Schalke 04:Scheidung aus Misstrauen

Vor dem Champions-League-Spiel gegen Valencia: Schalke 04 will sich möglichst rasch von Felix Magath befreien - Otto Rehhagel soll kurzfristig aushelfen.

Philipp Selldorf

Felix Magath hat sich ahnungslos gegeben, als er am Mittwoch auf die Berichte angesprochen wurde, die vom bevorstehenden Ende seiner Zeit in Schalke handelten. "Mit mir hat keiner gesprochen"' sagte er dem kicker, "ich gehe davon aus, meinen Vertrag bis 2013 zu erfüllen." Was man als Profi halt so sagt, wenn man weiß, dass es nun auf die juristischen Finessen ankommt.

Magath to leave Schalke at the end of the season

Teure Scheidung? Schalke 04 und Felix Magath werden sich offenbar spätestens am Saisonende trennen.

(Foto: dpa)

Es geht um viel Geld. Für Magath, der seinen Vertrag mit der Klausel versehen ließ, dass er auch im Falle der Kündigung durch den Verein die volle Summe erhält. Und für Schalke, das diese mutmaßlich zweistellige Millionensumme aufzubringen hat. Beide Seiten müssen zusehen, dass sie jetzt keinen Fehler machen, der teuer werden könnte.

Der erste Fehler ist schon passiert: Die anstehende Trennung wurde ausgerechnet am Tag des Champions-League-Spiels gegen Valencia publik. Den Medienrummel hatte man ja vermeiden wollen, um den Festtag nicht zu stören - zumal das Weiterkommen im Europacup ja schon deshalb wichtig war, weil es die Scheidungskosten halbwegs decken könnte. "Heute ist das Spiel, alle anderen Fragen beantworten wir in den nächsten Tagen", sagte Aufsichtsratschef Clemens Tönnies vor der Begegnung.

In diesem Punkt waren sich die Parteien einig: Keine Statements am heiligen Champions-League-Abend! Auch Magath wiederholte nur bekannte Aussagen: "Mir ist nichts davon bekannt, dass ich mich von Schalke trennen möchte oder dass Schalke sich von mit trennen möchte." Er habe keine Zeit für Nebengeräusche, meinte er und fügte nach der Partie süffisant hinzu, man müsse "das alles nicht so ernst nehmen".

Auf seiner Facebook-Seite hatte Magath zuvor folgende Nachricht hinterlassen: "Nicht verrückt machen lassen, liebe Schalker! Ich lasse mich nicht beirren." Tatsächlich ist die Fanseele offenbar gespalten: Wenige Minuten vor dem Spiel zückten einige tausend Anhänger Plakate mit der Aufschrift "Pro Magath".

Immerhin brauchten die Schalker Verantwortlichen nicht zu befürchten, dass die Spieler aus Solidarität mit ihrem Trainer in Streik treten oder beim Spiel langsamer laufen würden. Die Klagen und Hilferufe aus dem Profikader haben ja wesentlich dazu beigetragen, dass die Vereinsführung zu der Ansicht gelangt ist, keine Wahl mehr zu haben, als schnell zu handeln. Weshalb man mit Magaths Ablösung auch nicht mehr bis zum Sommer warten will. Die Sache soll offenbar zügig vorangetrieben werden, die Umstände ziehen den Prozess jedoch in die Länge.

Magath, der außer als Trainer und Sportchef auch als Vorstandsmitglied firmiert, muss satzungsgemäß vom Aufsichtsrat angehört werden, bevor dieser ihn abbestellen darf. Wenigstens drei Kalendertage vor der entsprechenden Sitzung des Gremiums muss Magath über den Vorgang und den Termin informiert werden. Das bedeutet, dass er wohl auch beim Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt am Samstag noch im Amt sein wird, zumindest formell.

Für den Trennungsbeschluss ist eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Dass im elf Mitglieder zählenden Aufsichtsrat um dieses Votum gerungen werden müsste, gilt aber als völlig ausgeschlossen. Die Meinungsbildung über Felix Magaths Wirken ist offenkundig einheitlich.

Magath: Entfremdung vom Verein

Die Entfremdung zwischen dem Verein, der seine Eigenheiten, seine Tradition und seine Folklore pflegt, und dem betont unabhängigen Sportchef, der monopolistisch Macht und Wort beanspruchte, ist im Laufe von Magaths zweitem Vertragsjahr in rasendem Tempo fortgeschritten. Die Beliebtheit und Bewunderung, die ihm die Erfolge seiner ersten Saison brachten, habe er durch seine kalte Politik und durch sein ständiges Misstrauen selbst zunichte gemacht, heißt es.

Felix Magath

Volkes Stimme zählt auf Schalke mehr als bei manch anderem Verein, die Fans zeigen per Banner: "Magath - gefällt mir nicht."

(Foto: dpa)

Die Beurteilung hat sich auch nicht mehr dadurch geändert, dass der Trainer das DFB-Pokalfinale und nun auch noch das Viertelfinale in der Königsklasse erreicht hat. Die Mannschaft habe im Pokal in München "nicht wegen, sondern trotz Magath" gewonnen, hieß es, sie warte darauf, von ihrem betont unnahbaren Trainer "erlöst" zu werden. Vor diesem Hintergrund wird auch das verwegene Nachfolgemodell verständlicher. Gesucht hat man einen erfahrenen Mann, der bereit und fähig ist, der Mannschaft auf Anhieb praktisches Wissen zu vermitteln, und der sich im Sommer ohne weitere Ambitionen zurückziehen würde.

Gefunden hat man offenbar Otto Rehhagel, 72, der zwar beim besten Willen nicht das Muster jenes modernen Trainers abgibt, mit dem Schalke in die Zukunft aufbrechen will. Der aber bis ins hohe Alter Erfolge vorzuweisen hat und fast immer einen guten Draht zu seinen Spielern fand. Eine versierte Trainerlösung ist nötig: Schalke kann die Saison nicht einfach ausklingen lassen bis zum Pokalfinale in Berlin, dafür liegt auch die Abstiegszone in der Bundesliga viel zu nah. Aber auch diese Aufgabe will man Magath lieber nicht mehr anvertrauen.

Seinen Nachfolger im sportlichen Management hatte er 2009 selbst empfohlen. Magath hatte Horst Heldt, den er als Spieler in Frankfurt und Stuttgart betreute, zu Hilfe holen wollen, um mit ihm einen neuen Schalker Kader aufzubauen. Der VfB Stuttgart ließ das damals nicht zu. Heldt kam dann im nächsten Sommer, diesmal aber nicht mehr auf Magaths Betreiben, sondern auf Initiative des Aufsichtsratschefs Tönnies.

Er wollte verhindern, dass Schalke ohne sportliche Führung dasteht, falls Magath und seine Leute kurzfristig abziehen sollten. Die Kontakte, die Magath im Sommer mit dem österreichischen Milliardär Dietrich Mateschitz knüpfte, dem Finanzier des Red Bull-Sportimperiums, sorgten in Gelsenkirchen für Alarmstimmung.

Nun wären die Schalker froh, wenn sich Mateschitz dieses Kontakts wieder erinnern würde. Dann könnte die Scheidung billiger werden.

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