Süddeutsche Zeitung

SC Freiburg:Aktion sorgenfrei

36 Punkte sind etwas völlig anderes als 33. Nach dem 3:1 gegen Union Berlin glaubt sogar der notorisch skeptische Trainer Christian Streich an den Klassenerhalt. SC-Fans kritisieren derweil den früheren Vereinschef Fritz Keller in seiner Rolle als DFB-Präsident.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Philipp Lienhart, Innenverteidiger des SC Freiburg, hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass er kurz nach dem Spiel nach seiner Meinung zur Corona-Krise gefragt werde. Der Reporter gab sich als Schweizer zu erkennen, und dass im grenznahen Nachbarland alle Profifußballspiele bis April ausgesetzt wurden, hat sich natürlich bis nach Südbaden herumgesprochen. Lienhart zeigte also Verständnis für die Frage - und sagte: "Ich bin kein Mediziner, aber ich bin froh, dass wir den Sieg heute mit unseren Zuschauern feiern konnten. Ohne Fans wäre das sicher ein ganz anderes Gefühl gewesen."

Lienharts Trainer, Christian Streich, lässt sich in seiner Sicht auf den Fußball eher selten von der Atmosphäre im Stadion beeinflussen - und interpretiert viele Dinge stets pessimistischer als andere Beobachter. Dass Freiburg diese Saison mit dem Abstieg nichts zu tun haben werde, gilt ja schon seit dem Spätherbst als gesicherte Erkenntnis. Streich hingegen fand offenbar erst das 3:1 gegen Union Berlin am 7. März entscheidend: "Jetzt haben wir 36 Punkte. Und 36 ist etwas ganz anderes als 33", betonte er. Dechiffriert heißt das: Jetzt ist auch Christian Streich guter Dinge, dass der Klassenverbleib gelingt.

Der Gästetross aus Köpenick war auch in Freiburg mit verbalen Umarmungen empfangen worden, die altgediente Union-Fans jedoch zunehmend anstrengend finden. Die SC-Stadionzeitung "Heimspiel", eine der wenigen Publikationen der Liga mit journalistischem Anspruch, hatte die Eisernen als eigentlichen "Big City Klub" begrüßt - und als Beleg dafür nicht nur die sportlich gute Lage angeführt. Während die Berliner Hertha "mit viel Geld und bislang wenig Erfolg" versuche, das Image eines Topklubs zu vermitteln, begeistere Union "mit geschärftem Profil die ganze Fußballnation", hieß es.

Nach 45 Minuten aber stand es 1:0 für Freiburg. 1:6 Ecken und nur 42 Prozent gewonnene Zweikämpfe lauteten aus Union-Sicht die ursächlichen Parameter. Freiburg profitierte beim Führungstor von einem Zuordnungsfehler in Berlins Defensive, Roland Sallai köpfelte nach einem Eckball ein (33.). Christian Günter erhöhte mit einem brachialen Schuss auf 2:0 (55.).

Als sich erste Zuschauer bereits fragten, was die nach wie vor abwartenden Berliner mit ihrer Spielweise trotz des Rückstands bezweckten, fiel das 1:2: Nach einer Ecke traf Sebastian Andersson zum 1:2 (61.), ehe Robin Koch das kurze Union-Hoch beendete (3:1/82.). "Freiburg war voll da und in den Schlüsselszenen einen Schritt schneller", fand Verteidiger Neven Subotic. Trainer Urs Fischer sieht den Klassenerhalt seines Teams noch längst nicht gesichert: "Es ist noch ein schöner Weg für uns."

Während der Partie artikulierten beide Fankurven ihren Protest gegen Kommerzialisierung und Kollektivstrafen, verzichteten aber auf Beleidigungen gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp. Freiburger Fans bezeichneten per Banner den DFB als "Dietmars Fußball Bund" - und sie kritisierten auch ihren ehemaligen Klubchef, den aktuellen DFB-Präsidenten Fritz Keller ("nichts kapiert").

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4836749
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.03.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.