Unterhaching-Coach Sandro Wagner:Ziel ist die Bundesliga - und nicht das Fernsehen

Unterhaching-Coach Sandro Wagner: "1000 Prozent Trainer": Sandro Wagner will irgendwann in der Bundesliga arbeiten.

"1000 Prozent Trainer": Sandro Wagner will irgendwann in der Bundesliga arbeiten.

(Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Der Fußballtrainer und Experte Sandro Wagner musste während der WM in Katar einen Spagat bewältigen. Neben seinen Sprüchen und Taktikanalysen im TV will er jedoch vor allem eins: Erfolg mit der SpVgg Unterhaching.

Von Stefan Galler

In vielen Familien geht es in der Vorweihnachtszeit stressig zu, das Fest will schließlich vorbereitet sein inmitten aller beruflichen Aufgeregtheiten zum Jahresende. Bei Sandro Wagner sind die letzten Tage vor Heiligabend ebenfalls voll durchgetaktet, mit vier Kindern im Haus geht es sowieso rund - und dann war da ja auch noch Katar. Ausgerechnet in der heißen Phase des Advents war der Vater immer wieder weg, bei der Fußball-Weltmeisterschaft, als Experte fürs ZDF.

Jetzt ist er wieder da, hat sich eine halbe Stunde freigeschaufelt für ein Telefongespräch und zieht Bilanz über seine Erlebnisse am Persischen Golf: "Es bleibt unheimlich viel hängen von dieser WM, sportlich wie auch, was die allgemeinen Eindrücke angeht." Er spricht aber auch über all das, was seine andere Tätigkeit betrifft, jene als Coach des Regionalliga-Spitzenreiters Spielvereinigung Unterhaching - und die stehe über allem, das betont Wagner bei jeder Gelegenheit: "Ich bin Trainer der Spielvereinigung, alles Weitere kommt immer danach."

Es hatte zuletzt eine Debatte darüber gegeben, wie der ehemalige Nationalspieler seine beiden Tätigkeiten überhaupt unter einen Hut bringen könne. Dabei ging es auch um die Absage der letzten Partie dieses Kalenderjahres gegen Wacker Burghausen, denn zu der Zeit weilte Wagner schon in Katar. Haching-Präsident Manfred Schwabl stellt klar, dass an diesem Spielausfall nichts verwerflich sei: "Und überhaupt sollten wir uns als Regionalliga nicht so wichtig nehmen."

Wagner unterstreicht, dass er durch seinen Job als Fernsehexperte "noch nie eine wichtige Trainingseinheit, geschweige denn ein Spiel verpasst" habe. Selbst während der WM sei er zwischendurch nach Hause geflogen. Und wenn er für den Streaming-Sender Dazn bei einem Champions-League-Spiel sei, dann nehme er am nächsten Tag die erste Maschine, "und ich stehe um 11 Uhr wieder auf dem Trainingsplatz. Die Jungs bekommen das gar nicht mit".

"Der Aufstieg ist nicht planbar, alleine schon wegen der Relegation am Ende der Saison."

Auch wenn er im Fernsehen oft redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und auch wenn seine Auftritte als Trainer von einer in dieser Branche seltenen Lässigkeit geprägt sind, nimmt Sandro Wagner die Dinge, die er tut, doch sehr ernst. Und so will er sich etwa in Unterhaching nicht von der aktuell guten Zwischenbilanz blenden lassen. Meisterschaft und Aufstieg seien in dieser Saison nicht das definierte Ziel, stellt er klar, vielmehr gehe es darum, die "Qualität der Jungs zu verbessern". Schließlich sei ein Aufstieg nicht planbar, "alleine schon wegen der Relegation am Ende der Saison".

Nach 23 Spieltagen und nur zwei Niederlagen belegt die SpVgg Unterhaching mit 57 Punkten den ersten Platz vor Verfolger Würzburg (54). Haching müsste im Falle des Titels in der Liga gegen den Meister der Regionalliga Nordost um das Ticket zur dritten Liga spielen - aktuell liegen dort Energie Cottbus und Rot-Weiß Erfurt vorne. Diese Relegation könne ganz bitter verlaufen, etwa mit einer frühen roten Karte im ersten Spiel, "oder wenn du in der Woche davor zehn Corona-Fälle hast", sagt Wagner. "Das muss unbedingt geändert werden, der Meister muss einfach direkt aufsteigen."

Nach wie vor geht der 35-Jährige in seiner Aufgabe beim Münchner Vorortklub voll auf. Mit dem bisher Erreichten sei er zufrieden, schließlich habe er bei seinem Amtsantritt vor anderthalb Jahren "sportlich und teamstrukturell einen Trümmerhaufen" vorgefunden, mit einer "ineinander verkeilten Mannschaft, wie es nach einem Abstieg üblich ist". Wagner hat die Einzelteile entwirrt, mit Teambuilding und viel Kommunikation eine bessere Atmosphäre innerhalb des Kaders geschaffen. Und dabei auch selbst Kompromisse gemacht: "Ein Schema X, wie ich eigentlich spielen möchte, ist mit den Spielertypen, die ich habe, nicht hundertprozentig umsetzbar. Also muss ich mich als Trainer anpassen. Es geht darum, eine Art Symbiose mit dem vorhandenen Kader zu bilden", sagt er.

Er ist völlig überzeugt vom Klub ("ein geiler Verein, der durch Manni Schwabl einen Wiedererkennungswert und Nachhaltigkeit gewonnen hat"), die Aufgabe passt auch perfekt, um sich als junger Trainer zu entwickeln, und sein zweites Standbein als Fernsehexperte lässt sich gut damit kombinieren. Dennoch will sich der gebürtige Münchner derzeit nicht auf eine Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags einlassen. "Es gibt keine Tendenz, ich werde das mit meiner Familie und mit Haching besprechen. Aber klar ist auch, dass mein Engagement in Haching eine Win-win-Situation für alle ist, was ich nicht einfach so aufgeben werde." Zudem könne er parallel seine noch fehlenden Trainerlizenzen einholen.

Präsident Schwabl jedenfalls ist von seinem leitenden Angestellten überzeugt. "Kritikfähig" sei er. "Er hört zu, das ist ein hohes Gut in diesem Geschäft." Dazu komme Wagners Wirkung auf junge Spieler: "Die Wahrscheinlichkeit, dass eines unserer Talente weg will, ist eher gering." Ganz im Gegenteil: "Wir bekommen viele Anfragen von Spielern, die unter Sandro trainieren wollen." Wagner sei ein sehr guter Repräsentant für den Verein, "auch über seine Arbeit als Kommentator höre ich nur Positives", sagt Schwabl. Selbst ein missglückter Scherz, wie er in einer Live-Reportage schon mal vorkommen kann, fliegt ihm - wenn überhaupt - nur kurzzeitig um die Ohren.

Wagners WM-Erkenntnis: Sieger Argentinien habe "das meiste Herz gezeigt"

Wie alle Erfahrungen, die er im Fußball macht, ordnet Wagner auch die Weltmeisterschaft als enorm wichtig für seine Entwicklung ein. Er will schließlich "zu tausend Prozent" Trainer werden, sein Ziel ist die Bundesliga und nicht das Fernsehen. Seine sportlichen Erkenntnisse aus Katar: "Wie bei der EM 2021 und der Champions League letzte Saison hat nicht unbedingt die talentierteste Mannschaft gewonnen, sondern diejenige, die das meiste Herz gezeigt hat." Und wenn man neben Qualität eine "klare Richtung" habe, wie diesmal die Argentinier oder damals die Italiener beziehungsweise Real Madrid auf Klubebene, "dann gewinnst du".

Auch zum deutschen Auftritt in Katar hat Wagner eine klare Meinung: "Ich sehe es wie Emmanuel Macron, der sagt, dass sich Fußballer auf Fußball konzentrieren sollen." Für die arabische Welt habe diese WM eine große Bedeutung gehabt, alleine deshalb hätte man sie trotz aller Dinge, die "natürlich kritikwürdig" seien, von deutscher Seite mehr respektieren müssen. All das sei dann zu Recht beim Finale letzten Sonntag kein Thema mehr gewesen. "Und dieses Spiel hat mal wieder gezeigt: Fußball ist geil."

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