Schach-WM:Warum wird Schach von Männern dominiert, Frau Großmeisterin?

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Die Iranerin Dorsa Derakhshani zählt zu den besten Schachspielerinnen der Welt.

(Foto: David Llada/Krulich Cup)

Die 18-jährige Iranerin Dorsa Derakhshani ist eine der weltbesten Schachspielerinnen. Hier spricht sie über ihren Ehrgeiz, die Kopftuchpflicht bei der Frauen-WM - und den Geschlechterkampf am Brett.

Interview von Thomas Gröbner

Die 18-jährige Iranerin Dorsa Derakhshani ist in ihrer Altersklasse eine der besten Schachspielerinnen der Welt. Im Interview erzählt sie, warum sie nicht mehr für ihr Heimatland antritt, Frauen bei der WM in Iran verschleiert spielen sollen und warum sie lieber Männer herausfordert. "Es ist wie Tanzen. Wenn man jeden Tag tanzt, wird man ein guter Tänzer", sagt Derakhshani.

SZ: Iran gilt als die Wiege des Schachspiels. Trotzdem haben Sie Ihre Heimat verlassen und sind nach Barcelona gezogen, um dort Schach zu spielen. Warum?

Dorsa Derakhshani: Es gibt in Iran viel Geld für Schach, Iran ist reich - Gott sei Dank. Ich meine, das Land kann sich Atombomben leisten. Aber sie verwenden es nicht für die richtigen Dinge. Anstatt Trainer zu bezahlen, die an unseren Schwächen arbeiten, bekommen wir Vorträge. Ich habe null Unterstützung vom Verband erhalten. Eigentlich ist es seine Aufgabe, Talente zu erkennen und zu fördern.

Und das ist in Europa besser?

Egal, wo ich hier bin: Es ist gut für mein Schachspiel. Hier gibt es stärkere Turniere. Mein Plan ist es, in zwei Jahren in Europa meinen Elo-Wert (Spielstärke im Schach; Anm. d. Red.) über 2500 zu bringen. Ich stehe bei 2370 im Moment, damit bin ich bei den Frauen die Nummer zwei der Welt unter 18 und die Nummer eins in Asien.

Bei Schachturnieren spielen oft junge Frauen gegen ältere Männer. Warum?

Es ist viel sinnvoller, gegen Männer zu spielen, um sich zu verbessern. Es gibt nicht viele Unterschiede zwischen Männer- und Frauenschach. Beide sitzen am gleichen Brett, beide haben die gleiche Zeit, beide benutzen ihr Gehirn. Ich weiß, ich werde so nicht viele Preise gewinnen, aber es wird mich besser machen. Ich möchte in die Top Ten der Frauen. Ich denke, das wird nicht so schwer. Vielleicht kann ich es auch unter die Top Ten der Männer schaffen.

Woher nehmen Sie Ihre Selbstsicherheit?

Es ist nur Schach. Man liest Bücher, löst seine Probleme, spielt mehr Turniere. Es ist wie Tanzen. Wenn man jeden Tag tanzt, wird man ein guter Tänzer.

Schach verlangt viel von einem. Was bekommt man zurück?

Das ist eine gute Frage. Ich glaube, ich möchte die Beste sein, egal was ich tue. Aber ich glaube auch, dass kaum ein Schachspieler zufrieden mit sich ist. Es ist wie eine Jagd nach dem perfekten Spiel, nach dem perfekten Turnier. Und ich möchte meine Eltern stolz machen.

Aber eigentlich ist Schach doch nicht für junge Menschen gemacht, ständig alleine am Brett ...

Ja, ich weiß, was die Leute meinen. Viele meiner Freunde hab mich ausgelacht, haben gefragt: "Warum gehst du nicht mit uns feiern? Du solltest über Jungs nachdenken und nicht über Schachfiguren." Das habe ich oft gehört. Aber jeder will gut in etwas werden. Jeder will gesehen werden. Für mich wäre schön, wenn ich damit viel Geld verdiene, aber das muss nicht sein. Meine Familie hat genug.

Wer spielt besser Schach: Männer oder Frauen?

Frauen haben jeden Monat einen Kampf in ihrem eigenen Körper, Frauen bekommen Kinder - das sind andere Voraussetzungen. Aber ich glaube, jeder, der genug Energie und Liebe in etwas steckt - Schach, Mathe, Musik - wird dafür belohnt, egal ob Mann oder Frau.

"Es ist ein statistisches Problem"

Aber warum wird Schach von Männern dominiert?

Es ist ein statistisches Problem. Es gibt einfach viel weniger Schachspielerinnen. Es gibt vielleicht 150 professionelle Schachspielerinnen auf der Welt. Ich denke, ich gehöre zu den Top 100. Und auf der anderen Seite gibt es viele, viele Männer, die Großmeister sind. Aber die nicht als Profis spielen, sondern nur zum Spaß. Ich bin der Diskussion schon müde ...

Gut, sprechen wir über Schach in Iran.

Nach der Revolution vor vierzig Jahren wurde Schach verboten. Für zehn Jahre wurde Schach nur noch im Geheimen gespielt. Davon hat sich Schach in Iran erst langsam wieder erholt.

Wie schwierig ist es für Mädchen, in Iran Schach zu spielen?

Es war früher schwierig. Aber ich konnte in jedem Turnier spielen, gegen Frauen, gegen Männer. Aber viele junge Mädchen trauen sich nicht, gegen Männer zu spielen. Viele freuen sich schon, wenn sie gegen einen Mann eine Stunde durchhalten, ohne zu verlieren. Das ist nicht der Weg, um Schach zu spielen. Wer sich Schachspieler nennt, sollte nicht denken: Wie überlebe ich eine Stunde? Sondern: Okay, wie kann ich den Typen fertigmachen? Aber weil viele keinen Trainer haben und gegen den Computer spielen, denken sie nur in einzelnen Zügen.

Im Februar 2017 ist die Frauen-Schach-WM in Iran. Es gab viel Aufregung, weil die Spielerinnen dort verschleiert antreten müssen.

Das hat nichts mit Schach zu tun. Das ist eine Regel, auch wenn eine Frau als Touristin kommt, muss sie einen Hidschāb tragen. Ich verstehe die Haltung und auch, dass die Frauen nicht glücklich sind darüber. Aber das ist der Code hier, und den muss man beachten.

Kann sich eine Frau in Iran frei entwickeln?

Wenn eine Frau Schach spielen will, kann sie das. Die erste Frau, die zum Mond geflogen ist, ist aus Iran, glaube ich. (Anm. d. Red.: Anousheh Ansari war die erste Weltraumtouristin, die 2006 zur internationalen Raumstation ISS geflogen ist.) Ich habe ihr mal eine E-Mail geschrieben, dass sie mein Idol ist, aber ich habe nie eine Antwort bekommen. Na ja, wenn du Tänzerin werden willst in Iran, das könnte ein Problem werden. Es ist schwierig, aber viele Dinge sind möglich.

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