SC Freiburg in der Europa League:"Dann sind wir eine Mannschaft, über die du sagen musst: Lecko mio!"

Lesezeit: 3 Min.

Christian Streich regte sich insbesondere über das Zeitspiel der Gäste aus Turin auf - es half nichts, Freiburg scheiterte an Juventus. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Sogar zu zehnt nötigt der SC Freiburg das große Juventus Turin dazu, Außenseiterfußball zu spielen - scheidet nach dem 0:2 aber aus. Nach der Partie erhebt Trainer Christian Streich Anklage.

Von Sebastian Leisgang, Freiburg

Christian Streich hörte gebannt zu und verstand kein einziges Wort. Gerade hatte er noch eine rund zweiminütige Brandrede gehalten, jetzt lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und schaute zu dem Mann, der auf dem Podium neben ihm saß und sich alle Mühe gab, denselben Ton zu treffen. Aber wie soll das gehen: so zu übersetzen, dass es Streich und seiner Empörung gerecht wird, noch dazu in einer Sprache wie Italienisch, in der man es ja erst mal hinkriegen muss, einen Satz wie "Und dann isch Fairness" zu transportieren?

Streichs Nebenmann erhob also seine Stimme und war auf einmal sehr aufgebracht. Er geriet plötzlich in Wallung und klang äußerst bestimmend, es ging jetzt ja nicht mehr darum, ob der SC Freiburg gefällig Fußball gespielt hatte oder wie es sich wohl für die Reservespieler angefühlt hatte, nach den 90 Minuten im leeren Stadion über den Rasen sprinten zu müssen - es ging jetzt: um Unsportlichkeiten.

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Nach dem 0:1 in Turin hatten die Freiburger auch das Achtelfinal-Rückspiel gegen Juventus verloren. Mit dem 0:2 verabschiedeten sie sich aus der Europa League, doch das war es nicht, was Streich hinterher erzürnte. "Ich will jetzt gar nicht über Abstöße oder Einwürfe reden, weil das kann man nachspielen lassen", begann Freiburgs Trainer und setzte damit zu einer Klage wider das Zeitspiel an, die weder Punkt noch Komma hatte und den Dolmetscher vor eine große Herausforderung stellte. "Das ist mir vollständig rätselhaft. Alles wird sanktioniert, alles - und das wird nicht sanktioniert", rief Streich: "Immer nimmt ein Juve-Spieler den Ball mit, steht davor oder spielt ihn weg. Die Mannschaft, die gefoult wird, hat einen Nachteil. Und was gibt es? Eine gelbe Karte. Und was bringt es uns? Nichts."

Es waren durchaus erstaunliche Szenen, die sich da zuvor zugetragen hatten: Zehn Freiburger, die Juve auch nach dem 0:1 samt der gelb-roten Karte für Manuel Gulde (44. Minute) wieder und wieder vor Aufgaben stellten - und elf Turiner, die zu Mitteln greifen mussten, zu denen sonst Außenseiter greifen. Die Italiener verteidigten an ihrem eigenen Strafraum, sprangen in jeden Zweikampf und versuchten vehement, Freiburgs Rhythmus zu brechen. Auch durch Spielverzögerungen.

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Schon in der ersten Hälfte berührte Juve- Torwart Wojciech Szczesny den Ball fast genauso oft mit der Brust wie mit den Händen, um ihn abtropfen zu lassen und dann zu warten, bis ein Freiburger auf ihn zustürmte. Und Dusan Vlahovic, der kurz vor der Pause per Handelfmeter das 1:0 erzielte, war nur einer von mehreren Turinern, die das taten, was Streich zu seiner Rede veranlasste. "Warum wird das nicht gemacht wie im Handball?", fragte Streich, "wer den Ball in die Hand nimmt, nachdem er ein Foul begangen hat, kriegt Gelb. Das geht dann genau drei Wochen. Nach drei Wochen macht es niemand mehr. Und wer profitiert davon? Der Fußball."

Streich, 57, raste. Als er dann aber hörte, mit welcher Hingabe der Dolmetscher seine Rede ins Italienische transportierte, da war der Unmut zumindest für einen Moment verflogen. "Für diese Übersetzung", sagte Streich, "schenke ich Ihnen nachher ein Trikot vom SC Freiburg." Der Saal jauchzte und applaudierte, dann widmete sich Streich wieder der Analyse.

Der Glaube, mit dem seine Mannschaft in der zweiten Hälfte trotz der umstrittenen Schlüsselszene kurz vor der Pause - mit Videobeweis-Elfmeter und Platzverweis in einem - und einer danach schier aussichtslosen Lage weiter nach vorne gespielt hatte. Die Leidenschaft, die sie Juves Überlegenheit entgegengesetzt hatte. Und die Aufrichtigkeit, mit der sie ihr Spiel bis zur fünften Minute der Nachspielzeit und dem 0:2 durch Federico Chiesa durchgezogen hatte: All das hinterließ Eindruck. "Man hatte immer das Gefühl: Wenn wir ein Tor machen, kann etwas Unfassbares passieren. Ich glaube, sogar Juve hatte ein bisschen Bedenken", fand Streich.

Es war ja tatsächlich nur in einzelnen Szenen deutlich geworden, mit wem es seine Mannschaft da zu tun hatte: Adrien Rabiot, wie er in der ersten Hälfte mit Siebenmeilenstiefeln durchs Mittelfeld marschiert und Nicolas Höfler abhängt, als wäre der Freiburger nicht gut zu Fuß. Vlahovic, wie er sich in den Zweikämpfen mit seinem Körper in Szene setzt und den Ball verteidigt. Oder Moise Kean, wie er ansatzlos am Freiburger Strafraum abzieht und den Zuschauern für einen Augenblick einen Schreck einflößt.

Nun ist Freiburgs Europa-Reise also zu Ende, der Sportclub kehrt in seinen Alltag zurück, und Streich ist schon jetzt bewusst, wie anspruchsvoll das wird. Nur drei Tage nach einem glitzernden Europapokalabend gegen Juventus Turin ein graues Bundesligaspiel in Mainz zu meistern, das wird eine Herausforderung. Streich weiß das nur zu gut, und deshalb genügten ihm schon ein paar Worte, um die Dinge auf den Punkt zu bringen. "Wenn wir jetzt am Sonntag in Mainz bestehen", meinte Freiburgs Trainer, "dann sind wir eine Mannschaft, über die du sagen musst: Lecko mio!"

Diesen Satz sagte Streich erst nach der Pressekonferenz. Der Dolmetscher musste ihn also nicht mehr übersetzen.

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