Paderborn-Trainer Baumgart:"In unserem Kader habe ich die meiste Bundesliga-Erfahrung"

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Der Durchmarsch in die Bundesliga ist gelungen: Paderborn-Trainer Baumgart feiert

(Foto: imago images / Revierfoto)

Als Steffen Baumgart zu Paderborn kam, hatte er nur maue Referenzen. Wie dem hemdsärmeligen Trainer mit seinem kleinen Klub der Durchmarsch in die Bundesliga gelungen ist.

Von Ulrich Hartmann, Paderborn

Kurz vor jedem Heimspiel des SC Paderborn gibt es den Moment, in dem Trainer Steffen Baumgart ins Stadion kommt, um den Rasen zu prüfen und den Fans zuzuwinken. Dann wird es sehr laut im Fanblock, als wäre ein Hollywoodstar erschienen oder der Papst. Baumgart, 47, ist der Held des Paderborner Bundesliga-Aufstiegs, weil er kein selbstgefälliger Fußballlehrer ist, der kluge Reden schwingt. Der gebürtige Rostocker ist hemdsärmelig und ein rustikaler Rhetoriker, aber er schenkt Paderborn seit zwei Jahren den unterhaltsamsten Fußball der Klubgeschichte. Leider gibt es sein Käppi mit der aufgedruckten "72" nicht zu kaufen. Sonst stehen auf Kleidungsstücken im Profifußball ja die Initialen des Besitzers, aber Baumgart wählte sein Geburtsjahr. "SB", sagt er, "klingt mir zu sehr nach Selbst-Bedienung."

Der vom Sozialismus geprägte Baumgart und der ostwestfälische SC Paderborn passen irgendwie perfekt zusammen. Der Klub hat sechs verrückte Jahre hinter sich, in denen er drei Mal einen zweiten und drei Mal einen 18. Abschlussplatz belegte. Das bedeutete drei Aufstiege und drei Abstiege, wobei der Abstieg 2017 in die vierte Liga dem SCP erspart blieb, weil 1860 München keine Drittliga-Lizenz erhielt.

Der 22-monatige Durchmarsch

Baumgart hat als Trainer ähnlich emotionale Jahre hinter sich: 2015 stieg er mit dem SSV Köpenick-Oberspree in die Kreisliga ab, 2016 verpasste er mit dem Berliner AK knapp den Aufstieg in die dritte Liga; später wurde er dort entlassen. Maue Referenzen stören in Paderborn aber niemanden. Im Frühjahr 2017 fand der Sportdirektor Markus Krösche, dass Baumgarts geradliniger Offensivfußball perfekt zum SCP passt. Nach dem Klassenerhalt am grünen Tisch startete die Elf jenen 22-monatigen Durchmarsch, der sie von der dritten Liga bis in die Bundesliga geführt hat.

Baumgart lernte in den Achtzigerjahren im Leistungszentrum der SG Dynamo Rostock-Mitte das Fußballspielen. Er wechselte zum PSV Schwerin, wo er nebenher DDR-Bereitschaftspolizist war. Nach der Wende ging er zur SpVg Aurich nach Ostfriesland, wo er auch eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker machte. Seine Profikarriere begann 1994 in Rostock. Bis 2007 bestritt Baumgart 224 Bundesligaspiele für Hansa, Wolfsburg und Cottbus. "In unserem Kader habe ich die meiste Bundesliga-Erfahrung", witzelt er jetzt in Paderborn.

"Uns erwarten 34 Endspiele"

Erstliga-Erfahrung haben noch die Abwehrspieler Uwe Hünemeier und Christian Strohdieck, weil sie vor fünf Jahren schon das erste Paderborner Bundesliga-Jahr unter Trainer André Breitenreiter mitmachten. Alle anderen aktuellen Kaderspieler haben Dritt- und Viertliga-Referenzen, ihre Zweitliga-Erfahrung resultiert nur aus der soeben beendeten Saison. Torwart Leopold Zingerle wurde in der Jugend der Bayern ausgebildet, Flügelstürmer Kai Pröger kam von Viertligist Rot-Weiß Essen, Flügelstürmer Christopher Antwi-Adjej von der TSG Sprockhövel (Oberliga). Bester Spieler der Saison ist Philipp Klement, zentral-offensiver Mittelfeldmann und mit 16 Treffern bester Torschütze. Auch er hatte vorher nie in der zweiten Liga gespielt.

"Der Trainerjob ist keine Doktorarbeit"

"Wir müssen unsere Spieler in Nischen finden, in denen sie andere gar nicht auf dem Radar haben", sagt Kapitän Hünemeier. Er lobt an dieser Stelle Baumgart und Krösche. Der Trainer sagt, ihm sei egal, wo ein Spieler herkomme, Hauptsache, er passe ins System. Der frühere Stürmer Baumgart fordert Leidenschaft und taktische Treue: hohes Anlaufen, hartnäckiges Attackieren, keine langen Bälle, gerne Pässe in die Tiefe. "Der Trainerjob ist keine Doktorarbeit", sagt er, "am wichtigsten ist Mentalität." Letztlich gehe es um drei Dinge: "Den Jungs Spaß vermitteln, sie zum Laufen bringen und die Fans begeistern."

Baumgart wollte schon früh Trainer werden. Sein Vater und Großvater waren Handball-Trainer. Frühere Trainer wie Andreas Zachhuber, Petrik Sander und Wolfgang Wolf nennt er inspirierend - "weil sie klare Ansagen gemacht haben und nie überkandidelt waren". Genauso will er es selbst machen: "So ein Professorengerede war nie mein Ding." 2015 hatte Baumgart seinen Fußballlehrerschein gemacht, zusammen mit Marco Rose und Florian Kohfeldt. Beide trifft er bald in der Bundesliga wieder, Rose in Mönchengladbach, Kohfeldt in Bremen. Sein Sportdirektor Krösche, 38, steht angeblich vor einem Wechsel zu RB Leipzig. Nicht nur wegen dieses möglichen Verlustes sagt Baumgart über die kommende Saison: "Uns erwarten 34 Endspiele."

Bis es soweit ist, drückt die Familie Baumgart aber noch Union Berlin in der Relegation gegen Stuttgart die Daumen; am nächsten Montag ist das Rückspiel in Berlin. Baumgart hatte zwei Jahre für Union gespielt und ist nach wie vor Mitglied, seine Frau Katja leitet dort die Fanshops. Der Familienwohnsitz ist Köpenick, die Heimat von Union.

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