Viel wurde gespottet, nachdem am Donnerstag das Interesse von Schalke 04 an einer Rückkehr des 37-jährigen Klaas-Jan Huntelaar die Runde machte. Demnächst wollten die Schalker wohl mit ihrer Traditionself auflaufen, hieß es, und ob nicht auch Klaus Fischer, 71, mit ein paar Fallrückziehern helfen könnte. Andere schickten Bilder von Heiko Westermann herum oder stellten fest, dass Jefferson "das Seehündchen" Farfán, 36, zurzeit anstellungslos sei.
Letzteres könnte Sportvorstand Jochen Schneider glatt auf eine Idee gebracht haben. Der Manager ist sich bei dem Bemühen, die Sturmreihe kostengünstig aufzurüsten, für keinen peinlichen Gang zu schade. Sogar bei Vedad Ibisevic versuchte er sein Glück, obwohl er den 36-Jährigen Ende November selbst vor die Tür befördert hatte - just an jenem Tag, an dem sich Schalkes Stamm-Mittelstürmer Goncalo Paciencia im Training am Knie verletzte, weshalb er nun bis April ausfällt. Ibisevic hatte durch unverhohlen schlechte Laune die Autorität von Trainer Manuel Baum untergraben, aber Baum ist inzwischen Vergangenheit, und so ergriff Schneider im Interesse der Sache die Initiative. Auf eine Rückkehr wollte sich der Bosnier Ibisevic allerdings nicht mehr einlassen.
Jene hochmütigen Menschen, die jetzt Schneiders nächsten Transferplan als romantischen, aber abwegigen Anfall abgetan hatten, erhielten am Donnerstagabend eine einschüchternde Entgegnung. Nicht vom Schalker Funktionär, sondern von Huntelaar höchstpersönlich. Der "Hunter", wie er seit jeher gerufen wird, kam in der 89. Minute von der Bank in die niederländische Ligapartie zwischen Ajax Amsterdam und Twente Enschede - und leistete sofort die saubere Arbeit eines Spezialisten: In der 90. Minute schoss er mit links das Tor zur 2:1-Führung, in der 91. Legte er mit rechts das 3:1 nach. Ajax hatte bestellt, der Hunter lieferte im Expressdienst.
Am nächsten Tag berichtete Schalkes Trainer Christian Gross von seiner Hoffnung, dass Huntelaar solche Jobs künftig wieder in Gelsenkirchen erledigen möge. Der neue schweizerische Coach hat sich bereits mit dem Alt-Star unterhalten, um ihn zur Aushilfe bei seinem früheren Klub zu bewegen. "Gegenseitiges Interesse ist da", bestätigte Gross, "aber noch ist es nicht fix". Die Entscheidung steht wohl am Wochenende an. "Wenn ein Spieler mit dieser Aura, dieser Erfahrung und diesen Qualitäten sich nochmal bei uns reinhängen würde, dann wäre das fantastisch", schwärmte der Trainer, der die Pressekonferenz vor dem Spiel bei Eintracht Frankfurt quasi als Werbeplattform nutzte. Huntelaar soll neben Torwart Ralf Fährmann und dem Rückkehrer Sead Kolasinac die Fraktion der Alt-Schalker vergrößern: "Es ist seine Persönlichkeit, die uns guttun würde, und sportlich bin ich überzeugt, dass er uns in vielen Momenten helfen könnte."
Ajax oder Schalke? "Es ist als ob man sich zwischen zwei Kindern entscheiden muss."
Huntelaar weiß nicht, was er tun soll. Während Ajax-Trainer Erik ten Hag versicherte, seinen Scharfschützen behalten zu wollen, sieht der Spieler die Not seines Ex-Klubs: "Ich muss das jetzt überlegen", sagte er dem niederländischen Sender NOS: "Es sind zwei schöne Klubs. Bei Ajax habe ich sechseinhalb Jahre gespielt, bei Schalke sieben Jahre. Es ist, als ob man sich zwischen zwei Kindern entscheiden muss`, sagte Huntelaar, der im echten Leben sogar Vater von vier Kindern ist.
Die Freigabe von Ajax stellt nach Meinung des Umworbenen das geringste Hindernis dar, auch der Faktor Geld ist eher nachrangig, es ist ein Kampf der Argumente und Gefühle. Mit Ajax könnte Huntelaar Meister werden, mit Schalke bestenfalls Meister in der Abstiegszone. Einen Stammplatz hätte er weder hier noch dort. In Amsterdam wird es für ihn nach dem Zukauf des früheren Frankfurters Sébastien Haller im Sturm schwieriger, auf Schalke fehlten ihm womöglich die Flanken und Zuspiele. Optimismus schöpft Trainer Gross aus emotionaler Gefangenschaft: "Wenn ein Spieler auf Schalke gespielt hat, dann ist er infiziert von diesem Virus Schalke."
Bei Eintracht Frankfurt wird sicher keiner über Schalkes Ehemaligen-Kampagne lachen. Hier werden alte Helden traditionell besonders respektiert. Dem nächsten Spiel sehen die Frankfurter daher mit Wehmut entgegen, denn am Sonntag wird Abwehrchef David Abraham seinen Abschied geben. Der 35-Jährige kehrt in seine argentinische Heimat zurück, zugunsten seiner Frau und seines fünfjährigen Sohnes Alfonso, doch zulasten des Klubs, dem er fünfeinhalb Jahre angehört hat und ihn gern behalten würde. Abschiedstränen sind auf beiden Seiten garantiert, spätestens dann, wenn er wie geplant im Mai zurückkehrt, um dem Publikum im Waldstadion Adieu zu sagen. Abraham wird aber nicht nur in Frankfurt sehr verehrt, sondern auch in Gelsenkirchen geschätzt. Als der Verteidiger seine Europa-Karriere beim FC Basel startete, hieß sein erster Trainer Christian Gross - Sentimentalitäten überall.
Statt des alten Jägers Huntelaar wird am Sonntag wieder der junge Matthew Hoppe das Schalker Sturmzentrum besetzen, die Frankfurter werden ihm vermutlich mehr Aufmerksamkeit widmen als die Hoffenheimer am vorigen Wochenende. Der Hattrick beim 4:0 gegen die TSG hat Hoppe schlagartig berühmt gemacht. Gross berichtete: "Ich war froh, dass er am Dienstag im Training war und nicht in Amerika - auf Anfrage von Hollywood." Immerhin: Nachdem die Schalker zuletzt viele Witze auf ihre Kosten ertragen mussten, machen sie jetzt wieder selbst welche.