Süddeutsche Zeitung

SC Freiburg:Löw muss gönnen können

Der Bundestrainer verliert einen alten Rekord: Mit 84 Treffern ist ab sofort Nils Petersen der erfolgreichste Stürmer in Freiburgs Historie.

Von Christoph Ruf, Mainz

Natürlich war es Nils Petersen gewesen, dessen Treffer den Freiburger 2:1-Sieg in Mainz ermöglicht hatte. Und da es sich beim Tor nicht nur um das 2:0, sondern vor allem um dessen 84. Pflichtspieltreffer im SC-Dress gehandelt hatte, prasselten die Begehrlichkeiten nach dem Abpfiff nur so auf den Torjäger ein. Eine Packung Erdnüsse, mit Teig umhüllt, wünschte sich Torwart Alexander Schwolow für den anvisierten Halt auf einer Autobahnraststätte, während Verteidiger Dominique Heintz verwegen für "ein alkoholfreies Bier" plädierte; der Schütze selbst hatte übrigens Lust auf ein überdimensioniertes Eis am Stiel. Es gab schließlich was zu feiern. Und Petersen hatte bereits im Kabinengang angekündigt, dass die Kollegen ihr Portemonnaie im Bus lassen dürfen.

Bundestrainer Joachim Löw saß nicht mit im Bus, aber indirekt hatte er mit diesem Vorgang so einiges zu tun. Der gebürtige Schwarzwälder ist eine Bestmarke los, die er auf gleich drei Etappen (1978 bis 1980, 1982 bis 1984, 1985 bis 1989) für seinen Heimatklub aufstellen konnte. Löw, inzwischen 59, bleibt bei 83 Freiburger Treffern stehen, Petersen, erst 31, wird sich fortan der Zahl 100 nähern. Der aktuelle SC-Trainer Christian Streich glaubt, dass Löw seinen Status als nur noch zweitbester Freiburger Torschütze der Historie mit Fassung tragen wird: "Der Jogi ist ja auch einer von uns und gönnt ihm das selbstverständlich." Streich, der als Spieler immerhin zwei Mal in einem Zweitligaspiel für den SC traf, schickte später noch einen verbalen Ritterschlag für Petersen hinterher: "Er ist ein toller Fußballer mit zwei starken Füßen und auch außerhalb des Platzes eine absolute Persönlichkeit."

Bei der Einordnung des nicht unverdienten Auswärtssieges, der die Punkte 27, 28 und 29 einbrachte, herrschte im Freiburger Lager weit weniger Emphase als bei der Kommentierung von Petersens Rekord. Dass der Abstand nach unten dank des Sieges stabil sei, hoben einige Spieler hervor, ehe Streich dann - für seine Verhältnisse fast in einem Anfall von Größenwahn - das Offensichtliche aussprach: "Es deutet darauf hin, dass wir ein weiteres Jahr bestehen können."

Tatsächlich zeigte der Sportclub in Mainz, warum er in dieser Spielzeit nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben wird. Zwar schossen die Gastgeber sage und schreibe 22 Mal aufs Freiburger Tor und waren auch kämpferisch auf der Höhe, doch bei den B-Noten des Fußballspiels lag Freiburg vorne. Während 05-Trainer Achim Beierlorzer feststellen musste, dass "bei uns manchmal die Passwege nicht so flüssig sind, wenn eine Mannschaft wie Freiburg aggressiv spielt und die Laufwege zustellt", gab es auf Freiburger Seiten keine Klagen. Zwar hätte der SC nach den Toren des Südkoreaners Chang-Hoon Kwon (28.) und von Petersen (41.) noch ein, zwei Tore mehr schießen können, doch das galt auch für die fleißigen 05er.

Der große Unterschied war, dass im Freiburger Team die Pässe akkurater gespielt wurden, die Kombinationen meist flüssig von vorne bis hinten vorgetragen wurden und die Mannschaft wie eine Einheit wirkte. Bei Freiburg fiel kein Spieler ab, auf Mainzer Seite hingegen sorgten im Defensivverbund zwei, drei Akteure für Stirnrunzeln. Und auch wenn es am Schluss spannend wurde, weil Rückkehrer Jean-Philippe Mateta (82.) einen Anschlusstreffer erzielte, für den er sich irritierend ausgiebig selbst feierte, war es die reifere, individuell besser besetzte Mannschaft, die gewann.

Dass der SC das Duell zweier Teams, die man vor der Saison auf Augenhöhe sah, zwei Mal gewonnen hat, passt ähnlich gut ins Gesamtbild wie die Tatsache, dass die persönliche Bilanz des Übungsleiters um einen Makel ärmer ist: Nie zuvor war es dem Trainer Streich vergönnt gewesen, ein Bundesligaspiel in Mainz zu gewinnen. Überhaupt hatte Freiburg in zehn Versuchen nie in Mainz triumphiert. Und so hinterließ er Worte der Fassungslosigkeit: "Dass es heute geklappt hat, kann ich gar nicht richtig glauben."

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SZ vom 20.01.2020
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