Schalke-Torwart Nübel:Umworben von Klubs mit verführerischen Namen

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Seltener Patzer: Der sonst so starke Alexander Nübel verursacht bei der U21-EM gegen Österreich einen Elfmeter.

(Foto: Daniel Goetzhaber/Imago)
  • Beim FC Schalke gibt es kommende Saison ein komplexes Torwart-Arrangement.
  • Alexander Nübel ist die Nummer eins, ist aber nur noch bis 2020 gebunden und bei Topklubs begehrt.
  • Torwart-Routinier Ralf Fährmann wird nach England verliehen und als Ersatzmann für Nübel kommt das Talent Markus Schubert.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Als Alexander Nübel im Januar auf Schalke sein Debüt als neuer Stammtorwart gab, war das auch für seine Eltern ein Feiertag. Allerdings feierten sie nicht im Blauen Salon, dem Festsaal der Arena, sondern zuhause in Paderborn. Und sie feierten auch nicht den Karrieresprung ihres Sohnes, sondern auf einer Party den 60. Geburtstag eines Bekannten. Herr und Frau Nübel sind ihrem Sohn zwar in aller wünschenswerten Elternliebe verbunden - mit Fußball haben sie aber nichts am Hut. Woher auch immer der 22 Jahre alte Torwart sein Talent und sein außergewöhnliches Ballgefühl hat: Von seinen nächsten Vorfahren stammt es nicht.

Schon eher, meinen Vertraute, lässt sich durch sein Elternhaus erklären, wieso Alexander Nübel noch mitten im lärmenden Gefecht eines Bundesliga- oder Europacupspiels diese scheinbar unberührbare, jederzeit vernunftgesteuerte Ruhe auszustrahlen versteht. Den Karrieredruck und die dauerpräsente Anteilnahme von Fußballeltern hat er nie spüren müssen. Das habe ihn geprägt, so heißt es, und das wird nun vielleicht auch seinem Verein zugutekommen, wenn der 22-Jährige im Familienkreis die Grundsatzentscheidung darüber trifft, wie und wo er seine Fußballer-Laufbahn fortsetzen möchte.

Nübels Vertrag läuft im nächsten Sommer aus, Schalke möchte das Engagement fortsetzen und gibt sich dazu alle erdenkliche Mühe. Was auch dringend nötig ist: Neulich bei der U21-EM ist Nübel zum besten Torwart des Turniers gewählt worden, aber die Interessenten aus dem In- und Ausland waren schon längst vorher in stattlicher Zahl vorstellig geworden.

Atlético Madrid, FC Barcelona und Bayern sollen an Nübel interessiert sein

Ein knappes Dutzend Bewerber sollen sich mittlerweile bei seinen Beratern gemeldet haben. Dabei handelt es sich nicht um eine Auswahl von Abstiegskandidaten und Mittelschichtklubs. Nübel hat unter anderem die Neugier von Vereinen wie Atletico Madrid und FC Barcelona geweckt, auch ein gewisser FC Bayern ist offenbar mit von der Partie. Und wenngleich diese Klubs aktuell keine Besetzungssorgen im Tor haben, so ist der Klang ihrer Namen doch fast Verführung genug.

Der Umworbene werde "eine rationale Entscheidung treffen", sagt dessen Berater Stefan Backs. Derzeit befindet sich Nübel noch im Nationalspieler-Urlaub, am 16. Juli nimmt er das Training in Gelsenkirchen wieder auf. Nicht unwahrscheinlich, dass er dann einen Beschluss gefasst hat. Zu erwarten ist, dass er entweder den Vertrag mit Schalke langfristig verlängern wird (inklusive Gehaltserhöhung, Bonuszahlung und vermutlich Ausstiegsklausel) oder ins letzte Vertragsjahr eintritt und 2020 dann alle strategischen und marktwirtschaftlichen Freiheiten genießen darf. Dass ihn noch in diesem Sommer ein Verein gegen Ablöse verpflichtet, erscheint als die am wenigsten wahrscheinliche Variante.

Schalke gerät aus der Position des starken Arbeitgebers in die Lage eines Bittstellers

Schalke 04 befindet sich somit in einer paradox anmutenden Situation. Einerseits hat der Klub ein alarmierendes Torwartproblem, weil der Erhalt seiner Nummer eins in Frage steht und wie in den Fällen der Spieler Joel Matip, Sead Kolasinac, Leon Goretzka und Max Meyer der Verlust von vielen Millionen Euro Ablöseentgelt droht. Andererseits kann es sich der Verein leisten, seine langjährige Nummer eins, Ralf Fährmann, nun nach England zu verleihen, weil Schalke als Ersatzmann für Nübel einen weiteren U21- Nationaltorwart ins Haus geholt hat: den vormaligen Dresdner Markus Schubert, 21.

Der vormalige Stammkeeper Fährmann, 30, hatte seinen Vertrag mit Schalke noch mal um ein Jahr verlängert, bevor er den Dienst beim Premier-League-Aufsteiger Norwich City aufgenommen hat. Auf diese Weise sind irgendwie alle Beteiligten abgesichert. Falls Nübel 2020 gehen sollte, hätte Schalke bereits jetzt eine doppelte Lösung fürs verlassene Tor: Schubert dürfte dann auf einen prominenten Bundesliga-Stammplatz hoffen - und Fährmann auf ein glorioses Comeback, wenn er im nächsten Sommer zurückkehrt, womöglich gestärkt durch 38 Premier-League-Einsätze. In der vorigen Saison hatte ihn der Konkurrenzkampf mit Nübel verunsichert, er spielte unter seinem Niveau - bis er in der Rückrunde den Stammplatz verlor.

Unter den gegebenen Umständen klingt das komplexe Torwart-Arrangement nach vorausschauender Politik und damit nicht nach typischem Schalker Geschäftsgebaren. Denn dass der Verein überhaupt zu diesen Winkelzügen gezwungen ist, das verdankt er dem unerklärlichen Vorgehen seines vormaligen Sportvorstands Christian Heidel, der es unterließ, Nübels Vertrag zu verlängern. Im Herbst des vorigen Jahres hätte es der junge Tormann noch als Ehre und Privileg empfunden, wenn ihm Schalke eine langfristige Beschäftigung offeriert hätte. Doch Heidel meldete sich selbst dann nicht, nachdem Nübel in einem halben Dutzend Spielen den verletzten Ralf Fährmann mehr als passabel vertreten hatte. Dadurch ist Schalke aus der Position des starken Arbeitgebers in die Lage eines Bittstellers geraten.

Auf den königsblauen Emotionsfaktor brauchen die Schalker beim ostwestfälischen Vernunftmenschen Nübel auch nicht unbedingt zu hoffen. Aber dass ihm Mitgefühl nicht fremd sind, das hat der Torwart nach dem U21-Finale offenbart. Unter Tränen hatte Nübel den Platz verlassen, es tat ihm leid, dass er die Mitspieler mit seinem Patzer vor dem 0:2 um den möglichen Titelgewinn gebracht hatte.

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