Um 20:20 Uhr besiegelte Manuel Gräfe im Borussia-Park zu Mönchengladbach ein Jubiläum, das in Gelsenkirchen niemand feiern wird. Mit dem Schlusspfiff des wie immer exzellenten Schiedsrichters empfing Schalke 04 nicht nur eine weitere Niederlage, sondern die Bestätigung, auch im 25. Ligaspiel hintereinander nicht gewonnen zu haben. Hängende Köpfe und verzweifelte Gesten der Akteure hatten sich aber längst erübrigt, Borussia Mönchengladbach lag mit 4:1 vorn, das Spiel war schon eine Weile gelaufen.
Der Favorit gewann verdient, aber nicht so überlegen, wie es das Ergebnis verheißt. Die ersatzgeschwächten Schalker hatten lange Zeit überraschend gut mitgehalten und waren dabei zwischenzeitlich die bessere Mannschaft. Auf Dauer setzten sich aber die Klasse und die einstudierte Spielanlage der Borussen durch, die Schalker Deckung hielt der gegnerischen Offensive in den entscheidenden Momenten nicht stand. Das klingt verdächtig nach dem Los eines Abstiegskandidaten: ehrenwert gewehrt, nicht chancenlos gewesen, trotzdem in der Höhe verdient verloren. Nächste Station: Heimspiel gegen Leverkusen, leichter wird es dann vermutlich nicht.
"Mit einer Niederlage kann ich nie leben, aber wir hatten gute Phasen. Aber dann ist bei uns leider wieder der Stecker gezogen worden mit dem 3:1", lautete das Tages-Fazit von Stürmer Mark Uth. Trainer Manuel Baum äußerte sich ähnlich. "Bis zum 1:2 haben wir recht gut gespielt. In den ersten 30 Minuten habe ich uns besser gesehen als die Gladbacher, dann nicht mehr."
Sturmspitze bei Schalke war Matthew Hoppe, 19, aus dem Regionalliga-Team
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Eine wilde Woche lag hinter den Schalkern nach den Suspendierungen von Amine Harit und Nabil Bentaleb und der Trennung von Vedad Ibisevic (sowie Kaderplaner Michael Reschke), und womöglich gab es am Samstag Fans, die sich gewünscht haben, ihr Klub hätte nicht gar so streng sein dürfen. Das durch Verletzungen (Oczipka, Paciencia, Sané) und einen Corona-Fall dezimierte Aufgebot war ein Verlegenheitsaufgebot. Den verwaisten Platz in der Sturmspitze übernahm ein 19 Jahre alter Amerikaner namens Matthew Hoppe, der bisher in der Regionalliga West gespielt hatte, auf der Bank saßen die Junioren Münir Levent Mercan, Kerim Calhanoglu (Cousin von Hakan) und Luca Schuler. Die Gladbacher wirkten dagegen mit ihrer 1-A-Besetzung wie Angeber, die ihren Porsche aufheulen lassen, besonders das offensive Kraftmeier-Trio Thuram, Pléa und Embolo war dazu angetan, den Schalkern Angst zu machen. Zudem feierte der lang vermisste Mittelfeldchef Zakaria sein Startelf-Debüt.
Doch das erwartete Bild stellte sich nicht ein, die Schalker spielten nicht nur mit, sie machten das Spiel und fanden auch öfter den Weg vors Tor. Mark Uth und Debütant Hoppe hatten zarte Gelegenheiten zum erfolgreichen Torschuss, der Treffer stellte sich dann aber auf der Gegenseite ein. Pléa schickte Thuram steil, der an Torwart Rönnow scheiterte und dennoch jubeln durfte: Neuhaus erwischte aus dem Hintergrund den Abpraller und traf ins Netz, obwohl sich vier Schalker in der Schussbahn befanden (12. Minute) - die einander behinderten. Das sah nach einem typischen Fall von Pech im Abstiegskampf aus.
Anders als üblich verloren die Schalker aber nicht den Mut und setzten ihren Marsch nach vorn fort. Suat Serdars Rückkehr machte sich sowohl im Spiel mit wie gegen den Ball bezahlt, Uth bot sich als Abnehmer und Verteiler an. Die Hausherren wiederum schienen in den vergangenen Tagen zu oft gelesen zu haben, dass der Gegner in Trümmern liegt. Sie spielten unkonzentriert und machten im Aufbauspiel ungewohnt viele Fehler. Eines dieser missglückten Zuspiele (in diesem Fall von Thuram) landete in der 20. Minute bei Uth, der mit einem eleganten Heber Raman freispielte. Dessen ebenso elegante Volley-Abnahme sorgte für den Ausgleich und eine Phase, die Schalke-Fans lange nicht erlebt hatten. Ihr Team verschaffte sich Feldvorteile und eine Reihe von Chancen, in Führung zu gehen. Uth traf mit einem Freistoß den Pfosten, es sah mehr als achtbar aus.
Die Tore verdankten die Gladbacher den Fehlern von Schalke 04
Das erkannten allmählich auch die Gladbacher, mühsam, aber stetig eroberten sie sich ihr Spielniveau. Den erneuten Führungstreffer verdankten sie aber einem dieser typischen Schalker Deckungsfehler. Ludewig ließ Wendt im Rücken entwischen, da war's geschehen (36.). Bis zur Pause mussten die Gäste nun den knappen Rückstand verteidigen, unter anderem traf Thuram die Latte. "Bei uns stimmt Aufwand und Ertrag nicht. Wir waren selbst schuld daran, wie die Tore zustande gekommen sind", sagte Baum.
Auch in der zweiten Hälfte blieb die Partie zunächst in beide Richtungen offen. Uth betätigte sich weiterhin zugleich als Angriffsmotor und Schwerarbeiter, die Borussen ließen ein paar Freiräume. In der 52. Minute aber gelangten die königsblauen Wunschvorstellungen schon an die Grenze des Vorstellbaren. Thuram hatte mit einem Abstauber nach einem von Rönnow abgewehrten Pléa-Schuss das 3:1 besorgt. Danach schafften es die Schalker zwar immerhin noch, dem Reflex zum Aufgeben zu widerstehen, ihre Angriffsversuche gerieten nun aber weitgehend zahnlos. Ein Fehler von Kabak an der Mittellinie brachte das 1:4 durch den eingewechselten Wolf. Auf weitere Beutejagd verzichteten die Borussen pietätvoll.