregung in den Verein bringen würden. Trotzdem ist er entschlossen, an seinen Plänen festzuhalten: "Ob es in den nächsten Wochen ruhiger wird oder nicht: Wir arbeiten konzentriert weiter."

Streckenweise konnte sich Keller gegen Hannover am Spiel seiner Mannschaft erfreuen, die ohne wichtiges Personal auskommen musste: Jones und Huntelaar fehlten gesperrt, Papadopoulos und Afellay sind verletzt. Jefferson Farfan brachte die Schalker am Ende einer zum Teil ruppigen ersten Halbzeit in Führung, und kurz nach der Pause gelang Julian Draxler das 2:0. "Ich dachte: Mann, das läuft heute aber gut", berichtete Keller hinterher. Er glaubte nicht mehr, dass das erste Bundesligaspiel im Jahr 2013 noch eine Wendung nehmen würde. Doch chaotische Zustände in den Abwehrreihen bei gleichzeitiger Effektivität der Angreifer ermöglichten eine zweite Halbzeit, an deren Ende es genau so gut 4:4 oder 6:6 hätte stehen können.

Erst Lewis Holtbys Tor zum 5:3 in der 88. Minute bedeutete die Entscheidung. Zwar gelang Mame Diouf per Fallrückzieher in der Nachspielzeit der kunstkunstvollste Treffer des Spiels, doch er kam zu spät. Es ist eine hübsche Pointe, dass Holtby das letzte Schalker Tor erzielen durfte, nachdem er schon zwei Tore vorbereitet hatte und insgesamt der herausragende Mann war. Er stand neben Keller ja ebenfalls im Blickpunkt vor dem Start in die Rückrunde, weil er sich entschlossen hat, seinen Arbeitsplatz von Gelsenkirchen nach London zu verlegen: Spätestens im Sommer wechselt der Kapitän der deutschen U21 zu Tottenham Hotspur. Vielen Schalker Fans gefällt das nicht, sie schrieben im Internet böse Kommentare an Holtbys Adresse. Trainer Keller beobachtete sogar "eine kleine Hetzjagd gegen den Jungen".

Doch das Publikum im Stadion und der Mittelfeldmann mit der Nummer 10 kamen am Freitag prächtig miteinander aus. Bei Holtbys Auswechselung in der Nachspielzeit spendeten die Zuschauer höflich Beifall. Möglicherweise war es Holtbys letzter Auftritt in der Gelsenkirchener Arena, denn Tottenham möchte ihn sofort übernehmen. Dafür müsste der Verein aus der Premier League aber eine Ablösesumme zahlen. Ein erstes Angebot haben die Schalker abgelehnt, doch Manager Horst Heldt weist darauf hin, dass das nichts zu bedeuten habe "in dem Austausch, der da stattfindet". Er erwartet, dass Tottenham ein besseres Angebot vorlegt, um Holtby noch in diesem Monat zu übernehmen. Und billiger sei der Mittelfeldmann durch seine Glanzleistung gegen Hannover nicht geworden, erklärte Heldt.

Der Schalker Manager konnte sich am Freitag also doppelt freuen: Über den ersten Sieg im neuen Jahr. Und über eine verbesserte Verhandlungsposition im Fall Lewis Holtby.

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