Schach-WM:"Der härteste Konkurrent, den ich je hatte"

  • Der norwegische Weltmeister Magnus Carlsen verteidigt seinen Titel nach drei Siegen im Tiebreak.
  • Der Herausforderer Fabiano Caruana hält das Duell lange offen, macht dann aber in aussichtsreicher Lage den entscheidenden Fehler.
  • Hier ist der Tiebreak zum Nachspielen und Nachlesen.

Von Johannes Aumüller

Die letzten Züge dieses Abends und dieser bemerkenswerten Schach-WM verlebte Magnus Carlsen vergleichsweise entspannt. Er führte in den Schnellschachpartien schon mit 2:0, er stand auch in der dritten Partie klar besser, aber noch wollte sein Gegenspieler Fabiano Caruana nicht aufgeben. Dieser bewegte noch ein bisschen seine Figuren, selbst als Carlsen schon zwei Damen auf dem Brett hatte. Doch irgendwann musste Caruana einsehen, dass die Sache gelaufen war - und beendete die Partie. Mit 3:0 gewann Carlsen den Tiebreak und verteidigte so in London seinen Titel.

"Ich würde sagen, ich hatte heute einen ziemlich guten Tag auf der Arbeit", scherzte der 27-jährige Norweger hinterher. Carlsen war nach den zwölf Remis-Ergebnissen in den regulären Partien zwar als Favorit in diese Zusatzrunde gegangen, aber dass diese so eindeutig endete, war doch überraschend.

Ein letztes Mal saßen die Kontrahenten am Mittwochabend also in diesem zirka 70 Quadratmeter großen Raum des Londoner Holborn Colleges, in dem sie in den vergangenen zweieinhalb Wochen so viele Stunden verbracht hatten. Ein schönes Setting war das ja, ein Tisch und ein Schachbrett, zwei Stühle und viele Wasserflaschen, und auf der einen Seite eine große Glasscheibe als Abtrennung zum Zuschauerraum, schall- und von innen aus blickdicht, damit auch nichts die beiden Denker würde stören können.

Carlsen hat sich an diesem Ort in den vergangenen zweieinhalb Wochen nicht immer wohl gefühlt. Manchmal war es ihm sogar so kalt, dass er eine Jacke anzog, und manches Mal hat er sehr leidend geschaut, weil ihm die starke Vorbereitung und die tiefen Kalkulationen Caruanas zu schaffen machten. Aber an diesem finalen Abend, da lief von Beginn an alles für ihn. Und recht schnell wirkte es so, als würde ihm diese Form des Schachsports - beim Schnellschach hat jeder Spieler nur 25 Minuten pro Partie plus einen Zuschlag von zehn Sekunden nach jedem gespielten Zug - irgendwie mehr Freude bereiten als die regulären Partien, die sich mit ihren langen Nachdenkphasen schon mal sechs, sieben Stunden hinziehen können.

Caruana leistet sich einen entscheidenden Verlustzug

In der ersten von vier angesetzten Schnellschach-Partien baute Carlsen von Beginn an viel Druck auf, es sah aber trotzdem lange nach einem Remis aus - bis Caruana ein ungenauer Königszug unterlief und Carlsen plötzlich besser stand. In der zweiten Runde ging Caruana offensiver zu Werke und schuf sich sogar einen gefährlich wirkenden Freibauern. Aber dann schob er in einer scharfen Stellung diesen Freibauern noch weiter nach vorne auf das Feld c7 - was sich rasch als Verlustzug erwies. Und in der dritten Partie, in der Caruana mit Schwarz zwingend gewinnen musste, um sich noch Hoffnungen auf den Titel machen zu können, fand er in keinem Moment eine richtige Angriffsposition und musste schließlich miterleben, wie Carlsen auch diese Partie gewann.

"Ich hatte nie wirklich eine Chance", sagte Caruana über diesen Abend: "Ich habe nicht ansatzweise auf seinem Level gespielt." Der Italo-Amerikaner war schon der zweite Herausforderer nacheinander, der gegen Carlsen im Stechen den WM-Kampf verlor. Vor zwei Jahren war das dem Russen Sergej Karjakin so ergangen, aber der hatte immerhin kein 0:3 kassiert, sondern noch zwei Remis geschafft. In den Partien mit kurzer Bedenkzeit ist Carlsen offenbar der Stärkste, weil er ein gutes Gefühl für die Stellung hat, während etwa Caruanas Stärke eher in der präzisen und tiefgründigen Analyse liegt. Wofür im Schnellschach eben keine Zeit ist.

Es war das insgesamt vierte Mal seit 2013, dass Carlsen einen WM-Kampf für sich entschied. Zunächst hatte er dem Inder Viswanathan Anand den Titel abgetrotzt, ein Jahr später gegen diesen verteidigt. Beide Male tat er das recht souverän während der regulären Partien. Und danach folgten die beiden Triumphe im Stechen gegen Karjakin 2016 und nun gegen Caruana. "Fabiano war der härteste Konkurrent, den ich in einem WM-Kampf je hatte. Ich bin froh, diese Herausforderung gemeistert zu haben", sagte der Sieger.

Es war in der Tat ein harter Kampf und ein bemerkenswertes Match in London. Denn trotz der zwölf Remis-Partien war es keineswegs langweilig, sondern fast durchweg hochklassig zugegangen. Carlsen war nicht mehr so dominant wie in den vergangenen Jahren, aber andererseits wirkte Caruana auch bestens vorbereitet. Je zweimal hatten beide Akteure die Chancen auf einen Sieg, Carlsen jeweils leicht bessere als Caruana. Aber weil diese keiner nutzte, musste das Stechen die Entscheidung bringen - in dem sich Carlsen dann wieder so stark wie früher präsentierte.

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Carlsen And Caruana Set For Quickfire World Chess Final

Schach-WM
:Der Tiebreak zum Nachspielen und Nachlesen

Magnus Carlsen kürt sich erneut zum Schach-Weltmeister. Der Titelverteidiger gewinnt alle drei Partien des Tiebreaks gegen seinen Herausforder Fabiano Caruana in London.

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