Süddeutsche Zeitung

SC Freiburg:Sogar Christian Streich ist zufrieden

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"Jetzt haben wir 36 Punkte. 36 ist etwas ganz anderes als 33": Nach dem 3:1 gegen Union Berlin muss sich der SC Freiburg wohl endgültig keine Abstiegssorgen mehr machen.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Philipp Lienhart hatte seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass er so kurz nach dem Spiel nach seiner Meinung zum Coronavirus gefragt werden würde. Doch als der Fragesteller sich als Schweizer zu erkennen gab, klarten die Gesichtszüge des Freiburger Innenverteidigers auf. Dass im Nachbarland alle Spiele der ersten und zweiten Liga einen Monat lang ausgesetzt wurden, hatte sich natürlich bis nach Südbaden herumgesprochen. "Ich bin kein Mediziner", ließ Lienhart also wissen. "Aber ich bin froh, dass wir den Sieg mit den Zuschauern feiern konnten. Ohne Fans wäre das sicher ein ganz anderes Gefühl."

Wer wenig später Christian Streich sah, hatte da so seine Zweifel. Lienharts Trainer ist ja seit jeher einer, dessen Spaß am Fußball nur dann vom Atmosphärischen beeinflusst wird, wenn der Punktestand eh schon prächtige Laune verheißt. Wobei Streich den stets deutlich pessimistischer interpretiert als andere Zeitgenossen. Dass der SC diese Saison mit dem Abstieg nichts zu tun haben würde, gilt bundesweit ja in etwa seit November als gesicherte Erkenntnis. Streich hingegen würde da eher den 7. März 2020 und den 3:1-Sieg gegen Union Berlin als entscheidendes Datum nennen: "Jetzt haben wir 36 Punkte. 36 ist etwas ganz anderes als 33." Dechiffriert heißt das: Ab jetzt ist auch Streich recht guter Dinge, dass der Klassenverbleib gelingt.

Auch in Freiburg war der Tross aus Köpenick übrigens mit den verbalen Umarmungen empfangen worden, die vor allem viele altgediente Unionfans zunehmend anstrengend finden. Die Stadionzeitung "Heimspiel", eine der wenigen Publikationen in der Liga mit journalistischem Anspruch und 76 Seiten Umfang - hatte die Eisernen als eigentlichen "Big City Klub" begrüßt - und als Beleg für die Überschrift nicht nur die sportlich gute Lage angeführt. Während Hertha "mit viel Geld und bislang wenig Erfolg" versuche, ein Image zu finden, "begeistere Union mit geschärftem Profil die ganze Fußballnation."

Beide Fankurven protestieren gegen Kommerzialisierung und Kollektivstrafen

Fußballerisch hingegen bot Union im ersten Durchgang nicht viel, das die sowieso schon hohen Sympathiewerte weiter hätte hochtreiben können. Nach 45 Minuten stand es 1:0 für Freiburg. 1:6 Ecken und nur 42 Prozent an gewonnenen Zweikämpfen lauteten aus Union-Sicht die Parameter, die zum Ergebnis geführt hatten. Freiburg profitierte beim Führungstreffer von einem Zuordnungsfehler in der Berliner Defensive, als Roland Sallai nach einem Eckball von Vincenzo Grifo zum 1:0 einköpfen konnte (33.). Später traf Christian Günter mit einem brachialen Schuss zum 2:0 (55.).

Als sich die ersten Zuschauer bereits fragten, welchen Zweck die nach wie vor abwartende Spielweise der Berliner nach einem Rückstand bezweckte, fiel der 1:2-Anschlusstreffer. Nach einem Eckball von Christopher Trimmel köpfte Sebastian Andersson das 1:2 (61.), ehe Robin Koch das kurze Berliner Hoch wieder beendete (82.) und sich zerknirschte Union-Spieler vor den Mikrofonen einfanden. "Freiburg war voll da und in den Schlüsselszenen immer einen Schritt schneller", fand Neven Subotic, während sein Trainer Urs Fischer die Zweikampfquote von 40:60 als spielentscheidendes Manko erkannte und seinerseits den Klassenverbleib als recht weit hinterm Horizont liegend empfand: "Es ist noch ein schöner Weg für uns"

Während der gesamten Partie artikulierten beide Fankurven ihren Protest gegen Kommerzialisierung und Kollektivstrafen, verzichteten dabei allerdings auf Beleidigungen gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp. So kürzte die Freiburger Seite DFB mit "Dietmars Fußball Bund" ab und kritisierte den ehemaligen SC- und jetzigen DFB-Präsidenten Fritz Keller ("nichts kapiert"). Und dann hatte die Nordtribüne noch ein Transparent parat, das die Unionfans sicher als ebenso freundlich empfunden haben dürften wie die Begrüßung in der Stadionzeitung: "Hopp, du Windhorst", stand darauf zu lesen. Ob Hopp die Gleichsetzung mit dem ungeliebten Investor der ungeliebten Hertha ebenfalls als beleidigend empfindet, ist noch nicht überliefert. Wahrscheinlich ist hingegen, dass er damit den Union-Fans wohl die größte Freude dieses Wochenendes machen würde.

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SZ vom 08.03.2020
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