Schalke 04 in der Champions League:Seht her, ich kriege das doch hin!

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Kurzzeitig erleichtert: Schalkes Trainer Jens Keller (rechts). (Foto: dpa)

Das Schalker 2:0 gegen den FC Basel hat auch das dilettantische Schiedsrichtergespann ermöglicht. Trotzdem sieht Trainer Jens Keller den Einzug ins Champions-League-Achtelfinale als sein Verdienst an. Auf echte Rückendeckung von der Vereinsspitze wartet er vergeblich.

Von Andreas Morbach, Gelsenkirchen

Bevor Jens Keller irgendetwas zum 2:0-Erfolg gegen den FC Basel sagte, griff er nach der silbernen Kaffeekanne, die vor ihm auf dem Tisch stand, goss sich ein, rührte mit dem Löffel genüsslich in der Tasse. Dann erzählte der Coach ebenso genießerisch, dass seine Spieler im Duell mit dem Schweizer Meister alles genauso gemacht hätten, wie er sich das vorgestellt habe.

Die Botschaft des königsblauen Übungsleiters: Seht her, ich kriege das doch hin hier auf Schalke. Wobei Keller auch nicht vergaß, die besonderen Umstände zu erwähnen, unter denen das finale Gruppenspiel in der Champions League stattfand. "Der Druck", sagte er also, "ist ja nicht so klein gewesen in den letzten Tagen."

Selbst für den Druck-Experten aus Schwaben hatte die Anspannung vor dem Showdown gegen Basel ungewohnt hohe Werte erreicht. Nachdem Kellers Ensemble zuletzt binnen vier Tagen im Pokal gegen Hoffenheim schweren Schiffbruch erlitten und in der Liga in Gladbach den Kontakt zu den Königsklasseplätzen verloren hatte, kündigte Manager Horst Heldt für das Ende der Bundesligahinrunde eine "authentische und gnadenlose Bewertung" an.

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:"Mit Spitzenfußball hatte das nichs zu tun"

Basels Trainer Murat Yakin beschwert sich über das Abseits-Tor von Schalkes Joel Matip, der Torschütze selbst ist überrascht. BVB-Trainer Jürgen Klopp erlaubt seinem Siegtorschützen Kevin Großkreutz ein Kaltgetränk an der Hotelbar.

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Daran hat auch der Erfolg vom Mittwoch nichts geändert - doch Jens Keller ist inzwischen froh über jede unbeschwerte Stunde in seinem aufreibenden Traineralltag. "Ich bin wahnsinnig erleichtert, dass wir bis Sonntag vielleicht mal ein bisschen Ruhe haben", meldete der S04-Coach für die Zeit bis zum nächsten Spiel gegen Freiburg entsprechend bescheidene Ansprüche an.

Zumindest diese Verschnaufpause dürfte dem 43-Jährigen vergönnt sein - auch wenn der Sieg seines Teams über Basel durch eine Reihe glücklicher Umstände begünstigt wurde. So musste Keller wegen einer Oberschenkelverletzung von Kapitän Benedikt Höwedes nach einer halben Stunde umstellen: Er beorderte Kevin-Prince Boateng aus dem Angriff ins defensive Mittelfeld, wo der ghanaische Nationalspieler fortan deutlich mehr Wirkungskraft entfaltete - und schickte Adam Szalai auf Boatengs Position.

Kaum war der gelernte Stürmer im Spiel, riss ihn Basels Ivan Ivanov auf dem Weg zum Tor um, wurde dafür vom Feld geschickt - und S04-Sportchef Heldt konstatierte später: "Die Rote Karte hat uns in die Karten gespielt." Ebenso wie Joel Matips entscheidender Treffer zum 2:0 - sechs Minuten nach Julian Draxlers Führungstor (51.), und subventioniert durch ein rekordverdächtig dilettantisches Schiedsrichtergespann aus Italien. Brachten Chefreferee Paolo Tagliavento und seine vier Helfer es doch fertig, nach einem Freistoß von Jefferson Farfán die Abseitspositionen von gleich vier Schalker Spielern zu übersehen.

"Das war die absolute Krönung. Das hat nichts mehr mit Spitzenfußball zu tun, wenn man so etwas übersieht", giftete FCB-Coach Murat Yakin, der neben seinem allgemeinen Verdruss über die Unparteiischen aber auch die fehlende Cleverness des eigenen Teams anmahnte und in dem Zusammenhang gar das berühmte Bonmot von Gary Lineker bemühte: "Wenn du gegen Deutschland spielst, gewinnt immer die deutsche Mannschaft - und daraus müssen wir lernen."

Horst Heldts Lernerfolg aus dem vierten Einzug einer Schalker Mannschaft ins Achtelfinale der Champions League war definitiv zwiespältig. Zum einen befand der Manager in einem kurzen Anflug von Poesie: "Heute ist der Tag der Erleichterung, der Freude und des Lächelns."

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Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Anderseits war mal wieder der Diplomat in ihm gefordert, als Heldt in puncto Trainerfrage erklärte: "Ich kann nicht nach einem Sieg alles revidieren - genau wie ich das nach einer Niederlage nicht kann."

Seinen angeschlagenen Günstling auf der Trainerbank können solche Aussagen längst nicht mehr erschüttern. "Ich bin jetzt seit 360 Tagen Trainer auf Schalke. Und sagen Sie mir einen Tag, an dem kein Druck da war", kennt Jens Keller seine unglückliche Rolle in Gelsenkirchen schließlich nur zu genau.

Nach dem Sieg über Basel rekapitulierte er bereits kurz die emotionalen Highlights seiner königsblauen Zeit. Erwähnte den geglückten Sprung in die Champions-League-Qualifikation in Freiburg (im Mai), den geglückten Sprung in die Champions-League-Gruppenphase in Saloniki (im August) - und schloss mit dem Satz: "Der Großteil der Tage hier ist für mich schon auch schön gewesen." Ein kantiges Bekenntnis, das fast schon wie die Abschiedsrede von Schalke klang.

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