SC Freiburg:Hüpfen und rechnen

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Steuerte zwei Treffer zu Freiburgs 3:2-Sieg in Stuttgart bei: Woo-Yeong Jeong. (Foto: Michael Weber/Imago)

Drei Spiele, sieben Punkte: Der SC Freiburg ist so gut in eine Bundesliga-Saison gestartet wie nie zuvor. Doch die Euphorie-Wochen gründen auch auf ein paar glücklichen Momenten.

Von Felix Haselsteiner, Stuttgart/München

Es hätte durchaus sein können, dass Woo-Yeong Jeong am Samstag schon wieder ein Highlight verpasst hätte. Freiburgs südkoreanischer Stürmer hatte im Sommer eigentlich vorgehabt, sein Heimatland bei den Olympischen Spielen in Tokio zu vertreten, sein großer Traum war jedoch kurz vor den Spielen geplatzt, als er überraschend nicht nominiert wurde. Jeong blieb also in Freiburg, machte die gesamte Saisonvorbereitung mit und stand dementsprechend bei den ersten beiden Bundesliga-Spielen der Freiburger in der Startelf - dann allerdings sinnierte Christian Streich nach eigener Aussage über einen Umbau. "Das passt eigentlich nicht ganz, so wie der VfB spielt mit Dreierkette und den zwei Zehnern", sagte Freiburgs Trainer über das taktische Konzept seiner Mannschaft. Erst am Freitagabend entschied er sich mit seinem Stab dafür, die Taktik aus der vergangenen Woche mit Jeong beizubehalten - "zum Glück", wie Streich sagte.

Zwei Tore erzielte der 21-Jährige am Samstag im Schwaben-Baden-Duell in Stuttgart. Einmal kam Jeong in erstaunlich freier Position in der Mitte zum Kopfball (3. Minute), dann verwertete er eine nicht ideale Faustabwehr des Stuttgarter Torwarts Florian Müller zum 2:0 (9.). "Dieses Spiel war super für mich", sagte der Flügelspieler danach bei Sky, wohlgemerkt auf Deutsch, allerdings ohne badischen Akzent. In dem widmete Streich seinem jungen Matchwinner ein Kompliment: "Er ist einfach einer toller Kerle, wenn du siehst, wie er läuft und der Mannschaft hilft", sagte Streich. Jeong sei "ein ganz toller Mensch, auch außerhalb vom Platz".

Überhaupt war Freiburgs Trainer nach dem Spiel sichtlich gut gelaunt und hüpfte noch auf dem Platz seinen Spielern entgegen. Wer soll es ihm verdenken, es sind ja gerade so etwas wie die Euphorie-Wochen im Breisgau, wo dem SC Freiburg derzeit fast alles gelingt: Sieben Punkte aus den ersten drei Bundesligapartien sind der beste Saisonstart der Vereinsgeschichte, tabellarisch werden die Breisgauer umrahmt von Dortmund, Bayern und Leverkusen. Freiburgs Fußball funktioniert so gut wie eh und je, geprägt von viel Einsatzwille und Effizienz - gegen Stuttgart reichte eine halbe Stunde für eine 3:0-Führung, weil auch Lucas Höler in der 28. Minute noch traf.

Bei Stürmer Schlotterbeck stimmt sogar die Ökobilanz bei der Anreise zur Nationalelf

Freiburgs derzeitiger Erfolg rührt allerdings auch daher, wie die Dinge abseits des Platzes geregelt werden: Der Wechsel von Baptiste Santamaria zu Stade Rennes etwa wurde so moderiert, dass das Fehlen des Stabilitätsfaktors im Mittelfeld aus dem vergangen Jahr kaum auffällt. Santamaria hatte die gesamte Vorbereitung noch in Freiburg verbracht - ein spontaner Wechsel eines Leistungsträgers Mitte August hat andere Mannschaften schon verunsichert. Die Freiburger allerdings verdienten an ihrem einstigen Rekordeinkauf (zirka zehn Millionen Euro) noch ein paar Millionen und holten dafür in Maximilian Eggestein einen guten Ersatz aus Bremen.

Zur Euphorie trägt auch noch bei, dass Freiburg bald wieder einen deutschen Nationalstürmer haben dürfte: Nico Schlotterbeck steht im Aufgebot von Bundestrainer Hansi Flick und musste daher gar nicht mehr aus Stuttgart heim ins Breisgau reisen, sondern durfte direkt bleiben. "Ich spiele in meiner Heimat in Stuttgart und der Lehrgang ist in Stuttgart - was Besseres gibt es kaum", sagte Schlotterbeck vor seinem Debüt. Streich verwies bei Sky mit einem Augenzwinkern auch noch auf die Ökobilanz solcher Autofahrten zwischen Schwaben und Baden.

Es brauchte schon die Stuttgarter Konstantinos Mavropanos und Hamadi Al Ghaddioui, die mit ihren Toren noch vor der Halbzeit auf 3:2 verkürzten, um die Freiburger nicht in abgehobene Sphären entschweben zu lassen. Und es brauchte natürlich auch Christian Streich, der wohl selbst bei einer Qualifikation für die Champions League noch mit dem Fahrrad ins Stadion fahren würde und von Euphorie einige Minuten nach seinem Gehüpfe über den Rasen nichts mehr wissen wollte.

"Ich kann rechnen und weiß, wie viele Punkte wir noch brauchen, um ein weiteres Jahr Bundesliga zu spielen", sagte Streich. Freiburgs Trainer warb nicht nur aus mathematischen Gründen zur Ruhe, sondern auch, weil ihm bewusst ist, dass die Freiburger im Spiel gegen Stuttgart, aber auch bei den Entscheidungen abseits des Platzes im Moment neben aller Qualität das Glück auf ihrer Seite haben.

"Wir waren die Glücklicheren", sagte Streich und spielte nicht nur darauf an, dass Jeong fast auf der Bank gesessen wäre, sondern auch darauf, dass die von Ausfällen gezeichneten Schwaben in der zweiten Halbzeit durchaus noch ein Unentschieden verdient gehabt hätten.

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