Süddeutsche Zeitung

Transfers des FC Bayern:Sané plus zwei?

  • Der FC Bayern braucht nach der Verletzung von Leroy Sané ein paar neue Überlegungen in Sachen Transfers.
  • Im Zentrum steht die Frage, ob man einen teuren Spieler will, der lange fehlen wird?
  • Und es geht darum, wer neben Leroy Sané noch kommen könnte.

Von Benedikt Warmbrunn, Rottach-Egern

Hasan Salihamidzic legte die Hände hinter dem Rücken übereinander, er wippte von einem Bein auf das andere, wischte sich mit der Zunge über die Lippen. Der Sportdirektor des FC Bayern München wirkte wie ein Mann, der ein Gedicht vortragen will.

Wenige Minuten zuvor war die Sonne hinter den Bergen rund um den Tegernsee verschwunden, über dem Fußballplatz von Rottach-Egern hatte sich rasch die Temperatur herabgekühlt, der Stadionsprecher wünschte den Zuschauern nach diesem 23:0 des FC Bayern gegen den FC Rottach-Egern einen guten Heimweg. Außerdem waren ein paar Fans zu hören, die sich nicht auf den Heimweg machen wollten, so lange nicht, bis sie ein Foto, ein Autogramm oder ein Lächeln ihres Lieblingsspielers bekommen hatten. Es war also ein ungewöhnlicher Rahmen, um ein Gedicht vorzutragen.

Das Gebot der Stunde: ManCity nicht verärgern, Sané bei Laune halten - und entscheiden!

Hasan Salihamidzic aber sagte dann auch nicht Schillers "Handschuh" ("Vor seinem Löwengarten/Das Kampfspiel zu erwarten/Saß König Franz ...") auf, auch nicht Rilkes "Panther" ("Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe/so müd geworden, dass er nichts mehr hält./Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe/und hinter tausend Stäben keine Welt"), obwohl beides nicht unpassend gewesen wäre in der aktuellen Situation des Vereins.

Stattdessen sagte Salihamidzic eine Art modernes Gedicht auf, wenige Worte nur, die aber alles über die Situation sagten, in der sich der FC Bayern gerade befindet. Der Sportdirektor sagte: "Ich hoffe/dass ihr alle Verständnis habt/dass wir uns dazu nicht äußern werden."

Am Donnerstagabend, an dem Salihamidzic diese Zeilen drei Mal wiederholte, immer wieder auf andere Fragen hin, lag ein aufwühlender Tag hinter ihm. Seine Sätze vor den Journalisten waren dafür beachtlich ruhig, freundlich und verständnisvoll. Der Donnerstag war der Tag, an dem der FC Bayern erfahren hat, dass der Spieler, für den der Klub so viel Geld ausgeben wollte wie noch für keinen anderen Fußballer in der Vereinsgeschichte, sich schwer verletzt hat, operiert werden muss und monatelang ausfallen wird.

Lewandowski fordert zunehmend forscher Verstärkung

In einer Transferperiode, in der sich der FC Bayern durch fehlendes Gespür manchen Wechsel bereits erschwert hat, zeigte Salihamidzic also an diesem Abend viel diplomatisches Geschick.

Erste Übung: den Verhandlungspartner nicht verprellen. Also sagte Salihamidzic über den umworbenen Leroy Sané, der nächste Woche nach einem Kreuzbandanriss operiert werden muss: "Grundsätzlich ist er ein Spieler von Manchester City, und zu den Spielern, die bei den anderen Klubs unter Vertrag stehen, äußern wir uns nicht." Zweite Übung: Sané aufmuntern! Also sagte Salihamidzic mitfühlend: "Ich bin aber - klar! - traurig und bedauere das sehr, dass Leroy sich schwer verletzt hat, und ich wünsche ihm gute Besserung." Auf Nachfragen, ob der FC Bayern Sané immer noch verpflichten wolle und was die Diagnose für weitere Transfers bedeute, sagte der Sportdirektor eben stets: "Ich hoffe, dass ihr alle Verständnis habt, dass wir uns dazu nicht äußern werden."

Und so endete ein weiterer Tag in dieser Transferperiode, ohne dass der FC Bayern einen Zugang verkünden konnte.

Der Tag endete allerdings auch nicht damit, dass Salihamidzic verkündete, dass der Klub einen Spieler, nämlich Sané, nicht verpflichten werde. Auch nach der OP-Nachricht ist es weiter gut vorstellbar, dass der FC Bayern seinen Wunschspieler kaufen will, fraglich ist jedoch, für welchen Preis. City hatte intern 150 Millionen Euro als Minimalablöse aufgerufen, diese Summe werden die Münchner nun kaum noch zahlen. Ohnehin ist aus Manchester zu vernehmen, dass der FC Bayern noch kein offizielles Sané-Angebot hinterlegt habe. Und so geht es für Salihamidzic und die anderen Mitglieder im Verhandlungsteam der Bayern vorerst darum, City und Sané mit dessen kompliziertem Beratergespann nicht zu verärgern.

Nach der Diagnose vom Donnerstag geht es außerdem auch verstärkt darum, wie der Klub die vergangenen Monate, in denen er sich um Leroy Sané bemüht hatte, genutzt hat, um weitere Verpflichtungen vorzubereiten.

Sané plus zwei, das hatte Robert Lewandowski unter der Woche als Formel für die weiteren Transferbemühungen ausgegeben. Der Torjäger gilt als einer, der mit seinen Aussagen gezielt Politik machen will - und als einer, der schlechte Laune bekommen kann, wenn seine Wünsche nicht erfüllt werden. Die Baustellen im Kader waren in der ersten Saison nach der Ära Ribéry/Robben seit Monaten bekannt; dass Lewandowski sie jetzt öffentlich benennt (ein weiterer Außenstürmer, ein zentraler Mittelfeldspieler), spricht dafür, dass er nicht mehr viel Geduld hat.

Wer auch immer die zwei anderen sein könnten, das Verblüffende ist ja bereits jetzt: Alle kommen erstaunlich spät. Am Montagabend spielt der FC Bayern im Pokal in Cottbus, am nächsten Freitag startet er mit dem Heimspiel gegen Hertha BSC in die Bundesligasaison. Von den insgesamt fünfeinhalb Wochen an Vorbereitung bleiben also nur noch wenige Trainingseinheiten übrig.

Da sich Salihamidzic als hauptverantwortlicher Transfermacher nicht über die Spieler anderer Klubs äußert, ist an Transfers noch viel oder auch nichts möglich.

Nicht mehr in Frage kommt Hakim Ziyech von Ajax Amsterdam, der jetzt doch beim Champions-League-Halbfinalisten verlängert hat. Vor wenigen Tagen erst hatte Ajax-Sportdirektor Marc Overmars als Ablöseforderung noch 35 Millionen Euro für den 26-jährigen Marokkaner aufgerufen.

Als Kandidat gilt auch Ivan Perisic, für den sich Niko Kovac starkgemacht haben soll; der Trainer kennt den Angreifer von Inter Mailand aus seiner Zeit als Coach der kroatischen Nationalelf. Mit seiner Erfahrung könnte der 30 Jahre alte Linksaußen Perisic, der im vergangenen Sommer eine beeindruckende WM gespielt hatte, auch kurzfristig helfen. Er wäre allerdings aufgrund seines Alters kein Spieler, der den Umbruch abschließt und für den Aufbau einer jungen FCB-Mannschaft steht.

Um einen Spieler gibt es noch mehr Rätsel als um Sané

Und dann ist da noch eine Personalie, um die es sogar noch mehr Rätsel gibt als um Sané: Timo Werner. Der Angreifer aus Leipzig hatte vor Monaten öffentlich angedeutet, dass er gerne nach München kommen würde, es gab Gespräche mit den Bayern, manche Insider berichten gar von einer prinzipiellen Einigung mit dem 25-maligen Nationalspieler (zehn Tore). Aber dann geriet diese Transfergeschichte ins Stocken, unklar ist, warum. Setzten die Bayern alles auf die Karte Sané?

Ähnlich war es angeblich auch mit dem spanischen U21-Europameister Marc Roca von Espanyol Barcelona, der das Zentrum verdichten könnte. Es soll erste Gespräche gegeben haben, aber konkreter wurden diese dem Vernehmen nach nicht.

Ein letzter Versuch also in der abendlichen Frische am Tegernsee: Hat es von Spielern schon Zusagen gegeben? Salihamidzic sagte: "Der Transfermarkt ist eine Phase, in der man Ruhe bewahren muss und erst einmal schauen kann."

Dass er diese Ruhe bewahren kann, das hat Salihamidzic inzwischen wirklich hinreichend nachgewiesen.

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Quelle:
SZ vom 10.08.2019/jbe
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