Süddeutsche Zeitung

Olympia:Uncool Runnings

  • Die deutsche Trainerin Sandra Kiriasis wollte mit dem jamaikanischen Bob-Frauenteam eine Überraschung bei Olympia schaffen.
  • Doch daraus wird nichts, denn es gab nun Streit im Verband.
  • Über die Hintergründe des scheinbar plötzlichen Zerwürfnisses lassen sich nur Vermutungen anstellen.

Von Volker Kreisl, Pyeongchang

Die Bilder von der Eröffnungsfeier sind noch in Erinnerung: Team Jamaika marschierte ein, lachte, winkte und tanzte. Genau jenes Klischee wurde in Szene gesetzt, für das Jamaika steht, das Team wirkte harmonisch und sorglos.

Fünf Tage später ist von dieser Sorglosigkeit nichts mehr übrig. Statt sich auf die Zweier-Bob-Rennen der Frauen zu konzentrieren, hat Team Jamaika erst mal ganz andere Aufgaben. Die Führung muss erklären, wie es dazu kommen konnte, dass ihre deutsche Trainerin Sandra Kiriasis nicht mehr dabei ist. Hässliche Worte wechselten hin und her, Kiriasis spricht von Rausschmiss, der Verband bedauert dagegen ihren freiwilligen Rückzug, die Aussagen widersprechen sich derart krass, dass eigentlich nur eines feststeht: Der Riss geht tief, wirklich sorglos konnte schon bei der Eröffnungsfeier niemand gewesen sein.

"Wir geben keine Interviews mehr"

Das Bob-Team aus der Karibik hatte in diesem Winter weltweit Aufmerksamkeit erregt, weil es nach vielen Jahren durchschnittlicher Leistungen wieder ein olympisches Team stellt. Jazmine Fenlator-Victorian und Carrie Russell qualifizierten sich für Pyeongchang, zufällig 30 Jahre nach dem zur Legende gewordenen Auftritt der vier lustigen Bob-Anfänger um den Piloten Dudley Stokes 1988 in Calgary. Das später verfilmte Märchen sollte also fortgesetzt werden.

Jetzt, so scheint es, wird daraus eine Geschichte mit viel harter Realität. Die Trainerin Kiriasis - Weltmeisterin, Gesamtweltcupgewinnerin und Olympiasiegerin - hat keine Akkreditierung für die Bahn mehr und schäumt. "So eine Enttäuschung habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt", sagt sie. Man habe sie nur noch als Bahntrainerin einsetzen wollen, womit sie keinen Kontakt mehr zu den Athleten gehabt hätte. Gründe seien ihr nicht genannt worden. Dabei sei ihr Verhältnis zum Bob-Team eigentlich vollkommen in Ordnung.

Der Verband gab daraufhin eine offizielle Erklärung heraus, die aber Präsident Christian Stokes gegenüber britischen Medien konterkarierte. Formal hieß es zunächst, man bedaure den Rückzug von Kiriasis und danke ihr für den "unschätzbaren Beitrag, den sie für das jamaikanische Frauen-Bob-Team geleistet hat". Christian Stokes erklärte aber der Agentur Reuters: "Kiriasis lastete als mächtige destruktive Kraft auf dem Team. Seit sie weg ist, ist die Zusammenarbeit viel besser." Im Grunde haben alle einen Kommentar-Stopp zu dem Thema vereinbart: "Wir geben keine Interviews mehr, bis das Rennen am Mittwoch zu Ende ist", sagt die Pilotin Jazmine Fenlator-Victorian.

Vorerst lässt sich somit nicht klären, ob Kiriasis wie angekündigt den Jamaikanern Schwierigkeiten bereiten kann. Sie verlangt eine Bezahlung für die Arbeit, die sie geleistet hat, insbesondere für den Schlitten, den das Team nur durch ihre Kontakte und ihre Vermittlung nutzen könne. Britische Meldungen, wonach ihr der sehr schnelle Schlitten gehöre und das ganze Projekt nun auf dem Spiel stehe, dementierte Jamaikas Verband umgehend. "Wenn unser Start ansteht, dann werden wir da sein, und zwar auf höchstem Niveau", versicherte Dudley Stokes, der Pilot von 1988, der nun das Training übernimmt.

Über die Hintergründe des scheinbar plötzlichen Zerwürfnisses lassen sich nur Vermutungen anstellen. Kurz vor dem Abschluss einer jahrelangen mühevollen Zeit bricht niemand großen Streit vom Zaun, man hat sich wohl schon länger übereinander geärgert. Womöglich liegt die Ursache weniger in Kiriasis' Streit mit den Athleten als in einem Streit mit anderen ehrgeizigen Kräften im Verband. Der muss nun eskaliert sein.

Kiriasis war im Dezember kurzfristig aufgrund ihres guten Rufes als Bob-Fachkraft eingestellt worden, nicht auszuschließen ist, dass das Ende dieses Engagements nicht klar genug bestimmt war. Sie unterstützt zudem noch die Kanadierin Kaillie Humphries, was aber von Beginn an abgesprochen gewesen sei, sagt sie. Ist sie im Team Jamaica nun Cheftrainerin, oder doch mehr eine beratende Kraft? Nur bis Olympia, oder darüber hinaus? Die Deutsche Presse-Agentur meldete, dass die Britin Nicola Minichiello schon bereit stehe.

Kiriasis gilt als Person, die sich nichts gefallen lässt. Konflikten ist sie in ihrer Karriere wahrlich nicht aus dem Weg gegangen, mit manchen engen Begleitern hat sie sich angelegt und überworfen, nun wohl auch mit jenen Kräften, die ihren eigenen Einfluss aufs jamaikanische Trainerteam in Gefahr sahen. Ihren Beitrag zur Olympiaqualifikation hat Kiriasis zweifellos geleistet, im Dezember schafften Fenlator-Victorian und Russell einen siebten Rang, es war ihre beste Weltcup-Platzierung.

All das reichte aber nicht, um wenigstens noch ein paar Tage zusammenzuhalten, bis das ersehnte Olympia-Rennen gefahren ist.

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SZ vom 16.02.2018/jbe
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