Schalke 04:Mythos in Rot und Gelb

Die ersten Spiele auf einem Adelssitz, sieben Titel während der NS-Diktatur und eine gewachsene Feindschaft mit Borussia Dortmund: Schalke 04 bewegt die Menschen im Ruhrgebiet seit mehr als einem Jahrhundert.

Jürgen Schmieder

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FC Schalke 04 - Inter Mailand

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Die ersten Spiele auf einem Adelssitz, sieben Titel während der NS-Diktatur und eine gewachsene Feindschaft mit Borussia Dortmund: Schalke 04 bewegt die Menschen im Ruhrgebiet seit mehr als einem Jahrhundert - und hat nun ein legendäres Spiel vor sich.

"Ein Leben lang: Blau und Weiß ein Leben lang!" So werden die Anhänger von Schalke 04 auch beim Champions-League-Spiel gegen Manchester United singen - und natürlich weiß jeder Fußballfan, dass es sich bei diesen Farben um ein strahlendes Weiß und Königsblau handelt, die Farben des Vereins. Nur: Bei der Gründung am 4. Mai 1904 sind die Farben zunächst einmal Rot und - ja, wirklich - Gelb.

Schalke 04

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Zehn Jungen aus dem Gelsenkirchener Stadtteil Schalke gründeten einen Verein, das erste Spielfeld ist eine Wiese auf einem heruntergekommenen Adelssitz. Um in den Westdeutschen Spiel-Verband aufgenommen zu werden, schließen sich die Kicker im Jahr 1912 mit den Turnern vom TV Schalke 1877 zusammen. Es beginnt ein rasanter Aufstieg, der erst in der Zweiten Liga des Ruhrgaus endet. 1922 verpasst Schalke knapp den Aufstieg - was aufgrund der Ligenreform (eine zwei Jahre dauernde Saison ohne Auf- und Abstieg) vier weitere Jahre Zweitklassigkeit bedeutet. Die Schalker freilich witterten Betrug. "Die wollen uns nicht in ihrer höchsten Klasse dabei haben", sagte Torwart August Sobota in der WAZ.

Schalke 04

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Im Jahr 1924 ist es dann soweit: Die Fußballabteilung trennt sich vom Turnverein, der "Fußball-Club Schalke 04" wird am 5. Januar 1924 gegründet, die Vereinsfarben sind von nun an: Blau und Weiß. Schon zuvor begann der "Schalker Kreisel" zu wirbeln, die Brüder Hans und Fred Ballmann (sic!) machen die Spielweise mit kurzen Pässen und schnellen Positionswechseln berühmt. Später kommen Ernst Kuzorra und Fritz Szepan hinzu. Aufgrund der Erfolge kommen immer mehr Zuschauer an die Grenzstraße, weshalb im August 1928 ein neues Stadion eingeweiht wurde: die Glückauf-Kampfbahn. Kuzorra wurde der erste Nationalspieler von Schalke 04.

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Für seine Skandale ist Schalke 04 mittlerweile berühmt, den ersten gab es im Jahr 1930: 14 Spieler und acht Funktionäre wurden gesperrt, weil der Verein zu hohe Spesen zahlte und den Spielern finanzielle Vergünstigungen gab. Die Spieler wurden deshalb als Profis identifiziert, was gegen die Amateurregeln verstieß. Ernst Kuzorra soll einmal vor einem Spiel die Zuschauer geschätzt und dann von den Verantwortlichen "'nen Hunderter für jeden Spieler" gefordert haben. Die Reservemannschaft kann jedoch den Abstieg in die zweite Liga verhindern. In der folgenden Spielzeit erreicht Schalke 04 zum ersten Mal das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft - und verliert überraschend mit 0:3 gegen Fortuna Düsseldorf.

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Zwischen 1933 und 1945 erlebt Schalke 04 die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte - und muss sich deshalb mit dem Vorwurf auseinandersetzen, ein "Naziverein" gewesen zu sein. 14 Mal erreicht Schalke das Endspiel um die deutsche Meisterschaft (sechs Siege) und fünf Mal das Finale des deutschen Pokals (ein Sieg). Als erster Verein in Deutschland lässt Schalke 04 im Jahr 2004 die NS-Vergangenheit untersuchen. Ergebnis der Studie: Schalke passte als "Arbeiterverein" perfekt in die Ideologie der Nazis, der Verein ließ sich instrumentalisieren, Spieler wie Ernst Kuzorra und Fritz Szepan ließen sich einspannen - Szepan wurde gar zu einem Profiteur. Nur: Eine Bevorzugung der Schalker auf dem Spielfeld ließ sich nicht nachweisen.

Schalke 04

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Im Jahr 1934 übrigens feierte Schalke seine erste deutsche Meisterschaft - und wurde im Dortmunder Rathaussaal empfangen. Schalke hatte während der Ausscheidungsrunde zahlreiche Spiele im Dortmunder Stadion "Rote Erde" ausgetragen, Ernst Kuzorra war einst der erste Trainer des BVB. Die Rivalität zwischen den beiden Klubs wuchs erst nach 1947 - in diesem Jahr nämlich gewann der BVB zum ersten Mal gegen Schalke und wurde Westfalenmeister.

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"Nie Deutscher Meister - Ihr werdet nie Deutscher Meister!" Das singen die Fans vieler Klubs, wenn sie die Anhänger von Schalke 04 ärgern wollen. Die letzte Meisterschaft gewannen die Schalker nämlich im Jahr 1958. In der folgenden Saison nimmt Schalke zum ersten und letzten Mal am Europapokal der Landesmeister teil und scheidet im Viertelfinale gegen Atletico Madrid aus. Mittlerweile heißt der Wettbewerb "Champions League" - und das Erreichen des Halbfinales in diesem Jahr ist der größte Erfolg von Schalke 04 darin.

Schalke Mythos Eichberg

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Zwischendurch mal wieder ein Skandal gefällig? Im Jahr 1961 geht es um illegale Zahlungen an die Spieler und Steuerhinterziehung. Das hat aber keine Auswirkungen auf die Qualifikation zur Bundesliga. Schalke ist - ja, wirklich - einer der wirtschaftlich gesündesten Vereine in Deutschland und auch sportlich erfolgreich. Also gehört der Verein zu den ersten neun Klubs, die in der neu gegründeten Bundesliga spielen dürfen.

Schalke Mythos Eichberg

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Das Stadion von Schalke heißt "Glückauf-Kampfbahn" - und dieses Motto sollte sich 1965 bewahrheiten, weil Schalke als einziger Verein in die Geschichte der Bundesliga eingehen soll als Klub, der als Tabellenletzter nicht absteigen muss. Hertha BSC Berlin muss zwangsweise absteigen, der DFB stockt die Bundesliga auf 18 Vereine auf - also bleibt Schalke erstklassig.

Schalke Mythos Eichberg

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Sportlich geht es danach aufwärts, was auch an der Rückkehr von Reinhard "Stan" Libuda lag, jenem Menschen, der angeblich auch an Jesus vorbeidribbeln könnte. Er kam von Borussia Dortmund zurück, jenem Verein, der sich tatsächlich erdreistete, das Tor von Libuda im Endspiel des Europapokals der Pokalsieger 1966 gegen den FC Liverpool auf den zweiten Platz beim BVB-Tor des Jahrhunderts zu wählen. Im Jahr 1970 steht Schalke schon einmal im Halbfinale eines europäischen Wettbewerbs - gegen eine Mannschaft aus Manchester. Die Schalker gewinnen das Hinspiel gegen Manchester City mit 1:0 (Tor: Libuda) - und verlieren das Rückspiel mit 1:5.

Urteilsverkündung im DFB-Skandal 1971

Quelle: dpa/dpaweb

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Und der nächste Skandal: Schalke hatte Anfang der siebziger Jahre eine Mannschaft zusammengestellt, die in der Lage gewesen wäre, dauerhaft um den Titel mitzuspielen - es war jedoch auch eine Elf, die sich für eine absichtliche Niederlage bezahlen ließ. Für 2300 Mark pro Kopf wurde die Partie gegen Arminia Bielefeld verkauft. Es war der Beginn des größten Skandals der Bundesliga-Geschichte: Neun Partien waren im Abstiegskampf verschoben worden, am Ende wurden 53 Spieler (darunter auch der Schalker Libuda), zwei Trainer und sechs Funktionäre gesperrt (im Bild: Tasso Wild, Bernd Patzke und Manfred Manglitz) - Arminia Bielefeld und Kickers Offenbach verloren die Lizenz.

Schalke Mythos Eichberg

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Noch ein kleiner Skandal, für den Schalke jedoch nichts kann - vielleicht ist der Verein Carmen Thomas sogar dankbar, denn dadurch weiß seit dem 21. Juli 1973 jedes fußballinteressierte Kind, dass der Verein Schalke 04 heißt. Thomas nannte den Klub im Aktuellen Sportstudio tatsächlich "Schalke 05". Am 28. August 2004 durfte sich Thomas in der Schalker Arena für ihren Lapsus entschuldigen.

Schalke Mythos Eichberg

Quelle: imago sportfotodienst

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Durststrecke, Teil II: Schalke 04 hat seit 1958 keine Deutsche Meisterschaft mehr gewonnen. Zwischen 1978 und 1996 nimmt Schalke nicht an einem europäischen Wettbewerb teil. Dass die Rückkehr auf die internationale Bühne eine glanzvolle sein würde, konnte damals niemand ahnen. Zunächst einmal folgte nämlich ein Schock.

ARENA AUF SCHALKE

Quelle: SZ

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"Schalker Verhältnisse" - so nannte man es jahrelang, wenn ein Sportverein durch Eitelkeiten und Unfähigkeit der Funktionäre ins Chaos gestürzt wird (mittlerweile heißt es eher "1860-Verhältnisse"). Der Verein ist Ende der 1970er Jahre verschuldet, auf den Mitgliederversammlungen wird gestritten, es stinkt nach Rauch und Bier. Im Jahr 1981 geschieht, was wohl niemand auf Schalke für möglich gehalten hätte: Der Verein steigt nach 55 Jahren Erstklassigkeit ab.

Luftaufnahme Arena 'AufSchalke'

Quelle: dpa/dpaweb

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Schalke und Spiritualität, das gehörte schon immer irgendwie zusammen. Am 2. Mai 1987 feierte Papst Johannes Paul II. eine Messe im Parkstadion, die spätere Arena auf Schalke (im Bild: beide Stadien) ist neben dem Nou Camp das einzige Fußballstadion, das eine Kapelle beherbergt.

Schalke Mythos Eichberg

Quelle: Imago

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Wie ein Gott führte sich auch Günter Eichberg (im Bild mit dem damaligen Trainer Günter Siebert) auf, nachdem er Präsident von Schalke 04 geworden war - er begnügte sich aber mit dem Titel Sonnenkönig. Unter seiner Präsidentschaft gelingt im Jahr 1991 der Aufstieg, allerdings hinterlässt Eichberg bei seinem Rücktritt 1993 einen gewaltigen Schuldenberg. Auf der Mitgliederversammlung 1994 gab es dann wieder Schalker Verhältnisse. Helmut Kremers hielt eine launige Rede, schimpfte auf Borussia Dortmund ("Für die hätten wir uns damals nicht mal umgezogen") - und wird trotz absoluter Ahnungslosigkeit, wie man einen Verein führt, zum Präsidenten gewählt. Die Banken drohen, dem Verein die Unterstützung zu entziehen - Kremers muss abtreten.

THON

Quelle: AP

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Glorreiche Rückkehr auf die internationale Bühne: Zum ersten Mal seit 19 Jahren darf Schalke in der Saison 1996/97 wieder an einem europäischen Wettbewerb teilnehmen - und gewinnt sofort den Titel. Die Elf wurde nach Siegen über Brügge, Valencia und Teneriffa nur noch Eurofighter genannt und gewann das Endspiel gegen Inter Mailand im Elfmeterschießen.

Schalke 04 gegen SpVgg Unterhaching, 2001

Quelle: AP

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Eine Meisterschaft hätten wir nun beinahe verschwiegen: Im Jahr 2001 gewannen die Schalker den Titel "Meister der Herzen". Vier Minuten lang lagen sich Spieler, Fans und Verantwortliche in den Armen und feierten die Deutsche Meisterschaft - und dann traf Patrick Anderson in der Nachspielzeit noch für den FC Bayern. Es war das wohl dramatischste Finale in der Geschichte der Bundesliga. "Du bist ein paar Minuten lang Deutscher Meister", sagte der damalige Manager Rudi Aussauer später. "Und dann haben sie uns das Ding geklaut."

Rudi Assauer wird 60

Quelle: dpa/dpaweb

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Der letzte Skandal: Im Jahr 2006 wurde bekannt, dass Schalke 04 hoch verschuldet war. Der damalige Finanzvorstand Josef Schnusenberg sprach von 195 Millionen Euro Verbindlichkeiten. In den folgenden Jahren musste sich der Verein entschulden, es wurde ein Sponsorenvertrag mit dem russischen Energiekonzern Gazprom geschlossen, dazu eine Kooperation mit Zenit St. Petersburg vereinbart.

FC Schalke 04 - Inter Mailand

Quelle: dapd

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Nun steht Schalke vor dem nächsten Höhepunkt seiner Vereinsgeschichte. Im Halbfinale der Champions League geht es gegen Manchester United. Es würde zur Geschichte dieses Vereins passen, wenn in diesen beiden Spielen etwas passieren würde, womit kein Mensch rechnen kann.

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© sueddeutsche.de/hum
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